Der allgegenwärtige Kampf ums Überleben im Sand
„Sandtaucher“ ist das aktuelle Werk des US-Autors Hugh Howey, der mit der „Silo“-Reihe bekannt wurde. Es handelt sich hierbei um einen in sich abgeschlossenen, postapokalyptischen Roman. Schauplatz ist Amerika in einer fernen Zukunft, in der die Menschheit einen ständigen Kampf ums Überleben gegen den Sand in der allgegenwärtigen Wüste führt.
In dieser Welt überleben vorwiegend diejenigen, die in der Lage sind, im Sand zu tauchen. Diese Fertigkeit befähigt die entsprechende Person, zu den Überresten früherer Zeiten hinabzutauchen, um dort Artefakte wie etwa Brühmaschinen heraufzuholen. Doch je tiefer man taucht, desto größer lastet der Druck des Sands auf dem Taucher und desto größer ist die Gefahr, dass er es nicht wieder hinaufschafft.
Palmers Familie hat einige der talentiertesten Vertreter dieses Berufs hervorgebracht. Doch seit der Vater vor vielen Jahren verschwand, bricht sie auseinander. Die Mutter kümmert sich nur noch um ihr Bordell, während der zweitjüngste Sohn Conner auf den jüngsten Rob aufpasst. Die älteste Schwester Vic löste sich von der Familie und arbeitet mit ihrem Partner als Sandtaucherin. Doch als Palmer eine uralte, legendäre Stadt entdeckt, ändert sich alles. Menschen kommen ums Leben und eine unbekannte Schwester taucht auf. Sie bringt schreckliche Nachrichten von ihrem gemeinsamen Vater mit.
Spröde im positiven Sinn
Wenn man das Leseerlebnis in „Sandtaucher“ mit einem Wort bezeichnen müsste, wäre ,spröde‘ der passende Begriff. Alles an diesem Buch wirkt trocken, die Umgebung, die Charaktere und sogar die Sprache. Nur selten brechen Metaphern diese Trockenheit ein wenig auf. Dies erfüllt den Zweck dem Leser zu zeigen, wie erbarmungslos das Leben in dieser Zukunftswelt ist. Hier ist jeder sich selbst der Nächste. Sogar dann, wenn man Teil einer Familie ist, ist das eigene Überleben immer wichtiger, als das der Verwandten.
Dementsprechend sind die Protagonisten keine Überhelden, sondern gebrochene Figuren mit Schwächen. Die ältesten Geschwister sind alleine im Sand unterwegs. Derweil führen die Jüngsten sinnentleerte Rituale durch und die Mutter verfolgt das Geschehen hinter einer indifferenten Maske. Sympathieträger sehen eigentlich anders aus.
Blut ist dicker als Sand
Doch vor allem diese Schwächen, sorgen dafür, dass man die Figuren ins Herz schließt. Denn der Leser merkt, dass trotz aller Aktionen, die nicht gerade den familiären Zusammenhalt fördern, die Geschwister am Ende trotzdem nicht von ihrer Familie lassen können. Die familiären Bindungen sind letztendlich der Grund, wieso sie, wenn auch oft eher widerwillig, gegen diverse Bedrohungen aus der Tiefe antreten.
Die Welt, die Hugh Howey in „Sandtaucher“ erschafft, ist faszinierend und ungewöhnlich. Mystisch verbrämt klingen die Erzählungen darüber, wie es dazu kam, dass der Sand allgegenwärtig wurde. Wieso Städte wie Denver unter mehreren hundert Metern Sand verschüttet liegen. Ebenso erläutert der Autor, wie die Sandtaucher überhaupt in der Lage sind, ihrem Gewerbe nachzugehen. Die Erklärung dazu wirkt schlüssig, der Schriftsteller entwickelte einleuchtende Ideen.
„Sandtaucher“ ist kein einfach zu lesender Roman. Nicht nur wegen der mitunter spröden Sprache, sondern auch weil die Handlung Zeit braucht, um Fahrt aufzunehmen. Dennoch ist der etwas langwierige Einstieg keine Zeitverschwendung, da der Autor vieles aufbaut, was später relevant wird. Darüber hinaus führt er die Charaktere ausgiebig ein und legt wichtige Grundsteine für ihre spätere Entwicklung.
Hugh Howeys „Sandtaucher“ erzählt zugleich eine außergewöhnliche Familiengeschichte und eine originelle, gelungene Postapokalypse. Gerade die in jeder Hinsicht raue Atmosphäre macht den Roman zu einem packenden Leseerlebnis.
Götz Piesbergen
Science-Fiction
Piper Verlag
Oktober 2019
331
Funtastik-Faktor: 95
Ein Gedanke zu „Sandtaucher – Hugh Howey“