Modern, intelligent und mit schwarzem Humor – eine mehr als gelungene Fortsetzung
»„Triff mich in Halifax, dann können wir reden.“
„Worüber?“
„Schiffe, Meere und Siegelwachs, Tentakel und Könige. Als ob ich es riskieren würde, dass man uns belauscht.“
„Stammt daher das Surren in der Leitung?“
„Trink einen Kaffee und bring dein Gehirn in Gang, Ich habe dafür keine Zeit.“
Tante Catherine hatte eine entschieden nachdrückliche Art, ein Mobiltelefon aufzulegen. [Seite 35]«
Tante Catherine (für Kenner des ersten Bandes der Hexen-Chroniken „Der Hexenladen“ Alyshas Gales Großmutter) hat ihre ganz eigene Art die Dinge zu Regeln und das Gleichgewicht der magischen und nicht-magischen Welt ins Wanken zu bringen.
Angeheuert von der skrupellosen Amelia Carlson, nutzt sie ihre wilden magischen Kräfte, um die Gruppe von Umweltschützern Two Seventy-five N davon abzuhalten, gegen eine Bohrerlaubnis vor Hay Island zu kämpfen, einem Naturschutzgebiet mit einer großen Robbenpopulation.
Diesmal trifft Charlotte, Alyshas Cousine, die herausfordernde Familienpflicht, die Dinge wieder ins Lot zu bringen.
Charlie, ebenfalls eine Hexe der wilden Magie, macht sich mit ihrer Gitarre auf den Weg nach Cape Breton, um als Aushilfsmitglied einer Folk-Band am hiesigen Festival teilzunehmen und nebenbei den Machenschaften ihrer Tante auf den Grund zu gehen.
Hilfe bekommt sie hierbei unerwartet von Jack, dem neuesten Mitglied der Gale – Familie. 14 Jahre jung sieht sich Jack neben den üblichen Problemen die das Erwachsen werden so mit sich bringt, der geballten Autorität der Tanten gegenüber. Als Drachenfürst und Hexer fällt es ihm schwer, die Rolle eines Gale-Jungen einzunehmen und die Regeln einzuhalten:
„Jack, brenne das Haus nicht nieder. Jack, verwandle die Oilers nicht in Molche, um sie dann zu essen. Jack, iss nichts, gar nichts, mit dem du dich unterhalten könntest.“ [Seite 22]
So kommt es Jack nach einigen Vorfällen gelegen, Charlie und ihre Band auf dem Festival zu begleiten.
Wie im ersten Band der Hexen-Chroniken „Der Hexenladen“ hält sich Tanja Huff nicht lange mit Erklärungen auf. Erfolgt im ersten Kapitel wenigstens noch eine kurze Erläuterung in die Machenschaften von Carson Oil, so findet sich der Leser spätestens bei der Einführung in den Gale-Clan direkt ins Geschehen katapultiert.
Hier wird vom Leser, ein gewisses Maß an Geduld gefordert. Hat man die erste Verwirrung jedoch überwunden, wird man mit einer mehr als außergewöhnlichen Story belohnt. Starke, einzigartige Charaktere agieren in einem gut durchdachten Plot. Temporeich, kurzweilig mit jeder Menge Magie der besonderen Art.
Tanja Huff bedient sich einer leichten und prägnanten Sprache, wobei wie gewohnt ein Großteil der Atmosphäre durch die pointiert, humorvollen Dialoge getragen wird. Wie im vorherigen Band wird die Geschichte aus wechselnden Perspektiven erzählt. So wird das Geschehen immer direkt durch die agierenden Protagonisten vermittelt, was diese an Tiefe gewinnen lässt und wesentlich zur Kurzweiligkeit der Story beiträgt. Auch hier zeigt Huff wieder ein besonderes Gespür für ihre Protagonisten, welche bis in die kleinste Nebenrolle interessant und einzigartig beschrieben werden.
Inhaltlich bildet die Fortsetzung eine in sich geschlossene Handlung, welche ohne Kenntnis des ersten Bandes gelesen werden kann. Die Story ist neu und intelligent konstruiert und bietet mit einigen unerwarteten Wendungen spannende und durchweg gute Unterhaltung.
Was Catherine Gale wirklich im Schilde führt bleibt dem Leser bis zum Ende gut verborgen und soll auch hier nicht genannt werden. Bis dahin wird der Leser mit gewohnt witzigen Dialogen, eigenwilligen Charakteren und skurrilen Situationen verwöhnt.
„Wilde Wege“ bildet eine mehr als gelungene Fortsetzung der Hexen-Chroniken.
Konnte man den ersten Band schon als außergewöhnlich bezeichnen, so gibt sich der zweite Band noch unkonventioneller und noch skurriler. Das mag vor allem an Charlie und Jack liegen. Gegen Charlie wirkt sogar Alysa häuslich und zumindest den Konventionen der Familie verschrieben.
Daß Charlie ihre Magie über die Musik wirkt, ist ein Schmankerl für Kenner der gespielten Lieder, denn die werden stets mit ironischen Bemerkungen kommentiert.
Aber auch ohne tiefgreifende Musikkenntnisse bietet „Wilde Wege“ eine geballte Ladung Humor und kurzweilige Unterhaltung.
Fazit
Dieser zweite Band der Hexenchroniken schließt in puncto Humor, einer gut durchdachten Story und der Einzigartigkeit der Charaktere nicht nur an den ersten Band an, sondern übertrifft diesen noch. Für Fans von Urban Fantasy und schwarzem Humor ein absolutes Muss. Eine intelligente, moderne, humorvolle und magische Story die den Leser bis zum Ende in Atem hält.
Diese Rezension hat Gastrezensentin Heike Salzmann geschrieben – Vielen Dank!
Evas zusätzliche Anmerkungen zum Cover
Absolut zu recht gelten die Cover des Verlags Feder & Schwert als die schönsten auf dem deutschen Phantastik-Markt. Denn sie sind stets stil- und liebevoll gestaltet, frei von Klischees und passen immer perfekt zur Story. Doch mit dem Cover von „Wilde Wege“ hat sich Oliver Graute selbst übertroffen. Denn es lebt, es rauscht, es knistert, es lockt in die Welt der Wilden Magie. Ich könnte darin mit einem Lächeln ertrinken.
Hexen-Chroniken, Band 2
Fantasy
Feder & Schwert
Mai 2014
384
Funtastik-Faktor: 90