„Sieben Heere“ von Tobias O. Meissner – eine Einordnung in den Fantasy-Kosmos

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Was versteht man unter High- und Low- Fantasy oder Sword and Sorcery?

Als High-Fantasy  bezeichnet man Fantasy nach dem Vorbild von J.R.R. Tolkiens Werken, wie „Der Hobbit“ oder „Der Herr der Ringe“.  Der britische Schriftsteller und Dichter erschuf eine Reihe von phantastischen Völkern, wie Elfen, Zwerge, Orks und Hobbits, die so oder in ähnlicher Form in Romanen auftreten, die denen Tolkiens nachfolgen. Diese Völker besiedeln eine weitreichende Welt, die eigene Naturgesetze hat und oft geht es darum, diese vor der Zerstörung durch das ‚Böse‘ zu retten. Ein häufiges Leitmotiv von High-Fantasy Romanen ist die Queste, also eine abenteuerliche Reise, durch die der Held die Rettung herbeiführt.

Der Begriff „Low-Fantasy“  beschreibt eine Gattung der Fantasy-Literatur, in der keine der Tolkien’schen Völker und eher wenige phantastische Figuren vorkommen. Hier kämpfen Menschen gegen das Böse, öfter mit dem Schwert und denn mit Hilfe der Magie. Es geht auch nicht um Weltenrettung, sondern um persönliche Motive, wie die verletzte Ehre, das Überleben oder einfach Habgier. Der Texaner Robert Ervin Howard gilt mit seinen „Conan“ Abenteuern, die zunächst als Pulp-Magazine erschienen, als Begründer der Gattung. Der Begriff „Low-Fantasy“ wird oft mit einer negativen Konnotation wahrgenommen, im Sinne von Schundliteratur. Michael Moorcock (Die Zeitnomaden, ET 1971)  und Fritz Leiber (Fafhrd und Grauer Mausling, ET 1968), prägten daher den Begriff  „Sword and Sorcery“ für diese Sparte der Fantasy.

Mitte der Neunziger Jahre entstand der Roman „A Game of Thrones“, (dt. Titel „Die Herren von Winterfell“) als erster Band von George R.R. Martins monumentaler und  bisher unvollendeter Serie „A Song of Ice and Fire“. Der Roman avancierte schnell zum Kult-Werk und modernen Klassiker der Fantasy-Literatur. Die Verfilmung des Zyklus als „Game of Thrones“ TV-Serie durch die HBO Studios (sie trägt also nicht den Titel der Buchreihe, sondern den des ersten Bandes) hat einen wahrhaftigen Hype um Fantasy dieser Art erzeugt und animiert seitdem viele Menschen dazu, ähnliche Fantasy-Literatur zu lesen. Diesem Leserwunsch kommen die Verlage natürlich gern nach und beliefern die Buchhändler mit entsprechenden Neuerscheinungen. In vielen dieser Bücher geht es wie in der High-Fantasy um Weltenrettung. König- oder Kaiserreiche fallen und erheben sich, Kontinente werden erobert, Macht und Intrige stehen im Vordergrund. Das Übernatürliche und Magische, eigentlich wesentlich in der Fantasy-Literatur, tritt dagegen zurück und dient eher als Mittel zum Zweck. Diese Art der Fantasy grenzt sich einerseits von der High-Fantasy nach Tolkien’schem Vorbild ab. Zur Sword and Sorcery Fantasy gehört sie auch nicht, da es sich um epische Fantasy handelt, in der die Rettung der Welt im Mittelpunkt steht, und nicht das Schicksal eines einzelnen Helden. Somit hat George R. R. Martin eine eigene Spielart der High-Fantasy etabliert, die sich derzeit sehr hoher Beliebtheit erfreut.

Wie passt der Roman „Sieben Heere“ von Tobias O. Meissner zur derzeit populären Fantasy nach dem Vorbild George R.R. Martins?

Sieben Heere © Piper
Sieben Heere © Piper

Tobias O. Meissners aktueller Roman trägt den Titel „Sieben Heere“ und der Klappentext beginnt mit folgenden Worten:

„Es ist die dunkelste Stunde des Reiches Akitania. Sieben Heere, gebildet aus den skrupellosesten Krieger, halten Einzug in das Land und besetzen Städte und Dörfer.“

Es liegt nah, „Sieben Heere“ auch dieser modernen Form der High-Fantasy à la George R.R. Martin zuzurechnen. Dieser Artikel wird sich der Frage nähern, inwieweit nun Tobias O. Meissners aktueller Roman sich diesem Trend anpasst, oder sich davon abgrenzt. Dafür möchte ich unterschiedliche Aspekte, die als typisch für diese Art von Fantasy gelten, näher beleuchten und „Sieben Heere“ anderen Werken gegenüberstellen.  Als Vergleichsmaterial dienen natürlich George R.R. Martins Epos  „A Song of Ice and Fire“  und der im Oktober 2015 erschienene Auftakt der Trilogie „Die Blausteinkriege“ von T.S. Orgel mit dem Titel „Das Erbe von Berun“.

Schauplätze

Typisch für diese moderne Sparte der High-Fantasy ist, dass sich die Autoren als Schauplatz eine große phantastische Welt mit mehreren Ländern und Kontinenten ausdenken. George R. R. Martin hat für die „Ice and Fire“ Reihe eine weitreichende Welt entworfen; die Kontinente Westeros mit den Sieben Königslanden und Essos mit den freien Städten und dem Dothrakischen Meer. Schon der erste Band spielt auf beiden Kontinenten und in mehreren Regionen und Städten.  Eine Karte hilft dem Leser bei der Orientierung. George R. R. Martin beschreibt detailliert die Landschaften und Witterungsverhältnisse und bezieht diese in die Charakterisierung der Völker und Konflikte mit ein. Die magischen Geschöpfe (Weiße Wanderer, Drachen) dieser Regionen strahlen eine entsprechende Aura aus.

Das Erbe von Berun © Heyne
Das Erbe von Berun © Heyne

Eine ausgedehnte Fantasy-Welt haben sich auch Tom und Stephan Orgel für die Trilogie „Die Blausteinkriege“ ausgedacht. Die Welt Tertys ist in die Kontinente Tarlasso und Velarmo untergliedert. Im Zentrum von Tarlasso befindet sich das Kaiserreich Berun, welches in „Das Erbe von Berun“ im Mittelpunkt steht. An dessen südlicher Spitze befindet sich das Protektorat Macouban, dem zweiten wichtigen Handlungsort. Auch T.S Orgel charakterisieren die Landstriche detailreich und stimmen Land und Leute aufeinander ab. Auf der Klappeninnenseite des Romans findet der Leser eine Karte mit allen wichtigen Orten.

Die Schauplätze in „Sieben Heere“ von Tobias O. Meissner unterscheiden sich schon durch ihre Anzahl von denen der zuvor genannten Romane. Das Dorf Hagetmau im Reich Akitania ist der einzige Handlungsort, abgesehen von einem kurzen Ausflug in ein Nachbardorf.  Der Leser erfährt, dass es sich bei dem Königreich Akitania um ein fruchtbares, regenreiches Land handelt, während das Nachbarrreich Nafarroa, aus dem die Eroberer kommen, unter einer Dürre zu leiden hat. Darüber hinaus erfahren wir im ersten Band jedoch recht wenig über die Welt, in der „Sieben Heere“ spielt.  Tobias O. Meissner beschränkt sich auf einen kleinen Raum und konzentriert die Handlung darauf.

Magie

Die Herren von Winterfell © Blanvalet
Die Herren von Winterfell © Blanvalet

Der Magie kommt in dieser modernen Fantasy eine weniger wesentliche Rolle zu, als in der High-Fantasy. Ihre Bedeutung variiert allerdings in den Romanen und Reihen beziehungsweise wandelt sich. Anfangs spielt Magie in Westeros kaum eine Rolle und wird als Aberglauben und Scharlatanerie angesehen. Jenseits der Mauer und auf dem Kontinent Essos sind jedoch unterschiedliche magische Kräfte wie Feuermagie und Nekromantie am Werk und beeinflussen maßgeblich das Geschehen.

Der Roman „Die Blausteinkriege“ trägt seine Magie bereits im Titel. Blaustein fungiert in „Das Erbe von Berun“ als eine Art Katalysator für magische Kräfte. Der Attentäter und der Blausteinsucher verstärken mit seiner Hilfe ihre übernatürlichen Talente, eine Heilerin im Macouban verwendet ihn ebenfalls. Doch sonst lauert die Macht des Blausteins noch im Hintergrund. Es gibt Hinweise in der Geschichte, dass Magie und Blaustein entscheidende Faktoren im anstehenden Kampf um die Macht sein werden, doch  im ersten Band spielen sie eine eher untergeordnete Rolle.

Noch weniger Magie finden wir in Tobias O Meissners  „Sieben Heere“.  Das Dorf Hagetmau hat einen einzigen Magier, der zunächst nur wie ein religiöser Führer und Heiler wirkt.  Die magischen Kräfte des Feuersemanen leisten zwar einen entscheidenden Beitrag zum Handlungsverlauf, treten danach jedoch wieder in den Hintergrund.

Helden und Identifikationsfiguren

Kaum ein Fantasy-Roman kommt ohne sie aus, die Helden und Identifikationsfiguren.  George R.R. Martin erschafft für den „Ice and Fire“ Zyklus eine ganze Reihe von Helden, was auch nötig ist, da viele von ihnen geopfert werden. Sie sind eher Antihelden, wie zum Beispiel der kleinwüchsige Tyrion Lannister. Gegen seinen körperlich unversehrten Bruder, dem Ritter und Königsmörder (der anfangs auch nicht gerade zum strahlenden Helden taugt), hat er es schwer, Anerkennung zu erlangen. Doch seinen Makel  gleicht er mit Schläue und Humor wieder aus und funktioniert so für den Leser als Identifikationsfigur.

In „Die Blausteinkriege – Das Erbe von Berun“ sind es ebenfalls die gebrochenen Helden mit denen der Leser mitfiebert. Mit Sara, dem Straßenmädchen, das für einen Ganoven ihre besondere Fähigkeit einsetzt. Mit Marten ad Sussetz, einem verwöhnten Dummkopf, der schließlich doch noch aus seinen Fehlern lernt. T.S. Orgel haben, ähnlich wie George R.R. Martin auch, ein Händchen dafür, ihre Figuren weiterzuentwickeln. So werden auch aus Unsympathen Identifikationsfiguren und böse Buben, wie der Attentäter Messer, zu Sympathieträgern.

Auf Helden und Identifikationsfiguren hat Tobias O. Meissner in „Sieben Heere“ verzichtet. Vermeintlich schwache Figuren, die über sich hinaus wachsen, gibt es zwar reichlich. Zum Beispiel den Stotterer Sinion, der zum brillanten Strategen wird.  Oder Mardein, den Feuersemanen, der zunächst wie ein altersschwacher Greis wirkt, jedoch ungeahnte Kräfte entfesselt. Meissner beschreibt die Beweggründe seiner Protagonisten sehr anschaulich. Unruhe, Angst, Wut und Geltungsdrang bringen sie dazu, gewaltsam Widerstand zu leisten. Zu Helden im klassischen Sinn werden sie hingegen nicht, denn ihre heldenhaften Taten haben einen üblen Beigeschmack.

Gut gegen Böse

Einer der gravierendsten Unterschiede zwischen klassischer High-Fantasy und der hier beschriebenen moderneren Fantasy Variante ist der, dass es weniger eindeutig gute und böse Parteien gibt. Auf George R.R. Martins Westeros bekämpfen sich die Thronanwärter gegenseitig, während sich auf einem anderen Kontinent die Thronerbin Daenerys Targaryen darauf vorbereitet, den Eisernen Thron zurückzuerobern.  In der „Ice and Fire“ Reihe mag man am Anfang noch entscheiden können, wer auf der Seite der „Guten“ und der „Bösen steht. Doch je mehr Schuldige, Unschuldige, Sympathieträger und Mistkerle fallen, desto schwieriger wird es.

Ähnlich verhält es sich in „Das Erbe von Berun“.  Das Kaiserreich verteidigt einen Herrschaftsanspruch, der ihm eigentlich nicht mehr zukommt.  Die augenscheinliche Schwäche des Kaisers lockt Verschwörer und Gegner innerhalb Beruns und jenseits der Grenzen hervor, die mit unterschiedlichsten Mitteln versuchen, ihr Ziel zu erreichen. Krieg bahnt sich an, als die Kaiserinmutter und ihr Gefolge in einen feigen Hinterhalt geraten und sich verteidigen müssen. Hier steht der Leser natürlich auf der Seite der Kaiserlichen. Was jedoch die weiteren Konflikte und Intrigen angeht, ist bis zum Ende des ersten Bandes unklar, wer aus welchen Gründen tut was er tut.

Der Krieg der „Sieben Heere“ kommt zunächst einmal ohne jegliches Blutvergießen aus. Dreißig Soldaten (Meissner nennt sie Soldaren) marschieren in das Dorf Hagetmau ein. Das ganze Land Akitania, welches über keinerlei Militär verfügt, wird auf diese Weise besetzt. Doch der Ranghöchste Soldat in Hagetmau kündigt an, dass die meisten Besatzer bald wieder abziehen werden. Ihre Religion dürfen die Akitanier, die nun auch Nafarroaner sind, weiter ausüben und in ihrem Alltag soll sich nichts ändern.  Lediglich die Bürgermeisterin (Byrgherin) und der Ortsmagier (Semane) werden festgesetzt. Nachdem der Dorfaufrührer zwei der Soldaten getötet hat, beginnt das Blutvergießen. Meissner stellt eine etwaige Bewertung der Parteien immer wieder selbst in Frage. Denn außer der Eroberung geben die Soldaten den Dörflern keinen Grund, sie zu töten. Doch der Leser weiß auch, dass die Nafarroaner gekommen sind, um Akitanias Ressourcen auszubeuten, also alles andere als hehre Ziele verfolgen.

Fazit

Tobias O. Meissners aktueller Roman steht sicherlich in einer Reihe mit moderner High-Fantasy à la George R. R. Martin.  Jedoch weist der Roman „Sieben Heere“ einige Besonderheiten auf, die man in anderen  vergleichbaren Werken dieses Fantasy Kosmos selten findet. Ein Handlungsrahmen, wie der der Eroberung des Agrarreichs Akitania durch das militärisch stärkere Reich Nafarroa, ist typisch für diese Gattung.  Auch die Erzählweise, abwechselnd aus der Sicht verschiedener Protagonisten, ist sehr beliebt in diese Art der Fantasy. In jeder der vorgestellten Reihen nutzen die Autoren dies, um die Handlung aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und somit Details und bestimmte Standpunkte hervorzuheben.

In den meisten Fantasy-Romanen findet der Leser bevorzugte Schauplätze und Lieblinge unter den Figuren. In den „Ice and Fire“ Romanen haben mich die Ereignisse an der Mauer und um Daenerys und die Drachen besonders gefesselt. In „Das Erbe von Berun“ gehörten die Auftritte des Attentäters Messer und die Szenen im Macouban zu den interessantesten. Wenn sich des Lesers Vorlieben im Verlauf des Romans oder der Reihe ändern, ist dem Autor eine vielschichtige Entwicklung der Handlung und seiner Protagonisten gelungen.

Tobias O. Meissner beschreitet hinsichtlich der Schauplätze, Helden und  Identifikationsfiguren einen anderen Weg, als seine Kollegen George R.R. Martin und T.S. Orgel.  In „Sieben Heere“ ist der Schauplatz zwar auf ein Dorf begrenzt, der Autor beschreibt die Ereignisorte jedoch äußerst detailliert.
Da die Motive vieler Aktionen auf beiden Seiten fragwürdig sind, fällt es schwer, sich mit den Figuren zu  identifizieren, oder für eine von ihnen Partei zu ergreifen. Meissner bricht sowohl mit dem klassischem Heldenbild, als auch der Festlegung einer ‚guten‘ oder ‚bösen‘ Seite. Das tun andere moderne Fantasy Romane zwar auch, indem sie Antihelden auftreten lassen und die Parteinahme für eine Seite erschweren. Doch nur die wenigsten verzichten ganz auf eine Figur, die dann doch zum strahlenden Helden wird, oder auf eine Partei, die schließlich ‚das Richtige‘ tut. Der Roman „Sieben Heere“ Reihe stellt anderen Fantasy-Romanen, die dem „Ice and Fire“ Zyklus George R. R. Martins nachfolgen, eine Story ganz ohne Helden und moralisches Schwarz-Weiß, dafür mit einer breiten Grauzone entgegen. Und  gerade das macht diesen Roman so besonders und spannend.

Das Gewinnspiel

Wie angekündigt, könnt ihr 5 broschierte und 5 E-Book Ausgaben von Tobias O. Meissners aktuellem Fantasy-Roman „Sieben Heere“ gewinnen. Alles was ihr hier und heute dafür tun müsst, ist einen sinnvollen Kommentar zu diesem Artikel zu hinterlassen. Dann habt ihr die Chance, dieses tolle Buch zu gewinnen und ich freue mich über Eure Rückmeldungen. Schreibt bitte auch dazu,ob Euch die digitale oder Print-Version lieber ist. Die Gewinner/innern werden unter den Kommentatoren/innen ausgelost und voraussichtlich ab dem 28.11. auf Literaturschock.de bekannt gegeben und per E-Mail benachrichtigt.

Das Kleingedruckte

Du bist mindestens 18 Jahre alt oder hast das Einverständnis deiner Erziehungsberechtigten.
Hinterlasse uns eine Möglichkeit (E-Mail etc.), um Dich nach dem Gewinnspiel zu kontaktieren.
Der Rechtsweg ist wie immer ausgeschlossen. Eine Teilnahme am Gewinnspiel ist nur innerhalb von Deutschland, Österreich und Schweiz möglich. Eine Barauszahlung des Gewinns ist nicht möglich.
Wir übernehmen keine Haftung für den Verlust des Gewinns auf dem Postweg.
Das Gewinnspiel endet am 27. November 2015 um 23:59 Uhr.

VIEL GLÜCK und DANKE!

Eure Eva

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