Machtspiele
„Drachengift“ ist Band drei der Reihe um die „Feuerkriege“, nach „Die Mächte des Feuers“ und „Drachenkaiser“. Die deutsche Drachentöterin Silena und ihr geliebter Hellseher Grigorij Zadornov sind wieder da. Das Schicksal hat sie in andere Rollen gesteckt: in die von Zar und Zarin Russlands, über das der schwarze Drache Tugarin herrscht. Grigori ist zwar Rasputins Sohn, wurde jedoch vom alten Zar als eigener anerkannt. Während Grigorij ihre neu geborene Tochter vergöttert, hat Silena einen unerklärlichen Widerwillen gegen sie. An der Front gegen die Drachen taucht neben alten Bekannten, wie der Drachenjägerin Leida Havock und dem Ägypter Ahmat Fayence, auch eine neue Gestalt auf.
Der amerikanische Großindustrielle Hohenheim führt vor, dass ein Gift die Drachen mit geringem Aufwand töten kann. Er behauptet, dass die Drachen in Amerika damit ausgerottet wurden. Das bezweifeln die Profis, und Silena nutzt einen Staatsbesuch in den USA, um sich auf eigene Faust ein Bild davon zu machen. Inzwischen kämpfen die europäischen Drachen intrigenreich weiter um ihre Vorherrschaft. Nicht ahnend, dass eine seit Jahrhunderten versteckte Gefahr auf die alte Welt losgelassen wird.
Sieben Jahre mussten die Fans warten, dass die Geschichte des Drachenkaisers weiter geht, die marginale Fragen offen ließ. Und Heitz wäre nicht Heitz, wenn er mit „Drachengift“ alles beantworten würde. Wie so oft bei ihm ist es eine schnelle Story, die an verschiedenen Plätzen spielt. Jeden einzelnen Ort nimmt der Leser dem Autor ab, ob es der herrschaftliche Palast in Sankt Petersburg oder das neben der Stadt liegende verlassene Gehöft ist, der Freisinger Dom, Schottland, Frankreich, New York, Colorado Springs oder Mexico. Mit wenigen Worten schafft er Atmosphäre.
Action, Crime und Ambiente
Neben lieb gewonnenen Charakteren aus den ersten beiden Büchern tauchen neue Mitspieler auf, die Heitz kurz und knapp, aber eindeutig und unverwechselbar skizziert. Ideen hat er immer – unglaublich – und das macht auch den Reiz dieses dritten Bandes aus. Immer wenn der Leser denkt, jetzt wisse er, wo es lang geht oder wie weiter, verblüfft ihn der Autor schon wieder mit Ungewöhnlichem. Trotzdem ist die Geschichte in sich geschlossen und folgt einem roten Faden, der im Lauf der Handlung immer deutlicher sichtbar wird. Dieser dritte Band lässt sich nur nach Lektüre der beiden Vorgängerbände wirklich verstehen. Die Menschen im Gegensatz zu den Drachen haben in diesem Band mehr Verantwortung für das Schicksal der Menschheit, Entscheidungen für oder gegen bedingungslose Unterwerfung sind gefragt. Das Ringen der Protagonisten damit verschafft dem Roman Tiefe und hebt ihn auf die politische Ebene von Verantwortung wahrnehmen oder geschehen lassen.
Mit viel Fachwissen fügt Heitz technisches Wissen der Zwanziger Jahre ein, das die Handlung immer wieder befördert. Luftschiffe und Flugzeuge, die der Leser schon aus den Vorgängerbänden kennt, in immer moderneren und aufgerüsteten Varianten – neu sind die Experimente des Physikers Tesla mit Elektrizität und die neu entstandene Fernmeldetechnik. Auch mit diesen Dingen lässt er die Zeit wieder lebendig werden. Wie wir es aus seinen Vampir- und Werwolfromanen kennen, steigt er in die Geschichtsschreibung und Sagenwelt ein, um Übersinnliches als wahr darzustellen. Der studierte Historiker erklärt auf seiner Homepage die Geschichte zu seinem Hobby, „weil Geschichte unwahrscheinlich inspirierend ist“. Das merkt der Leser und es macht einfach nur Spaß, wie Heitz sie phantastisch verdreht. Die Bonbons in dem Buch sind die Zitate mehr oder weniger berühmter Persönlichkeiten, Zeitungsausschnitte und das Gedicht eines Brechthold Bert. Sie lockern den Abenteuerroman mit Witz und Verstand auf.
Ein kleiner Wermutstropfen sind körperliche Befindlichkeiten einiger menschlicher Charaktere, die z.B. verletzt oder sogar schwerverletzt sind, trotzdem aber immer noch Leistungen vollbringen, die in dem Falle unlogisch sind. Das gilt auch für Silenas ominöse Bauchschmerzen nach der Geburt, die mal da sind, mal nicht, aber nie geklärt werden. Im Vorgängerband hatte sie öfter Kopfweh aufgrund des Drachenknochens in der Halswirbelsäule und Gemütsschwankungen, die scheinen im 3. Band wundersam verschwunden. Das ist wie eine gestrickte Socke, deren letzte Masche lose rumhängt.
Warum sollte man die „Feuerkriege“ Reihe und ihren Abschluss „Drachengift“ lesen? Weil beste Unterhaltung garantiert ist. „Drachengift“ ist aufregend, spannend, mystisch, gemein und niederträchtig mit einem Schuss Romanze. Alles, was ein gutes Fantasybuch braucht.
Diese Rezension hat Gastrezensentin Amandara M. Schulzke geschrieben – Vielen Dank!
Feuerkriege - Band 3
Fantasy
Piper-Verlag
Januar 2016
556
Funtastik-Faktor: 77