Ein Klassiker im neuen Gewand
Gut einhundert Jahre ist es mittlerweile her, dass die Welt, genauer gesagt, das britische Königreich, noch genauer London, angegriffen wurde. Die Marsianer setzten ihre Tripods und das rote Kraut ein und die Menschen konnten der Bedrohung nicht wirklich etwas entgegensetzen. Nur der Unverträglichkeit der Aliens gegen Bakterien war es zu verdanken, dass die erste Invasion fehlschlug.
Danach gründete man eine eigens für extraterrestrische Bedrohungen zuständige Behörde, das Bureau for External Affairs kurz B.X.A. genannt. Das Bureau hat die Aufgabe, eine erneute Invasion rechtzeitig zu erkennen und abzuwehren.
Über die Jahrzehnte vergaßen die Menschen die Bedrohung, ja verbannten sie ins Reich der Fabeln. Die Steuergelder sollten nicht länger für eine Organisation ausgegeben werden, die augenscheinlich niemand brauchte. Doch dann schellten die Alarmsignale der in Schottland gelegenen Hauptzentrale des B.X.A.s. Die erneute Invasion hatte längst begonnen – und die Marsianer hatten aufgerüstet.
„Der zweite Krieg der Welten“ ist die Beschreibung eines Kampfes, der verloren ging, noch bevor er richtig begonnen hatte. Der Bericht von Frauen und Männern, die sich trotzdem oder gerade deshalb den Invasoren mutig und aufopfernd entgegenstellten. Die Niederschrift eines verzweifelten Kriegs, in dem Verräter sich auf die Seiten der Invasoren schlugen.
Noch heute so rätselhaft und furchteinflößend wie damals
Andreas Zwengel ist dem Fan deutschsprachiger Science-Fiction ein Begriff. Einige Jahre lang bereicherte er ein Autorenteam, das die Fortsetzung der „Ren Dhark“ Heftserie schrieb. Auch an der Neugestaltung der „Raumschiff Promet“ Reihe vom Blitz-Verlag wirkte er mit.
Ganz zu Beginn seiner Karriere schrieb er mit „Die Welt am Abgrund“ eine interessante, weil ungewöhnliche Mischung aus Thriller und Steampunk, die kürzlich vom Wurdack Verlag neu aufgelegt wurde.
Der hier vorliegende, seitenreiche Roman erschien bereits vor einigen Jahren sowohl als achtbändige E-Book Reihe, als auch als dreibändige Taschenbücher-Edition im H. J. Bernt Verlag (HJB). Der Autor verwendete für diese Ausgaben das Pseudonym Wilko Lennart. Nun legt Rocket Books, ein gemeinschaftliches Label vom Blitz Verlag und dem FanPro Shop, das Werk gesammelt in einem Band neu auf.
H. G. Wells „Der Krieg der Welten“ kennen wir als DEN Klassiker der Science-Fiction. Die Invasionsgeschichte bannte unzählige Leser an ihre Seiten, eine Radioshow ließ die Hörer glauben, es seien tatsächlich Außerirdische gelandet.
Zwengel nutzt zwar diese Storyline als Ausgangspunkt für seinen Roman, erzählt dann aber eine ganz im Hier und Jetzt angesiedelte Story. Und diese bietet rasante Action nonstop. Wenngleich die Figuren, denen der Autor sein Augenmerk angedeihen lässt, eher stereotyp ausfallen, nimmt der Plot den Leser schnell mit. Es geht von einem Höhepunkt zum nächsten. Die Cliffhanger sind der ursprünglichen Erscheinungsform als selbständige E-Books geschuldet. Wobei der Autor Tempo und Spannung seiner Geschichte erfolgreich aus den überraschenden Wendungen und den Schicksalen seiner Protagonisten ableitet. Und die Kämpfe nicht zu sehr in den Mittelpunkt platziert. Dabei gelingt es ihm, die Marsianer mit ihren Tripods und Drohnen ähnlich rätselhaft wie Wells darzustellen und so an das ursprüngliche Flair einer Bedrohung aus dem All anzuknüpfen.
Alles in allem bietet der umfangreiche Roman packende und dramatische Lesestunden. Die Anlage der Figuren bietet dem SF Fan wenig Neues. Jedoch überzeugt der temporeiche und actionreiche Plot dieser modernen Variante einer außerirdischen Bedrohung vom Mars.
Carsten Kuhr
Science-Fiction
Rocket Books/Blitz Verlag
Januar 2020
576
Funtastik-Faktor: 76