Teufel und Engel kämpfen an seiner Seite
„Schuldig“ ist der achte Band der „Harry Dresden“ Serie. Der einzige Magier im Telefonbuch von Chicago tut was er immer tut, er bewahrt die Stadt vor den Mächten des Bösen. Und doch hat sich einiges geändert. Er ist nun einer von denen, die ihm zuvor ans Leder wollten, ein Magierpolizist, ein Wächter des weißen Rats. Doch Harry Dresden bleibt trotzdem ein nonkonformistischer Einzelgänger, der auch zu den zwielichtigen magischen Völkern Kontakte pflegt. Wenn das mal gut geht …
Aus alter Freundschaft
Es sind Momente wie diese, in denen es Dresden bereut, sich den Wächtern angeschlossen zu haben. Ein junger Magier wurde der schwarzen Variante der Kunst überführt. Er wird geköpft. Und Harry weiß, dass er dank seines inneren Dämons nicht so weit davon entfernt ist, vom Bösen überwältigt zu werden. So ergeht an Dresden auch noch der Auftrag, sich um eine neue Welle der schwarzen Magie in Chicago zu kümmern, zeitgleich mit dem Hilferuf der Tochter seines Freundes Michael Carpenter, dem Kreuzritter. Molly fürchtet um ihren Freund Nelson, der eingebuchtet wurde und hinter dem „sie“ her sind. Auf der Toilette eines Hotels, in dem gerade ein Horrorfilmfestival stattfindet, wurde er Zeuge eines mysteriösen und brutalen Angriffs auf den Kinobesitzer Clark Pell. Der potentielle Täter hätte nie ungesehen entkommen können, wird aber nirgendwo entdeckt und so steht der Junkie unter Verdacht. Dresden sieht sich gerade auf der Splattercon!!! um, als die Hauptdarsteller auf dem Zelluloid lebendig werden und anfangen, ihre Fans abzuschlachten. Diese Kreaturen sind Furchtfresser, doch woher kommen sie auf einmal? Einem Ausflug in das Feenreich folgt die Erkenntnis, dass hier etwas Größeres und Mächtigeres am Werk ist, als alles, was der Magier bisher bekämpfen musste.
Viele Grautöne zwischen schwarzer und weißer Magie
Ernstere und tiefere Töne als in „Erlkönig“ schlägt Jim Butcher in „Schuldig“ („Proven Guilty“ amerikanischer Originaltitel) an, der Titel deutet bereits darauf hin. Ernster, weil keine unfreiwillig komischen Figuren mitspielen, wie der Leichenbeschauer Butters, der im siebten Band mit der Polkatrommel Zombies dirigierte. Tiefer, weil hier Harrys Position in der magischen Welt als Wächter des Weißen Rats und die Grautöne in seiner Magierseele zentrale Themen sind. Doch die „Dresden Files“ wären nicht, was sie sind, wenn es nicht auch einmal Grund zum Schmunzeln gäbe. Die schwarzhumorigen Sprüche des moralisch ambivalent denkenden Schädels Bob und viel Situationskomik bleiben glücklicherweise erhalten. Witzig aber auch bezeichnend melancholisch ist z.B. die Szene, in der Harry sich stundenlang auf eine Ritualmagie vorbereitet und im entscheidenden Augenblick das Telefon läutet. Der Magier geht in „Schuldig“ an seine persönlichen Grenzen, muss sehr viel mehr einstecken, als den Totalschaden seines geliebten Käfers.
Sein Freund Michael ist Kreuzritter, ein Diener Gottes und Harrys – oftmals schlechtes – Gewissen. Nicht nur weil der Magier nicht an den einen Gott glaubt, sondern aufgrund des in ihm lebenden gefallenen Engels Lasciel. Hier schleicht sich durch das Auftreten einer religiösen Instanz ein leicht erhobener Zeigefinger ein. Lasciel lässt keinen Trick unversucht, um in Freiheit zu gelangen, versorgt Dresden als Buchhändlerin Sheila in „Erlkönig“ mit Informationen oder beglückt ihn einfach nur mit der Illusion heißen Wassers. Köstlich sarkastisch sind die Dialoge der beiden und doch geht in „Schuldig“ ein wenig der Lässigkeit verloren, die ihr Verhältnis zuvor ausgezeichnet hat.
Trotz der Ausflüge in Dresdens emotionale Welt, gilt es natürlich gegen Horrormonster zu bestehen, einen Schwarzmagier zu enttarnen und Molly aus den Klauen der Feen des Winters zu befreien. An Dramatik, dunklen Geheimnissen und magischer Action fehlt es also nicht. Was aber „Schuldig“ wieder einmal ausmacht, sind die skurrilen Charaktere und ihre Entwicklung. Ob das nun die trickreichen Feen, gierige Vampire oder auch einfache Polizisten sind, Butcher zeichnet Persönlichkeiten, die echt wirken, egal auf wessen Seite sie stehen und welche Fähigkeiten sie haben. Der Autor hat einen komplexen Plot gestrickt, allerdings die Rahmenhandlung eher spärlich darum herum gewoben. Ein Krieg gegen die Vampire des roten Hofs ist ausgebrochen, ein Bündnis mit den Feen gescheitert und eine dunkle Bedrohung zieht auf. Zudem lastet eine neue schwerwiegende Verantwortung auf Harrys Schultern. All das sind solide Grundsteine zu vielen weiteren spannenden Abenteuern. Bisher gibt es 13 „Dresden Files“ und wir freuen uns, das der Verlag Feder und Schwert sie alle dem deutschen Publikum zugänglich macht. Eine Kritik und zugleich Bitte für die folgenden Bände sei an dieser Stelle erlaubt, bitte etwas mehr Sorgfalt beim Lektorat. Viele kleine Fehler fallen unangenehm auf, sowie eine seltsame Wortschöpfung, die auch der Duden nicht kennt: „Knet“ als Kurzform von „Knetmasse“, auch noch „blauen Knet“ anstatt „blaue Knete“ (S. 231 u.232). Wer hat sich das ausgedacht?
Diese Rezension von mir, Eva Bergschneider, erschien bereits auf www.phantastik-couch.de
Harry Dresden- Band 8
Fantasy
Feder&Schwert
2011
576
Funtastik-Faktor: 85%