Sarg niemals nie – Dan Wells

Köstliche Horror-Persiflage

Sarg niemals nie © Piper
Sarg niemals nie © Piper

Nach der dämonischen John Cleaver-Trilogie und dem Horror-Thriller „Du stirbst zuerst“ veröffentlichte der Schriftsteller Dan Wells einmal etwas ganz anderes, nämlich eine Horror-Komödie. Ob sich der Amerikaner auch auf diesem schwierigen Gebiet würde behaupten können? Wer so manchen witzigen Beitrag in Dan Wells Blog gelesen hat, hat es bereits geahnt – ja, Dan Wells kann auch komisch.

Betrüger oder Vampir?

Anders als im Klappentext beschrieben, ist es nicht Oliver Beard, der im Verlies von Bath sitzt, sondern Frederick Withers. Dieser flüchtet im Sarg aus dem Gefängnis, um eine Erbschaft über 90000 Pfund zu ergaunern. Auf dem Friedhof erwarten ihn getreue Gefolgsleute, Vampire, die ihn für den Erhabenen halten. Doch richtig los geht es erst, als Frederick John Keats begegnet. Ja genau der, der englische Dichter. Er wird zu seinem wichtigsten Begleiter auf dem Weg nach London und zurück nach Bath, über Friedhöfe in Frankensteins Manufaktur und überhaupt durch ein wahnwitziges Abenteuer. Und auch er hält seinen neuen Freund für den Führer der Vampire:

„Ich bin nicht Oliver Beard, ich bin Frederick.“
„Ach richtig, der Vampir.“
„Ich bin auch kein Vampir. Ich bin eine entflohener Sträfling.“ […]
„Es ist doch gar nichts dabei, ein Vampir zu sein“ beruhigte mich John, [..] „etwas Besseres kann einem doch gar nicht widerfahren.“ [S. 68]

Dennoch, oder gerade deswegen steht John Frederick in jeglichem Schlamassel bei. Es geht gegen die betrügerische Ex-Freundin und ihren Bruder, gegen einen Pfähle schwingenden Vampirjäger und gegen misstrauische Bestatter. Auch noch, als sie dem Ghul von Bath auf die Spur kommen und immer mehr Tote, Untote und leere Särge hinter sich zurück lassen, kritzelt der Dichter begeistert Poesie dazu auf seine Ärmel.

Weder romantisch noch beängstigend, sondern urkomisch

Die Vampire. Ursprünglich waren sie in der Phantastischen Literatur als gefährliche blutrünstige Monster konzipiert, in den letzten Jahren kamen sie häufig geheimnisvoll und verführerisch daher. Zum Verdruss der Liebhaber des klassischen Grusels, zum Entzücken eines vornehmlich weiblichen Lesepublikums.

„Sarg niemals nie“ spielt in England im Jahr 1817, also zu Beginn der Zeit der Gothic Novel oder des Schauerromans. Dan Wells nimmt ausgiebig Bezug auf die englischen Literaten des frühen 19. Jahrhunderts. Neben John Keats tritt Mary Shelley als wichtigste Nebenfigur auf, die im Jahr 1818 ihren ersten Frankenstein-Roman veröffentlichte. Wie sich das für eine Parodie gehört, stellt der Autor seine Charaktere überzeichnet dar, und doch erfahren wir ein wenig über die Gesinnung dieser Literaten. Über die Melancholie, mit der Keats seine unkonventionellen Gedichte über die Vergänglichkeit schrieb und über Shelleys radikale politische Haltung.

Vor allem aber genießen wir in „Sarg niemanls nie“ köstliche Dialoge und brillant inszenierte Situationskomik. Dan Wells schreibt in einem etwas antiquiertem Stil, aber von leichter Hand und mit einem komödiantischen Talent, das sich sehen lassen kann. Satirisch, schwarzhumorig und mit einem guten Schuss Selbstironie erzählt Wells eine absurde Geschichte und verzerrt dabei so ziemlich jedes Klischee des Genres. Antiheld Frederick Withers, der seine Geschichte aus der Ich- Perspektive erzählt, stolpert von einer bizarren Szenerie in die nächste und nimmt zahlreiche skurrile Wegbegleiter mit. Dabei verfolgt er allerdings hartnäckig sein Ziel, die Erbschaft des Oliver Beard anzutreten und sich in Rom zur Ruhe zu setzen. So wird Frederick nicht nur vom Flüchtling zum Erhabenen, sondern auch zum Betrogenen und Gejagten. Nicht nur die Ordnungshüter sind hinter ihm her, sondern auch ein Vampirjäger und schließlich der wahrhaftige Erhabene.

Apropos Vampire, Wells Blutsauger tun zwar genau das, was diese Bezeichnung nahe legt, aber sie sind mitnichten so bedrohlich, wie ihre klassischen Kollegen. Devot kriechen sie hinter ihrem vermeintlichen Führer her, beißen nur schlafende Menschen und halten sich Kaninchen zu Versorgungszwecken. Überhaupt lebt „Sarg niemals nie“ ausschließlich von den witzigen Dialogen und Szenen. Wer eine schlüssig aufgebaute Handlung oder einen Spannungsbogen sucht, wie man ihn z.B. in der Cleaver-Trilogie findet, liegt mit diesem Buch einfach falsch. Besonders zum Ende wirken einige Wendungen aus dem Hut gezaubert und aufgesetzt. Aber wie gesagt, um eine stringent entwickelte Story geht es hier wirklich nicht, sondern um humorvolle Hommage an den Schauerroman. Als solche funktioniert „Sarg niemals nie“ bestens und unterhält einfach vorzüglich.

Diese Rezension von mir, Eva Bergschneider, erschien bereits auf www.phantastik-couch.de

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Sarg niemals nie
Dan Wells
Horror (Komödie)
Piper
2012
315

Funtastik-Faktor: 83

2 Gedanken zu „Sarg niemals nie – Dan Wells

  1. Dan Wells hatte ich in einer anderen Schublade. Serienkiller-Zeugs, das ich nicht so mag. Aber mit Horror und lustig, kann man mich schon kriegen. Danke für also für den Tipp.

    1. Hey Caro, ich selber bin schon lange bekennender Dan Wells Fan und mochte auch die „Serienkiller“ Romane gern. Aber ich war dann nochmal sehr positiv überrascht, dass Dan auch wirklich witzig schreiben kann und dabei schräge Streifzüge durch die Literaturgeschichte des Gothic Romans unternimmt. Vor allem das macht „Sarg niemals nie“ sehr lesenwert. Das Buch landet übrigens irgendwann in den Lostopf meines Adventsgewinnspiels, falls Du Dein Glück versuchen möchtest. 😉 Liebe Grüße, Eva

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