MacGyver auf dem Mars und ein bisschen Apollo 13
In nicht allzu ferner Zukunft startet die NASA mehrere bemannte Missionen zum Mars. Kurz nach Ankunft der dritten Crew muss die Mission abgebrochen werden und es geschieht das Unvorstellbare. Ein Besatzungsmitglied bleibt, vermeintlich ums Leben gekommen, zurück und steht der Herausforderung gegenüber, 4 Jahre allein, ohne Hilfe von außen zu überleben.
Ein hoch spannender Plot in ungewöhnlicher Weise erzählt
Wer nach Durchsicht des Klappentextes einen spannend erzählten Thriller erwartet, wird zumindest auf den ersten Seiten enttäuscht. In Form von Logbuch-Einträgen erzählt der gestrandete Astronaut Mark Watney die Geschichte seines Überlebenskampfs. Das ist auf der einen Seite hoch interessant, da der Autor auf diese Weise nahezu besessen jedes Detail beschreiben kann ohne dass es aufgesetzt wirkt. Auf der anderen Seite wird natürlich jede Spannung im Keim erstickt, weil der Held rückblickend seine Geschichte in Vergangenheitsform selber erzählt und damit offenbart, dass der Tag einigermaßen gut ausgegangen ist.
Glücklicherweise erkennt irgendwann auch die NASA, dass man Mark Watney wohl etwas zu früh für tot erklärt hat. Und endlich wird die Geschichte auch für Fans eines guten Thrillers interessant. Jetzt wird abwechselnd beschrieben wie die NASA in Aktionen einleitet, um ‚ihren Mann‘ zu retten und wie gleichzeitig Watney auf dem Mars alles versucht, um am Leben zu bleiben. Zunächst hat er keine Ahnung, was inzwischen auf der Erde passiert. Minutiös beschreibt der Autor jeden Schritt des Gestrandeten, der in seinem Einfallsreichtum MacGyver wie einen Finanzbeamten aussehen lässt. Auf der Erde hingegen bietet die NASA ihr ganzes Können auf, um dem Verunglückten zu helfen. Hier fühlt man sich deutlich an den Kraftakt rund um die Katastrophe der „Apollo 13“ erinnert, die mit Tom Hanks grandios verfilmt wurde. Am Ende kommt die Rettung dann aber aus einer unerwarteten Richtung, jedoch soll hier nicht zu viel verraten werden.
Nur für „Nerds“ geeignet?
Keine Frage, ein großer Teil des Buches, insbesondere die Erzählung rund um den gestrandeten Astronauten in Form von Logbuch-Einträgen ist hoch technisch und unglaublich akribisch beschrieben. Man spürt welche Mühe sich der Autor gegeben hat, die vielen Details zusammenzutragen und schlüssig zu erklären. Das Ergebnis ist eine Geschichte, die sich so realistisch anfühlt, dass man wirklich jedes Wort zu glauben beginnt. Wer jedoch nicht wenigstens ein wenig technikaffin ist, wird sich ob der vielen Details und technischen Erklärungen schnell langweilen und das Buch zu Seite legen. Für die übrigen ist „Der Marsianer“ eine sehr kurzweilige Lektüre, die absolut empfehlenswert ist.
Bestseller im Selbstverlag
Glaubt man dem Wikipedia- Eintrag zu Andy Weir, so konnte der Autor zunächst keinen Verlag finden, der bereit war, sein Manuskript zu drucken. Daher hat er das Buch kostenlos auf seiner Website veröffentlicht und schließlich, auf Wunsch der Fans, im Kindle-Format für 99 Cent angeboten. Dort verkaufte sich das Buch in kürzester Zeit 35.000 mal.
Nach Hugh Howey ist Andy Weir der zweite (mir bekannte) amerikanische Schriftsteller, der auch ohne Hilfe eines Verlags und entsprechender Marketing Maschinerie einen Bestseller landen konnte. Sicherlich wirkt „Der Marsianer“ stilistisch ein wenig ungeschliffen und vermutlich raufen sich viele Lektoren ob der vielen Details und langwierigen Erklärungen die Haare. Das Ergebnis ist aber über weite Strecken überzeugend und einfach ‚anders‘ als die übliche SciFi-Kost.
Der Marsianer kommt im November 2015 von Ridley Scott mit Mat Damon in der Hauptrolle verfilmt in die Kinos. Kein Wunder, denn diese Geschichte schreit geradezu nach einer Verfilmung. Man kann gespannt sein, wie es Ridley Scott gelungen ist, diesen Plot umzusetzen.
Diese Rezension hat Gastrezensent Klaus Volmer geschrieben – Vielen Dank!
Science-Fiction
Heyne
Oktober 2014
512
Funtastik-Faktor: 85