Ein in jeder Hinsicht eigenwilliges Buch
»Du solltest dir dieses Buch vielleicht nicht kaufen.
Ich weiß, ein Schriftsteller sollte so etwas nicht sagen. Den Marketingleuten wird das gar nicht gefallen, und meine Lektorin bekommt wahrscheinlich einen Wutanfall.
Ich aber bin lieber von vorneherein ehrlich zu dir. «
[Die Musik der Stille-S. 9, Vorbemerkung – Patrick Rothfuss]
Es ist nicht verwunderlich, dass „Die Musik der Stille“ (Originaltitel „The Slow Regard of Silent Things“) äußerst kontrovers unter Patrick Rothfuss-Lesern diskutiert wird. Denn bei diesem Roman handelt es sich nicht die lang herbeigesehnte Fortsetzung der „Königsmörder-Chronik“. Und es ist ein Buch vor dem der Autor selbst warnt, es zu erwerben. Daher kann man ihm ganz bestimmt nicht den Vorwurf machen, es ginge darum, den Lesern Geld aus der Tasche zu ziehen. Und zumindest der deutsche Verlag Klett-Cotta weist ausdrücklich darauf hin, dass es sich nicht um den dritten Band der Saga handelt. Doch worum handelt es sich nun bei „Die Musik der Stille“?
Die Kvothe Fans kennen Auri als seine seltsame, vielleicht irrsinnige Freundin. Die beiden treffen sich in der Dunkelheit auf den Dächern der Universität und tauschen Geschenke aus. Kvothe spielt auf seiner Laute und singt für Auri und sie führen Gespräche über die Geheimnisse des Unterdings. So nennt Auri die verlassenen Katakomben unter der Universität, in denen sie lebt. Was das für Geheimnisse sind und welche Pflichten diese Auri auferlegen, davon erzählt „Die Musik der Stille“.
Am siebten Tag wird Kvothe kommen. Bis dahin hat Auri noch unendlich viele Aufgaben zu erledigen. Die Tage selbst geben ihr die Art der Aufgabe vor. Es gibt Findetage, Tage des Geschehens, Tage des Brennens, Tage des Machens und schüchterne Tage, die ihren Namen nicht preisgeben. Ausgehend vom Charakter des Tages sorgt Auri für die Ordnung der Dinge im Unterding. Jeder Gegenstand soll dort sein, wo er hingehört. Und er soll auf die richtige Weise dorthin gelangen. Auri erkennt die Seele eines jeden Gegenstands. Doch ein Messingzahnrad bereitet ihr Schwierigkeiten, denn es ist „unnahbar, vor Antworten geradezu funkelnd“. Wo ist nur sein Platz im Unterding?
Mehr sollte ich über den Inhalt des Kurzromans nicht verraten. Denn da ich nicht wie Patrick Rothfuss schreibe, klingt das einfach zu banal. In „Die Musik der Stille“ erfährt der Leser, wie es unter der Universität, an der Kvothe seine Ausbildung zum Magier absolviert, aussieht – aus der Sicht Auris. Sie verrichtet dort ganz praktische Dinge, wie das Abdichten eines Rohrs oder die Herstellung von Seife. Ein wenig Wissen über Chemie und Handwerk nimmt der Leser also auch mit. Doch manche von Auris Methoden erscheinen unverständlich, denn sie erledigt alles auf ihre ganz spezielle Art und Weise. Indem sie das Wesen der Dinge betrachtet, dieses benennt und seine Bedürfnisse berücksichtigt. Mit der Zeit lernt man, sich auf Auris Denkweise einzulassen und kommt so zum wahren Kern der Geschichte. Wenn man das einmal geschafft hat, kann man nicht nur die wunderbare, eigens für diese Geschichte ersonnene Sprache und Erzählweise genießen. Man findet sich auch in Auri wieder.
Denn wer hat nicht schon einmal Dingen eine Absicht unterstellt, wenn sie nicht so funktionierten, wie erwartet? Oder einen Gegenstand im Regal ohne besonderen Grund gerade gerückt oder woanders hingestellt? Wer bereit ist eine Geschichte über solche Ereignisse auf sich wirken zu lassen, der kann Auris Leben im Unterding verstehen lernen und sich am Zauber ihrer stillen Welt erfreuen.
Fantasy
Klett-Cotta
Februar 2015
173
Funtastik-Faktor: 80