Gut so, ihr Nightrunners. Fein gemacht!
Joe R. Lansdales „Der Gott der Klinge“ ist die überarbeitete Übersetzung des Romans „Nightrunners“ aus dem Jahr 1987, plus sechs weitere Geschichten, die sich weitgehend um die Figur des Klingengottes drehen, der in „Nightrunners“ einen kurzen Auftritt hat, aber nicht völlig aus dem Schatten tritt. Es bleibt die Möglichkeit, dass er die Phantasmagorie eines mental derangierten Killers ist. „Der Gott der Klinge“, „Nicht aus Detroit“ und „Janet findet ein Rasiermesser“ bieten solide Gruselkost, aber auch nicht mehr. Hervorstechend sind der „König der Schatten“, eine tragikomische Coming Of Age-Erzählung, sowie „Zwischenfall an einer Bergstraße“, die vermutlich bekannteste Geschichte der kleinen Sammlung. Diente sie doch als Vorlage zum Auftakt der „Masters Of Horror“-TV-Serie. Don Coscarelli inszenierte „Incident on a High Mountain Road“ nur leicht verändert, als einen hervorragenden Backwood-Slasher der etwas anderen Art. Außerdem liest sich die Story „Das zottelige Haus“ wie das Exposè zum DreamWorks-Trickfilm „Monster House“. Was auch Lansdale selbst aufgefallen ist. Zurecht. Ansonsten ist das kurze Geschichtlein nicht weiter erwähnenswert.
Ob „Nightrunners“ ein Meisterwerk der modernen Spannungsliteratur ist, worauf Dean Koontz in seinem bemüht witzigen Vorwort insistiert, sei mal dahingestellt. Auch Joe R. Lansdale stellt sein Licht in der Einleitung nicht unter den Scheffel, lässt es aber einigermaßen sympathisch erstrahlen.
Weit weniger sympathisch strahlen die Lichter des schwarzen Chevy, der unheilvoll durch die schwarze Nacht rast. Im Innern die „Nightrunners“ Brian, Loony Tunes, Stone und Clyde, dazu noch das Pärchen Jimmy und Angela; Mitläufer, die auf einer scharfen Klinge tanzen. Am Wegesrand: Raub, Vergewaltigung und blutiges Gemetzel. So prescht der schwarze Chevy über die Highways, seinem Ziel entgegen: einer einsamen Hütte, in die sich das Ehepaar Montgomery und Becky Jones zurückgezogen hat, um Traumabewältigung zu betreiben. Becky Jones wurde vergewaltigt von jenem Clyde, der sich ein lauschiges Zimmer im Kopf seines besten Freundes Brian eingerichtet hat. Seitdem plagen Becky Alpträume und Visionen, die ein Abglanz kommender Ereignisse sind. Als der friedliebende Monty von der Verbindung zwischen den Visionen und der möglichen Realität endlich überzeugt ist, ist es fast zu spät. Die „Nightrunners“ klopfen unsanft an die Hüttentür. Finale in Rot.
Gewalt verkommt nicht zu reinem Selbstzweck
„Nightrunners“ ist eine Studie in Terror. Die Geschichte selbst passt auf einen Bierdeckel; Lansdale erzählt eine eigentlich simple Rape and Revenge-Story auf packende Art. Er gibt seinen Figuren Raum, sowohl den positiven (Becky und Monty), wie den negativen (die „Nightrunners“). Gerade Brian und seine Freundschaft zu dem psychotischen „Rebel Without a Cause“ Clyde beleuchtet Lansdale ausführlich. Er lässt es sich nicht nehmen, dem ganzen zerstörerischen Unternehmen einen philosophischen Unterbau zu geben. Für den der arme Friedrich „Übermensch“ Nietzsche herhalten muss. Lansdale verkauft das mit soviel beiläufigem Charme, das man ihm diese hochtrabende, wenig ausgearbeitete, Attitüde nicht übel nehmen kann. Er ist ein äußerst effektiver Autor, der die blasse Story konsequent und mit dem richtigen Maß an Härte zu ihrem Ende bringt. Obwohl er vor dezidierten Gore-Effekten nicht zurückschreckt, verkommt Gewalt bei ihm nicht zu reinem Selbstzweck wie bei vielen seiner unbegabteren Kollegen. Das Grauen und die Schmerzen, die jene Gewalttätigkeit auslösen, bleibt immer präsent. Oftmals und besonders bei Geschehnissen, die im Hintergrund passieren.
Ein wenig mangelt es dem Roman an Stringenz. Man merkt ihm an, das Lansdale sich von einigen Kurzgeschichten nicht trennen konnte und sie auf Biegen und Brechen dem Buch angepasst hat. Zwar legitim, vor allem weil der Autor dieses Verfahren freimütig einräumt. So ist die „Boys Will Be Boys“ (So sind Jungs nun mal) für sich genommen eine starke Erzählung, sie bremst aber die beschleunigte Fahrt der „Nightrunners“ aus. Immerhin gibt es Hintergründiges über Brian Blackwood und seine intime Beziehung zu Clyde Edson zu erfahren. Überflüssig ist hingegen die Episode um Malachi Roberts und seine sterbende Frau. Vor allem, da sie eine nur leicht veränderte Wiedergeburt im Kurzgeschichtenteil erfährt.
Meriten haben die „Nightrunners“ neben dem Spannungsmoment allerdings noch an anderer Stelle. Der Roman ist ein großer, bunter Verweiskatalog. Sowohl, was die Einbeziehung fremder Stoffe betrifft, wie die Einflussnahme auf kommende Ereignisse. Bereits der Erzählstil der „Nightrunners“ zeigt deutlich, dass Lansdale Kino kennt und würdigt. Abgesehen von Filmen, die allgemein um „juvenile delinquents“ kreisen, dürfte Lansdale Wes Cravens „Last House on the Left“ ebenso schätzen wie Sam Peckinpahs „Straw Dogs“ (Wer Gewalt sät), in dem Dustin Hoffmann eine perfekte Blaupause für Montgomery Jones darstellt. Wie eine Hommage an die „Nightrunners “ wirkt der schwarze Cadillac, der in Philip Ridleys bildgewaltigem „The Reflecting Skin“ (Schrei in der Stille) bedrohlich über die Landstraßen rollt. Auch seine vier jugendlichen Insassen bringen Tod und Verderben mit sich. Und ist nicht Freddy Krueger ein enger Verwandter des „Gottes der Klinge“? Womit Wes Craven sich Geliehenes zurückgeholt haben könnte. Der Spekulationen sind viele.
Mag „Nightrunners“ auch nur die spannende Fingerübung eines begabten, jungen Autors sein – es gibt einiges zu entdecken.
Joe R. Lansdale lobt sich nicht zu unrecht: „Gut so, ihr Nightrunners. Fein gemacht“.
Diese Rezension von Jochen König erschien bereits auf www.phantastik-couch.de. Sie wurde hier mit freundlicher Genehmigung des Autors veröffentlicht.
Horror
Heyne
2007
399
Funtastik-Faktor: 80%