Nach der Apokalypse ist vor der Apokalypse?
Menschen und Partials versuchen weiterhin alles, um sich gegenseitig zu vernichten. Dr. Morgan und ihre Partials versuchen Kiras Herausgabe zu erpressen, indem sie täglich Menschen aus der Siedlung auf Long Island erschießen. Doch einige sind der Gefangennahme entkommen. Die Widerstandsgruppe der ehemaligen Terroristin Delarosa hat einen Atomsprengkopf aus einem versunkenen Kriegsschiff geborgen und will mit ihrer Zündung die Partials ausrotten. Eine andere Gruppe um Kiras Freund Marcus versucht, sie davon abzuhalten.
Kira stellt sich freiwillig als Dr. Morgans Versuchskaninchen zu Verfügung, weil sie selbst hofft, dass ein Mittel gegen das Verfallsdatum in ihr gefunden wird, das jeden Partial nach 20 Jahren tötet. Dennoch spitzt sich die Lage im Osten weiter zu. Die Partials kämpfen immer verzweifelter und ohne Führung. Denn die Offiziere gehörten zur ersten Generation und sind bereits dem Verfallsdatum erlegen, zusätzlich breitet sich unter ihnen sich eine seltsame Krankheit aus. Haben die Menschen eine Biowaffe gefunden, die sie vernichtet?
Das Heilmittel gegen den RM-Virus, das die Menschheit zum Aussterben verurteilt, steckt in dem Pheromon, das die Partials zur Kommunikation benutzen. In einem Reservat in Denver haben Kira und Samm Menschen gefunden, die Babys bekommen. Der Wissenschaftler Dr. Vale hat dort Partials bewusstlos gefangen gehalten, damit die Menschen überleben konnten. Samm befreit diese Partials und stellt sich selbst als Pheromonlieferant zur Verfügung. Obwohl auch seine Zeit abläuft und er lieber mit Kira in den Osten zurückkehren möchte.
Droht nun die endgültige Vernichtung humanen Lebens? Und was hat es mit der Monstergestalt auf sich, die Menschen und Partials aufsucht und vor dem Schnee warnt?
Der perfekte Plan
Nicht nur ich habe äußerst gespannt das Finale der „Partials“- Trilogie erwartet. Unter den vielen Young Adult Dystopien ist diese Reihe etwas Besonderes, denn der Autor Dan Wells hat in das Zentrum dieser Postapokalypse einen Konflikt gestellt, der humanistische Züge trägt. Denn auch der Humanist stellt sich die Frage, in wieweit die Macht der Technologie der Menschheit Nutzen oder Schaden bringt. Und welche ethische Verantwortung daraus erwächst.
In „Aufbruch“ kämpften die Menschen verzweifelt darum, eine Krankheit zu heilen, die große Teile der Bevölkerung ausgelöscht hatte. Gegen einen Feind, den sie selbst erschaffen hatten, dem humanoiden Roboter „Partial“, hatte man einen erbitterten Krieg geführt, der zum Untergang der Zivilisation führte. Nach der Beinahe Auslöschung der Menschheit wurden Begegnungen zwischen Menschen und Partials selten. Bis eine junge Sanitäterin einen Partial entführte und feststellte, dass er die Seuche heilen kann.
In „Fragmente“ suchte Kira nach dem Plan, der der Entwicklung der Partials zugrunde lag – und fand eine menschliche Gemeinschaft die das Problem der Kindersterblichkeit überwunden hatte. Allerdings unter fragwürdigen Umständen; der Versklavung einer Gruppe von Partials, empathischen Wesen mit mehr freiem Willen, als die Erbauer ihnen zugedacht hatten.
In einem Interview, das ich für Phantastik-Couch mit Dan Wells führte, erzählte der Autor:
»Ich wollte sicher gehen, dass zumindest ich (im Gegensatz zu den Zylonen in der TV Serie „Battlestar Galactica“, denen die Partials nachempfunden wurden) einen Plan habe. Also habe ich bevor ich mit dem Schreiben des ersten Buches begann mir einen Plan zurechtgelegt und mir überlegt, wie das dritte Buch enden wird. Und von da habe ich es rückwärts aufgebaut. «
[Interview im April 2013 mit Dan Wells www.phantastik-couch.de ]
Einige der großen Fragen, die in den ersten beiden Büchern unbeantwortet blieben, zum Beispiel warum Partials mit und ohne Verfallsdatum konstruiert wurden, werden vollständig beantwortet. Zusätzlich werden im finalen Band jedoch weitere Phänomene eingeführt, die vielleicht nicht unbedingt nötig gewesen wären und auch nicht glaubwürdig erklärt werden. Was etwas schade ist, wo sich der Autor bezüglich vieler anderer Details bemüht hat, seine Story mit Fakten zu untermauern.
Wirklich gelungen ist allerdings die Vertiefung der Charaktere und ihrer Beziehungen zueinander. Die menschlichen und Partial-Protagonisten entwickeln sich im Einklang mit ihren jeweiligen Besonderheiten und individuellen Zügen weiter und aufeinander zu. Es passt gut zu Kira, das sie nicht immer als strahlende Heldin da steht, sondern verbittert an sich zweifelt und trotzdem stur ihren Weg verfolgt. Kiras Freunden Marcus und vor allem Samm kommen in diesem Band die Rollen der Sympathieträger zu, weil sie zu der immer düsteren Geschichte Humor und positives Denken beisteuern. Die Zeichnung der Figuren ist eine der großen Stärken des Autors und bis hin zu Nebenfiguren wie Calix aus dem Reservat, der Partialfrau Heron oder Kiras Schwester Isolde überzeugend.
»Samm kaute nachdenklich. […] “Das Glücksgefühl im Reservat ist insgesamt höher, wenn ich hier bin und nicht anderswo.“ „Das ist die traurigste Definition von Glück, die ich je gehört habe.“ „Was soll ich denn tun?“ fragte Samm. „Ich kann nicht einfach weggehen.“ „Doch das kannst Du“ widersprach Calix „Niemand hält Dich zurück. [..] Besonders wenn Heron Dir hilft – von diesem Mädchen bekommen die Monster unter meinem Bett Albträume.“ Samm lächelte. « [„Ruinen“ S.210]
Insgesamt begeistert das spannende apokalyptische Abenteuer vom ersten Kapitel im Auftaktband „Aufbruch“ bis zum furiosen Finale von „Ruinen“. Der Autor führt seine Figuren immer wieder an den Abgrund ihrer Existenz und zeigt vor allem, dass es menschliche Unarten wie Ignoranz, Diskriminierung und Selbstüberschätzung, sind, die dazu führen, dass der Fortbestand menschlichen Lebens auf Messers Schneide steht. Und das die Überwindung dieser Schwächen schwer fällt, aber den Konflikt lösen kann. „Ruinen“ ist ein würdiger Abschluss der „Partials“ Trilogie, wenn auch der Plan des Autors Dan Wells nicht in jeder Detailfrage aufgeht.
Eva Bergschneider
Partials - Band 3
Science-Fiction
Piper
April 2015
480
Funtastik-Faktor: 80