Progressiv nur in Ansätzen, dafür spannend und handwerklich einwandfrei
Armin Weber, Phantastik-Lesern am ehesten durch die zwischen „durchwachsen“ und „richtig gut“ stark fluktuierende EXOPLANET Reihe bekannt, betritt mit „Kowalski Protokoll: Todesfeature“ ein neues Subgenre. Die Military-SF mit starker Abenteuerkomponente (oder Abenteuer-SF mit militärischem Einschlag, je nachdem, wie man will) liest sich durchgehend anders als seine vorherigen Werke. Und das ist großteils positiv gemeint, aber alles der Reihe nach.
Gestatten – Kowalski. Pitt Kowalski.
Viel Bewährtes, gemischt mit etwas Innovation
Wer jetzt beim Namen „Kowalski“ nicht an einen Pinguin, sondern an einen gewissen Lunartech-Spook denkt, und auch beim Szenario mit den Eckdaten „Menschheit im Sonnensystem ausgebreitet, Minenoperationen im Asteroidengürtel, allmächtige Konzerne“ ein sanftes Deja Vu erlebt, liegt nicht vollkommen falsch. „Todesfeature“ nimmt gewisse Anleihen sowohl bei der „Avatar“ Reihe, als auch den „Expanse“ Büchern. Ersteres in den Charakteren, letzteres vor allem in der dominanten Military Komponente. Dies aber durchaus geschickt. Die Protagonisten und deren Konstellationen wirken vertraut, ohne abgekupfert oder gar plagiiert zu erscheinen. Und spätestens nach der Ankunft auf dem Mars entwickelt die Story ihren eigenen Lauf mit ihren eigenen, ganzs speziellen Antagonisten. Wenn verrückt gewordene Hologramme auf Nanotech stoßen, geht es rund – und die rasante Story beginnt, wirklich Spaß zu machen. Die Bedrohung wird geschickt aufgebaut, die Konfrontationen sind packend ausformuliert. Man fiebert mit.
Die Crew macht Laune
Richtig gut gelungen ist der Protagonist, mehr noch aber sein Zusammenspiel mit der Crew. Hier hat Weber gegenüber seinen vorigen Büchern ordentlich zugelegt, es gibt nachvollziehbare soziologische Konstruktionen und auch Spannungen. So unterscheidet Kowalski zwischen einem inneren Kreis, also Kollegen und Kolleginnen, denen er (beinahe) blind vertraut auf der einen Seite – und gewöhnlichen Crewmitgliedern auf der anderen. Das wirkt glaubwürdig, und erinnert in seinen besten Szenen an Battlestar Galactica mit den ausgeprägten Fraktionen und Seilschaften innerhalb der Mannschaft.
Wer tiefgründige Philosophie sucht, ist hier falsch.
Fazit
„Das Kowalski Protokoll – Todesfeature“ ist ein spannender, rasanter Science-Fiction-Roman mit militärischer Schlagseite, routiniert aufgebaut und handwerklich sehr gut erzählt. Wirklich herausragende Ideen oder besonders einprägsame Sequenzen sucht man jedoch eher vergeblich. Dennoch: wer Abstriche bei Tiefgang und zeitgemäßer soziologischer Projektion in Kauf nehmen kann, bekommt hier ein angenehm flüssiges Leseabenteuer, das viele Stunden lang fesselnd unterhält.
DANKE an Gastrezensentin Tamara Yùshān
Science-Fiction (Military)
Independently published
Juli 2020
371
Funtastik-Faktor: 75
Genau das meinte ich.
Herrlich seziert, Schwachpunkte gut aufgezeigt und trotzdem hat man am Schluss das Gefühl, dieses Buch lesen zu wollen. Schöne Rezension, freut mich!