Die Unsterbliche – Kai Meyer

Die Alchimistin ist zurück

Die Unsterbliche © Heyne
Die Unsterbliche © Heyne

„Die Unsterbliche“ ist die erstmals 2001 erschienene Fortsetzung von Kai Meyers Mysterie-Klassiker „Die Alchimistin“. Drei Jahre hatte es gedauert, bis Kai Meyer die Geschichte um die Alchimistin Aura, dem Hermaphroditen Gillian und den Kindern Gian und Tess weiter erzählte. Nachdem Aura bereits das Rätsel um die Unsterblichkeit entschlüsseln konnte, darf man gespannt sein, welchen finsteren Geheimnissen sie nun auf der Spur ist. Steht Gillian ihr weiterhin zur Seite oder ist er in die Bruderschaft des Templum Novum zurückgekehrt?

Die Suche nach dem Verbum Dimissum führt die Unsterbliche zum Tod

Im August 1914, unmittelbar vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges, befindet sich Aura in Paris auf der Suche nach dem ersten Wort der Schöpfung. Die Angst vor ewiger Einsamkeit nagt immer bohrender in ihr und sie fühlt sich auf Schritt und Tritt verfolgt. Jemand hinterlässt Abdrücke einer sechsfingrigen Hand, zuerst auf dem Laken ihres Hotelbetts, dann auf einem seltenen alchemistischen Buch. Als Aura den Autor diese Werkes aufsucht macht sie eine grausige Entdeckung, jemand hat Monsieur Grimaud umgebracht und grausam verstümmelt. Unter einem weiteren blutigen Stempelabdruck ist das Bild eines Kastells zu sehen, in dem Nestor vor 100 Jahren gelebt hat. Führt Aura die Spur des Killers zurück zu den unheimlichen Machenschaften ihres Vaters?

Der Blick in die Vergangenheit führt in das Verderben

Gian und Tess haben sich geschworen, ihre Gabe, gemeinsam in die Vergangenheit sehen zu können, nie wieder zu nutzen. Aura schickte beide zu einer archäologischen Expedition in das Zweistromland. Gian bricht dort dieses Versprechen und riskiert einen Rückblick in das Mittelalter, während Tess schläft. Kurz nachdem Tess diesen Vertrauensbruch entdeckt hat, töten schwarz gekleidete Killer die Expeditionsteilnehmer und entführen die Beiden. Auch der Hermaphrodit Gillian erforscht die Historie. Der neue Großmeister des Templum Novum hat dem verstorbenen Lascari versprochen, den alten Templer-Schatz aufzuspüren. Seine Suche führt in nach Spanien und zu alten Verbündeten der Bruderschaft, den Assassinen.

Alte und neue Gesichter

Auf einige bekannte Figuren aus „Die Alchimistin“ trifft der Leser erneut, aber auch viele neue Charaktere hat der Autor dem zweiten Teil seiner Mysterie-Saga hinzugefügt. Sylvette und Charlotte spielen keine Rolle mehr, sie sind vor dem drohenden Krieg nach Amerika geflohen. Gian und Tess sind erwachsen geworden und können sich nicht länger dem verfluchten Erbe ihrer Väter entziehen. Zwei interessante Männer sind neu dazu gekommen und stehen Aura in Paris zur Seite.

Der schwule Müßiggänger Philippe Monteillet gewährt Aura Unterkunft und Schutz vor der Geheimpolizei. Einer seiner Partygäste, der geheimnisvolle Chevalier Weldon, führt Aura in ein Leben außerhalb der Mysterien zurück. Als Medien, die Kontakt zu den Toten aufnehmen, greifen Salome und Lucretia Kaskaden, die eingefleischte Kai Meyer Fans vielleicht schon aus „Die Göttin der Wüste“ kennen, in das Geschehen ein. Mit diesen Akteuren bringt Kai Meyer frischen Wind in die Geschichte; sie verleihen ihr Esprit und Humor, den man im ersten Teil vermisst hat. Obwohl die neuen Charaktere nicht weniger skurril sind, als die alten, wirkt ihr Auftreten realitätsbezogener und belebend. Daher ist es schade, dass sie nur oberflächlich eingeführt werden und ihnen etwas die charakterliche Tiefe fehlt, die Gillian und Aura in „Die Unsterbliche“ besonders auszeichnet.

Fesselnder als „Die Alchimistin“

Einige Leser kritisieren, dass „Die Unsterbliche“ den Inhalt von „Die Alchimistin“ voraussetzt. Kai Meyer hat weder die Hintergründe, noch die Charaktere noch einmal vorgestellt. Statt dessen ist er direkt in die Handlung eingestiegen und hat dadurch den Spannungsbogen straffer spannen können. Die geschickt aufgebaute Dramaturgie folgt stets einem roten Faden, so dass jedes Kapitel den Leser fesselt auch wenn die Handlungsorte abrupt wechseln.

„Die Unsterbliche“ ist abwechslungsreicher gestaltet, als „Die Alchimistin“, der Autor spielt mit extremen Stimmungen. Auf ein beinahe heiteres Setting folgt erschreckende Grausamkeit, auf Romantik eine Atmosphäre der Furcht. So bleibt der insgesamt düstere Charakter der Geschichte zwar erhalten, ist aber nicht ganz so vordergründig platziert und überlagert die Erzählung nicht so permanent, wie im ersten Teil. Das magische Element tritt zugunsten eines eher kriminologischen Charakters ein wenig in den Hintergrund.

Insgesamt verbindet Kai Meyer erneut Mystik und Mysterium auf unterhaltsame Weise mit der Historie verschiedener Jahrhunderte. Mit Geheimbündlern, Unsterblichen und Göttern kreiert der Autor ein überraschendes Finale und eine atemberaubende Story, von der sich viele Leser eine Fortsetzung wünschen werden.

Diese Rezension von mir, Eva Bergschneider, erschien bereits auf www.phantastik-couch.de

Die Unsterbliche
Die Alchimistin Band 2
Kai Meyer
Fantasy
Heyne
2001
464

Funtastik-Faktor: 76%

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