Wundermacher, die über Leichen gehen
Mit „Messias“ ist ein Kirchentrhriller aus der Feder des beliebten deutschen Fantasy- und Mystery Autors Ralf Isau auf dem Buchmarkt erschienen. Seine Leser wissen, dass das nicht sein erster literarischer Ausflug in klerikale Gefilde ist. Doch in „Messias“ thematisiert der Autor das, woran die Christen immer noch glauben, die Wiederkehr Jesu Christi am jüngsten Tag. Ist von dem kirchenkritischen, aber gläubigen Autor eine Abrechnung mit einer der Grundfeste des christlichen Glaubens zu erwarten?
Der Auferstandene und der Kettenhund
Graiguenamanagh, unter den Einheimischen kurz Graig genannt, im County Kilkenny, Irland ist Schauplatz höchst mysteriöser und verstörender Geschehnisse. In der Dorfkirche erscheint vor dem Osterfeiertag aus dem Nichts Jeschua, mit blutenden Kreuzigungsmalen an den Händen, der Dornenkrone auf dem Kopf und in hebräischer Sprache Bibelzitate rezitierend.
Kurz danach kommt es zu grausigen Todesfällen. Wie mit dem Laserschwert geteilte Leichen von angeblichen Sündern werden gefunden: die eines Penners, der sich am Opferstock vergriff und die eines Reporters und Weiberhelden, dessen Schoss zahlreiche Kuckuckskinder im Dorf entsprungen sind. Die Fundplätze der Ermordeten sind kreuzartig um die Kirche angeordnet. Zur Aufklärung dieser Verbrechen und des vermeintlichen Wunders findet sich ein außergewöhnlicher Ermittler in dem kleinem Ort ein, nämlich Monsignore Hester McAteer, Spezialagent des Vatikans zur Entlarvung von Wunderfälschern.
Der „schärfste Kettenhund seiner Heiligkeit“ glaubt nicht an Wunder, nur an Betrüger, die er nicht zu entlarven vermag. Doch in Graiguenamanagh breitet sich, trotz akribischer Suche nach Tricks und Finten, der Glaube an eine Wundererscheinung und an das Nahen des jüngsten Gerichts aus.
Der Geist der grünen Insel
Die Hauptfigur in Ralf Isaus neuestem Mystery-Thriller kennt der geneigte Leser bereits. Hester McAteer trat schon in „Die Dunklen“ als Enttarner von Mysterien auf. Sympathisch bärbeissig kommt der herüber, lässt sich kein X für ein U und noch weniger ein Wunder vormachen.
Bei aller Schläue und logischer Kombinationsgabe, hat McAteer auch so seine kleinen Schwächen. Und die betreffen vor allem seine Jugendliebe Fiona, die er mit der gemeinsamen Tochter Anny sitzen ließ. Und ebenso sind zwischen dessen Vater Seamus Whelan und Sohn einige Differenzen zu kitten. Nun ist der mehr als hundert Jahre alte Mann auch noch Zeuge dieser Christuserscheinung. Die unterhaltsamen, mit Sturheit und viel Witz geführten Gespräche zwischen dem „Kettenhund“ und dem „Moses von Graig“ gehören zu den amüsantesten Passagen in „Messias“
Skurrile Gestalten gibt es einige, wie z.B Ian MacDougall, der falsche Hahn oder auch Pater O’ Bannon, mit seinem verrutschten Toupet. Etwas geschmälert wird ihre Glaubwürdigkeit durch Klischees, derer sich Isau leider im Übermaß bedient. Seine Iren sind fast alle rothaarig, obwohl auch in Irland die Feuerköpfe eine Minderheit darstellen. Vorrangiges Berufsziel der männlichen Iren ist offensichtlich die Priesterlaufbahn und sie alle brechen ihr Zölibat oder sind schwul. Andere Details allerdings, wie das Weihnwasserbecken im Flur des B&B Natursteinhauses oder der Angelzubehörshop, der sich zum Pub wandelt, vermitteln typisch irisches Lebensgefühl.
Wieder Kirchenmystery – bei Isau anders
Außer dem Flair der grünen Insel, hat „Messias“ auch jede Menge Spannung zu bieten. Isau setzt nicht auf Quantität, sondern darauf, die Morde bizarr und vor einem absonderlich erscheinenden Hintergrund in Szene zu setzen. Ein Racheengel ist hier am Werk, der den Verfehlungen entsprechend straft. Dazu gesellen sich kuriose Vorkommnisse, wie die buchstäbliche Fleischwerdung der Hostien und natürlich der auferstandene Christus. Jeschua kündigt das Gottesgericht am Ende der Zeit an, das die Böcke von den Schafen trennt und untermauert seine Legitimation als Gottes Sohn durch wundersame Taten.
Allein schon dieses Mysterium, das die fundamentalen Glaubensgrundsätze der Christen betrifft, ist genial erdacht. Dazu hat es Isau einmal mehr geschafft, das perfekte Setting, nämlich ein Land, das schon historisch bedingt streng am Katholizismus festhält, auszusuchen und der Story auch noch eine mystische, historische Rahmenhandlung zu verleihen. Bezeichnend sind nicht allein eine authentische Darstellung der landestypischen Charakteristik, sondern die Einbettung der Story in den aktuellen Zeitgeist, in dem die Sehnsucht nach höheren Mächten stark präsent ist. Einmal mehr schleicht sich eine moderate, aber deutlich wahrnehmbare Kritik an der katholischen Kirche ein. McAteer scheint ein Kirchenmann zu sein, wie Isau sich ihn wünscht, während der publicityhungrige Bischof Begg dekadent und von den eigentlichen christlichen Werten weit entfernt erscheint. Auch dem Zölibat, der Heiligensprechung und der Ausrufung publikumswirksamer Wunder, kann der Autor offenbar wenig abgewinnen.
Etwas zu ausführlich fallen Abrisse über tatsächliche Gegebenheiten und Gepflogenheiten der Kirche aus, obwohl die sicherlich alle stimmen. Isau stellt Fachkenntnis unter Beweis, die aber ein wenig wie Infodumping wirkt. Fabulieren liegt dem Autor einfach mehr, als dozieren. Das Finale ist spektakulär, vielleicht etwas zu dick aufgetragen. Ein weniger spektakuläres Wunder hätte den erwünschten Zweck vielleicht sogar besser erfüllt. Die Rückkehr der Wundermusikerin Sarah D’Albis ist eine nette Idee, aber für Leser, die „Die Dunklen“ nicht kennen, schwer nachzuvollziehen,
Sicherlich hat der Mysterythriller „Messias“ so einige Schwächen. Unterm Strich sorgen jedoch eine originelle und aufregende Geschichte, urige Charaktere und die beinahe greifbare Atmosphäre für vergnügliche Lesestunden, die in angenehmer Erinnerung bleiben.
Diese Rezension von mir, Eva Bergschneider, erschien bereits auf www.phantastik-couch.de
Fantasy
Piper
2009
480
Funtastik-Faktor: 80%