Das endgültige Ende der Menschheit naht
KAMI manifestierte sich im Körper von Lukes Schwester Shiva und entwickelte die Moja der vierten Generation. Die Menschheit hat keine Waffe mehr zur Verfügung, die KAMI vernichten kann. Sollte die Lösung dieses Problems in der besonderen Beschaffenheit von Andras Pfeilen liegen, die überraschenderweise Moja der dritten Generation töten? Hinter der Segnung durch die Dorfältesten steckt eine alte, gefährliche Technologie, die vielleicht zu einer tödlichen Waffe gegen KAMI weiterentwickelt werden kann.
Der infizierte Flover und sein Freund Luke befinden auf der Flucht, doch bei Flovers Mutter, General Liza Moore, sind sie unerwünscht. Ihr letzter Zufluchtsort ist Berlin, das sie mit einem alten Auto erreichen. Denn dort gibt es eine Gruppe von religiösen Fanatikern, die Flover willkommen heißen.
Die Jägerin Andra erinnert sich daran, dass die Moja in der Sperrzone vor ihrem Heimatdorf ihrem Gesang lauschten. Sie glaubt, dass sie mit KAMI kommunizieren kann und reist nach New York, KAMIs nächstem Ziel. Zunächst scheint der Plan aufzugehen, denn KAMI im Körper des Mädchens Shiva spricht mit Andra. Doch auch dieser Versuch endet in Kampf und Blutvergießen. KAMI verschwindet, Okijen bleibt schwer verwundet und Andra verzweifelt zurück. Gibt es noch irgendeine Chance, um die Menschheit vor dem rasend evolvierenden Virus zu retten?
„Vielleicht würde irgendwann jemand kommen und ihre Häuser aus dem Boden graben, Überreste ihrer Städte finden, ihrer Brücken und Betten. Vielleicht würde jemand einen Computer oder eine Bibliothek finden, die noch intakt war. Von ihrer Kunst lernen, von ihrer Wissenschaft, von ihrer Geschichte. Vielleicht würde irgendwann jemand kommen und um die Gesellschaft trauern, die mit ihnen zugrunde gegangen war, wenn kein Mensch mehr hier war, um es zu tun. [Seite 344]
Die Weiterentwicklung der Geschichte gelingt nur bedingt.
„Cyber Trips“ schließt direkt an das dramatische Ende von „Neon Birds“ an, schaltet im Erzähltempo jedoch einen Gang zurück. Luke und Flover fliehen mit einem Flashtrain durch Südamerika bis Moskau. Dieser Zug wird als Interkontinentalverbindung mit einem Dossier eingeführt, aber ohne technische Details. Die Freunde sind hauptsächlich damit beschäftigt, persönliche Konflikte aufzuarbeiten. Warum dies ausgerechnet an dieser Stelle stattfindet, verwundert. Denn sie plagen sehr viel drängendere Probleme in ihrer höchst gefährlichen Situation.
Ähnlich ist es bei Andra und Okijen. Der Ex-Supersoldat und Rebell aus dem Auftaktband passt sich mit überraschend wenig Gegenwehr den Befehlen des Militärs an. Immerhin ergreift Andra die Initiative, Kontakt zu KAMI aufzunehmen, leider vergeblich. Trotzdem dass uns Marie Grasshoff die Infrastruktur ihrer Welt nur lückenhaft erklärt, liegen Möglichkeiten, gegen KAMI vorzugehen, auf der Hand. Warum setzt sich Andra nicht vehementer dafür ein, die Chance zur Kommunikation noch einmal zu ergreifen?
Die Virus-KI ist nun in einem Körper gefangen, wodurch sie sich nicht mehr beliebig weit durch die Welt bewegen können dürfte. Dennoch verschwindet sie spurlos und taucht irgendwo wieder auf. Warum macht sich niemand Gedanken darüber, wie das funktioniert? Und ob man sie auf diesem Weg aufhalten kann? KAMIs Fortbewegung wirkt insgesamt unlogisch. Und die einzige Option, die erwogen wird, ist weiterhin der Einsatz von Massenvernichtungswaffen. Trotz etlicher und offensichtlicher Fehlschläge. Mehr fällt den Protagonisten nicht ein, um KAMI zu stoppen, was die Story eintönig macht.
Im Mittelteil plätschert die Handlung vor sich hin und erst mit Flovers und Lukes Eintreffen in Berlin kommt wieder Abwechslung ins Geschehen. In den Auseinandersetzungen mit den religiösen Fanatikern betrachten Luke und Flover, und mit ihnen die Leser*innen, den Gegner aus einer anderen Perspektive. Auch ihre Streifzüge durch Berlin zeigen eine andere Seite des Konflikts, entdämonisieren KAMI und hinterfragen endlich das Handeln der Menschen. So gleicht die Schlussphase des Buchs die vorherigen etwas schwunglosen Kapitel aus.
Ende mit Wendepunkt und Wow-Effekt
Marie Grasshoff beendet „Cyber Trips“ mit einem krassen Wendepunkt, der nicht einmal ansatzweise zu erwarten war. Endlich scheint sich die Geschichte in eine andere Richtung zu entwickeln, was hoffen lässt, dass KAMI und die Protagonisten uns im letzten Teil „Beta Hearts“ überraschen und begeistern. Vielleicht wäre die „Neon Birds“ Reihe in einer Dilogie besser aufgehoben gewesen, als in einer Trilogie. Lesenswert ist dieser zweite Band vor allem, wegen der Dialoge mit KAMI und der zunehmenden Ambivalenz der Geschichte. Außerdem ist Marie Grasshoffs bildreiche Sprache und ihre leidenschaftliche Erzählstimme dicht am Geschehen ein Genuss. Ich erinnere mich an keinen Science-Fiction – oder Cyberpunk-Roman, der so extrem durch die Gedanken und Gefühlen der Protagonisten lebt. Eine schöne Abwechslung zu den oft eher distanzierten Erzählweisen dieser Genres.
Triggerwarnung: intensive Kampfhandlungen
Eva Bergschneider
Neon Birds, Band 2
Science Fiction (Solarpunk)
Lübbe Verlag
Mai 2020
448
Illustrationen: Mona Finden, Cover: Massimo Peter-Bille
Funtastik-Faktor: 75
Hallo liebe Eva,
O.K. dann werde ich in nächster Zeit mal Neon Birds aus meinem Regal befreien zum lesen …grins…
Denn Band 1 klingt ja gar nicht schlecht….
LG…Karin..