Terra – T.S. Orgel

Space-Thriller mit Tiefgang

Terra - T.S. Orgel © Heyne
Terra © Heyne

Jak ist ein Raumfrachterpilot auf der Pequod und transportiert Material und Minenerzeugnisse in einem Konvoi zwischen Mars und Erde. Sein Alltag ist eher langweilig. Er besteht aus herumflachsen und spielen mit den Kollegen, Gesprächen mit seiner AVA Nina (Advanced Virtual Assistent) und dem Überprüfen von Messwerten. Dabei fällt Nina eine untypische Regelmäßigkeit auf, stets exakt die gleichen Schwankungen. Im Laderaum des Schiffs finden sie Terraforming-Bomben, mit denen der Mars kultiviert wird. Eigentlich sollte der Konvoi Mineralien zur Erde überführen. Wie kamen diese Bomben an Board? An die offiziellen Stellen kann Jak sich nicht wenden, da er seinen kargen Lohn mit Schmuggel aufbessert. Also sendet er einen Statusbericht zur Überprüfung an seine Schwester Sal, die auf dem Mond als Space Marshal tätig ist.

Sals Erkundigungen führen zum Drogendealer Bran und dem Unterweltkönig und Besitzer eines arabischen Restaurants Kalil. Auffällig ist, dass der Libanese anscheinend mit Jaks Schwierigkeiten zu tun hat, sie aber nicht von ihren Ermittlungen abhält. Hat Kalil Angst vor einem noch skrupelloseren Gangster im Hintergrund? Und was hat es mit dem Selbstmord eines korrupten Zollbeamten auf sich, auf dessen Schreibtisch Sal eine Notiz findet? Elf Milliarden – was? Als weitere Menschen sterben wird Sal klar, dass sie einer diabolischen Verschwörung auf der Spur ist. Man möchte sagen biblischen Ausmaßes. Der Count-Down läuft.

Die Weltenrettung der kleinen Leute

Die Romane von T.S. Orgel erzählen von der Weltenrettung durch die einfachen Menschen. Da macht auch ihr erstes Science Fiction Buch „Terra“ keine Ausnahme. Einfache Ork- beziehungsweise Zwergenkrieger und gemeine Fußsoldaten waren in „Orks vs. Zwerge“ und den „Blausteinkriegen“ zuständig, hier sind es ein Frachterpilot, eine Polizistin und ein Drogendealer. Ohne Hilfsmittel funktioniert die Weltenrettung natürlich nicht. In den „Blausteinkriegen“ war dies die Magie, in „Terra“ ist es die Künstliche Intelligenz. Doch in erster Linie kämpfen Typen mit Schwächen und Stärken und einer nicht ganz astreinen Vergangenheit, was der Geschichte Sympathiepunkte verschafft.

Die Geschwister Jak und Sal haben die Brüder Tom und Stephan charakterlich stark voneinander abgegrenzt. Auf der einen Seite: der emotionale Frachterpilot mit einem Hang zum Angeben und dem Talent, sich in Schwierigkeiten zu bringen. Andererseits die coole unbestechliche Polizistin, mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn und einer Nase für Dinge, die nicht ins Bild passen. Beide haben einen schwierigen Weg hinter sich und wachsen in dieser Krise über sich hinaus. Allerdings auf eine Art und Weise, die für den Leser nachvollziehbar bleibt. Diese Authentizität zeichnet auch die Nebenfiguren aus. Der Drogendealer Bran setzt seine bei illegalen Rennen erworbenen Skills als Fahrer ein, der paranoide Nerd profitiert vom selbsterschaffenen doppelten Netz und Boden. In „Terra“ sticht niemand hervor, alle Helden agieren gemeinsam. Sowohl auf dem Mond, als auch im Frachterkonvoi.

Einfacher Plot mit großer Wirkung

Im Vergleich zu „Orks vs. Zwerge“ oder „Blausteinkriege“ ist die Handlung in „Terra“ simpel. Klar, sie spielt sich in einem Buch ab, nicht in mehreren. Abgesehen davon sind die Schauplätze auf drei Transportraumschiffe und einige Orte auf dem Mond begrenzt. Das Personenverzeichnis umfasst 50 Personen, elf mehr als im Auftaktband zu „Orks vs. Zwerge“. Ich habe nachgezählt, geschätzt hätte ich ein umgekehrtes Verhältnis. Das liegt daran, dass viele der Figuren in „Terra“ nur kurz in die Handlung eingreifen. Kurzum, der Cast bleibt übersichtlich. Auch das Ausmaß der Katastrophe ist recht schnell klar umrissen. Die Spannung erwächst im Folgenden vor allem durch den Zeitdruck und den sich formierenden Widerstand mächtiger Gegner.

In „Terra“ bewahrheitet sich wieder einmal, dass es keiner komplexen Handlung bedarf, um Faszination, Emotion und Nervenkitzel zu erzeugen. Der Autor Tobias O. Meissner versteht sich ebenfalls darauf, mit vergleichsweise einfachen Plots tiefgreifende Werke zu zaubern. Mit Katastrophen, die Kreise ziehen und nach und nach Abgründe offenbaren, in denen sich der menschliche Geist verirren kann. In „Terra“ ist T.S. Orgel ein ähnlicher Handlungs- und Spannungsaufbau gelungen. Dazu kommen neben vielen rustikalen Dialogen am Ende einige überraschende emotionale Szenen. Freundschaft und selbstlose Solidarität, auch zwischen Mensch und KI, sorgen für Beklemmung und Herzklopfen. Und im Hintergrund lauert die philosophische Frage nach dem, was ethisch vertretbar ist, um Menschen zu retten. Andere Menschen töten? Wenn ja, wen und wie viele?

Fast nichts zu beanstanden

„Terra“ ist ein Science-Fiction Roman, noch besser passt die Bezeichnung Space-Thriller. Die Handlung spielt zwar „nur“ 70 Jahre in der Zukunft, doch im Vergleich zu unserer Realität hat sich einiges verändert. Die Herausforderung für die Autoren von Zukunftsromanen besteht darin, die für die Handlung relevanten Entwicklungen dem Leser zu vermitteln, ohne dass dies wie Lehrbuchwissen herüberkommt. Stichwort: Info-Dumping. In „Terra“ spielt ein Teil der Handlung auf einem Raumfrachter, der andere auf dem besiedelten Mond. Überwiegend gelingt es den Autoren die Besonderheiten der Zukunftsschauplätze so in die Handlung zu integrieren, dass beides zu einer Einheit wird. Jedoch nicht immer. Im Kapitel „Verschissener Weisser Gweilo“ steuert Bran das Fluchtfahrzeug manuell, während Sal schwer verletzt auf dem Beifahrersitz Anweisungen erteilt. Der Feind ist ihnen unmittelbar auf den Fersen, schießt und manipuliert zusätzlich die Infrastruktur des Verkehrssystems. Mittendrin zu erklären, warum Fahrzeuge sich in der Zukunft autonom, also ohne menschliches Eingreifen, bewegen und wie eine Stun Gun (die Waffe der Space Marshals) sich zum Fische fangen missbrauchen lässt, machte die Szene kaputt und tötete einen Gutteil ihrer Spannung.

„Sie ist schön, weißt Du das?“ fragte Jak schließlich. „So direkt betrachtet noch viel schöner, als auf dem Monitor.“ „Es fällt mir schwer, das zu beurteilen, Jak. Aber ich glaube Dir.“ [S. 480]

Insgesamt ist „Terra“ ein Space-Thriller, der seine spannende Handlung sehr nah an authentischen Protagonisten erzählt. Viele lebensnahe, interessante und witzige Details sorgen trotz des futuristischen Settings für Identifikationspotential. Dazu beschäftigt sich „Terra“ mit elementaren Fragen, die sich viele Menschen heute stellen. Jedenfalls die, die über die eigene Lebenszeit hinausdenken und sich einen Fortbestand des Lebensraums auf unserem schönen blauen Planeten in der Zukunft wünschen.

Eva Bergschneider

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T.S. Orgel
Science-Fiction
Heyne
November 2018
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