Ein subtiler Haunted House Spuk
Man denkt sich ja wirklich nichts Schlimmes, wenn man an Halloween kostümiert zu einer Party fährt. Ein bisschen Grusel darf gerne sein. Nach ein paar vergnüglichen Stunden geht es dann wieder ab nach Hause und alle sind glücklich.
So auch bei Michael Dansky und seiner Frau, die müde gen Heimat unterwegs sind, als Michael um ein Haar ein mitten auf der Straße stehendes, kleines Mädchen überfährt. Er kann den Wagen gerade noch rechtzeitig anhalten, nichts Ernstes passiert. Was aber das Kind mitten in der Nacht auf der Straße zu suchen hat, bleibt zunächst ein Rätsel. Michael bringt die Kleine heim in ein altersschwaches Haus auf einem Hügel. Das passt nur zu gut zur Nacht der Geister.
Damit hätte das gruselige Abenteuer seinen glimpflichen Abschluss finden können. Doch die Kleine fordert Michael auf, sie im Haus zu suchen. Und er, der Depp, fällt auf die Herausforderung herein. Verfolgt von Geistern gelingt es ihm gerade noch, durch ein Fenster zu entkommen. Doch der Spuk ist noch nicht vorbei. Einige Nächte später nährt sich ein Geist an seiner Ehefrau und raubt all ihre glücklichen Kindheitserinnerungen. Sie, die stets eine herzensgute Frau war, verwandelt sich in ein zynisches Biest.
Die erneute Suche nach dem Haus bleibt zunächst erfolglos. Michael weiß, dass er nur im Haus die geraubten Erinnerungen seiner Frau finden und ihr ihre Seelenruhe zurückgeben kann. Doch wie groß ist das Risiko, ins Geisterhaus zurückzukehren?
Horror einmal weniger plakativ, als gewohnt
„Something She Lost“ ist der Titel der deutschen Ausgabe des neuen Christopher Golden Romans, „Wildwood Road“, so der Titel des englischsprachigen Originals. Nachdem der Autor bei uns zunächst etwas stiefmütterlich behandelt wurde, scheinen sich inzwischen die Verlage um seine Werke zu reißen. Goldmann und Buchheim publizierten Romane von ihm, und auch Cross-Cult legt hiermit bereits das zweite Buch von Golden vor.
Wer den reißerischen „Gore und Blood“ seiner vorherigen Horror-Romane sucht, der wird im vorliegenden Roman nicht fündig werden. Christopher Golden pflegt hier eine eher leise Stimme, die oft mehr mit Andeutungen arbeitet, als uns das Grauen vor den Latz zu knallen.
Der Autor ist nicht nur bemüht, seine Charaktere dezidiert vorzustellen. Er beschreibt auch detailliert die Veränderungen, die die Geschehnisse den Protagonisten antun. Beides ist untypisch für die meisten der aktuell bei uns erscheinenden Horror-Romane und so wurde ich positiv überrascht.
Grundsätzlich ist der Roman in den Bereich Geistergeschichte à la Haunted House einzureihen. Während man glaubt, den weiteren Handlungsablauf vorhersehen zu können und einer falschen Fährte folgt, überrascht der Autor mit einem Twist, der erstaunt und den Leser fasziniert zurücklässt. Mehr soll hier nicht verraten werden.
Christopher Golden gehört zu den US-amerikanischen Autoren, die sehr viele Bücher und Drehbücher schreiben, sowie Texte zu Comics und Spielen publizieren. Seine Romane sind in aller Regel recht schnell heruntergeschrieben und bedienen sich eher schematischer Beschreibungen und bekannter Plot-Twists. Im vorliegenden Werk hat mich verblüfft, dass sich Golden hier die Zeit nahm, seine Figuren und ihre Beziehung zueinander gründlich und vielschichtig zu entwickeln. Mit ihnen gestaltete er eine Gruselgeschichte, die sich stellenweise wie ein Beziehungsdrama liest und nach und nach eine Atmosphäre des Grauens offenbart. Wer also einen Horror-Roman lesen möchte, der subtil erzählend und nicht mit plakativ schockierenden Bildern daherkommt, wird mit „Something she lost“ gut bedient.
Carsten Kuhr
Horror
Cross Cult Verlag
September 2019
400
Funtastik-Faktor: 77