Etikettenschwindel oder würdige Fortsetzung?
Fünfzig Jahre sind vergangen, seitdem über den USA ein Militärsatellit abgestürzte, der einen tödlich Alienvirus transportierte. Damals konnte eine Ausbreitung nur mit Mühe und Not verhindert werden und es wurde nachfolgend eine Organisation gegründet, die über die Erde wachte. Stets auf ein Anzeichen achtend, ob das Virus irgendwo erneut ausbricht. Nach einer langen Zeit, in der nichts geschah, steht das Projekt vor dem Aus.
Bis schließlich eine Drohne im Amazonasgebiet abstürzt, woraufhin sich das Virus dort ungehindert verbreitet. Es hat sich weiterentwickelt und ist damit eine noch größere Gefahr als die frühere Variante. Eine Expedition wird losgeschickt, um vor Ort die Lage zu erkunden und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Nur könnten diese zu spät kommen.
Die Fortsetzung eines Klassikers aus der Feder eines anderen
Ich habe gute Erinnerungen an „Andromeda-Tödlicher Staub aus dem All“. Es war und ist einer meiner Lieblings SciFi-Filme aller Zeiten. Dass das Werk auf dem „Andromeda“ Roman von Michael Crichton basiert, dem Schriftsteller der durch seine wissenschaftlichen Thriller wie „Dino Park“ oder „Congo“ berühmt wurde, fand ich erst heraus, nachdem ich den Film bereits kennengelernt hatte. Natürlich habe ich das Lesen des Romans nachgeholt und fand auch das Buch hervorragend.
Umso überraschter war ich, als ein Sequel zu „Andromeda“ erschien. Und auch wenn der Name des ursprünglichen, berühmten Schriftstellers groß auf dem Cover prangt, wurde das Buch nicht von ihm, sondern von Daniel H. Wilson geschrieben. Was logisch ist, da Michael Crichton bereits 2008 an Krebs verstarb.
Ein höherentwickeltes Virus
Das Sequel trägt den Titel „Andromeda-Die Evolution“, was man wortwörtlich verstehen kann. Das Virus, das einst Menschen und Plastik angriff, hat sich weiterentwickelt. Es errichtet seltsame sechseckige Gebäude und stellt augenscheinlich eine neue, gefährlichere Bedrohung dar.
Daniel H. Wilson schickt in seiner Geschichte ein Team von Experten in den Amazonas und konfrontiert sie dort mit vielen Gefahren. Die Gruppierung wird dabei aus dem Weltraum heraus unterstützt. Die Astronautin Dr. Sophie Kline agiert hier, sie leidet an der Nervenkrankheit ALS und kann deshalb ihre Beine nicht nutzen. Es ist ein interessantes, internationales Ensemble, dass im All und auf dem Boden versucht, dem Virus Herr zu werden. Geleitet von Dr. James Stone, einem Experten für Robotik und Künstliche Intelligenz, besteht das Team unter anderem aus dem Soldaten und Taikonauten Peng Wu und dem Anthropologen Harold Odhiambo.
Zehn kleine Expeditionsteilnehmer gingen in den Wald
„Andromeda-Die Evolution“ folgt dem bekannten „Zehn kleine Expeditionsteilnehmer“-Prinzip. Dementsprechend sollte man vermeiden, Lieblinge aus der Expeditionsgruppe ins Herz zu schließen, weil, bis auf ein paar Auserwählte, einer nach dem anderen ums Leben kommt. Und dies ist durchaus symptomatisch für die ganze Geschichte.
Denn Autor Daniel H. Wilson schrieb nicht gerade eine sonderlich innovative Story. Allzu oft kann man als Leser schon erahnen, wie die Handlung sich weiterentwickelt. Oder welche Geheimnisse einige Personen mit sich tragen, die dann für ihre weitere Entwicklung wichtig sind. Auch der Auftritt eines kleinen Jungen, der später zur Gruppe hinzustößt, kommt einem als ein oft verwendetes Handlungselement zur Sympathiegewinnung verdächtig bekannt vor.
Solide Abenteuer-Science-Fiction – bis zum letzten Drittel
Die Vorhersehbarkeit trübt das Lesevergnügen jedoch nur wenig. Denn die Geschichte von „Andromeda-Die Evolution“ wird spannend erzählt und bietet jede Menge Plottwists. Auch der Amazonas als hauptsächlicher Schauplatz wird effektiv genutzt, um eine unheimliche Atmosphäre aufzubauen. In der Hinsicht braucht sich der Nachfolgeroman nicht hinter dem Vorgänger zu verstecken.
Ab dem letzten Drittel jedoch baut der Roman merklich ab. Die Geschichte entwickelt sich unglaubwürdig, wird geradezu lächerlich. Es gibt einen Verräter, der gewisse Aktionen anstößt, die selbst im fiktiven und phantastischen Handlungsrahmen des Romans absolut hanebüchen wirken.
Logik über Bord geworfen
Auf einmal wirken viele Ereignisse in diesem Teil des Buchs nicht mehr nachvollziehbar, geschweige denn logisch. Sehr oft spielt der Zufall die entscheidende Rolle. Beispielsweise bei Aufdeckung der Tatsache, dass einer der Expeditionsmitglieder immun gegenüber dem Virus ist. Oder dass sich zufälligerweise wichtige Ausrüstungsgegenstände an einem gerade erst entdeckten Ort befinden.
Es ist dieses letzte Drittel, dass am Ende dafür sorgt, dass „Andromeda-Die Evolution“ längst nicht so gut gefällt, wie zu Beginn erhofft. Der Roman ist zwar keine reine Enttäuschung, aber sicher auch kein Überflieger. „Andromeda-Die Evolution“ startete als Fortsetzung von „Andromeda“ auf Augenhöhe, konnte dieses Niveau aber nicht halten.
Götz Piesbergen
Fortsetzung von Andromeda-Tödlicher Staub
Science Fiction
Heyne
April 2021
379
Geviert GBR
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Das war sehr hilfreich. Ich hatte damit geliebäugelt, das Buch zu kaufen, zumal auch Andromeda selbst in gleicher Aufmachung neu herausgegeben wurde (allerdings in der alten Übersetzung von Anno dazumal, die ich ohnehin schon habe). Da kaufe ich doch lieber etwas anderes.