Das Strahlen des Herrn Helios – Meike Stoverock

Eine Welt voller genialer Ideen und ein sympathisch cleverer Detektiv mit Serienpotenzial

Das Strahlen des Herrn Helios - Meike Stoverock © Hobbit Presse, Hintergrund Abendrot Farben, Hase Skarabäus mit Hemd und Zigarette, Gorilla am oberen Bildrand, am unteren Bildrand Silhouette einer Stadt, mit Luftschiff und Katze auf dem Dach
Das Strahlen des Herrn Helios © Hobbit Presse

Hase Skarabäus Lampe arbeitet gelegentlich für den Anwalt und Fisch Freiherr von Oben. Dessen neuer Mandant ist der Gorilla Dante, der verdächtigt wird, seinen Chef, den Löwen und Zirkusdirektor Helios umgebracht zu haben. Der Beagle und Polizeiinspektor Sutten nahm ihn hauptsächlich deswegen fest, weil der Tatort nach Gorilla roch. Skarabäus Lampe hat zwar keine so empfindliche Nase wie der Hund, dafür aber die Fähigkeit, Gerüche als Farben wahrzunehmen. Und so findet er bei der Untersuchung des Tatorts schnell heraus, dass ein Hemd des Gorillas dort deponiert wurde, um ihn verdächtig zu machen. Doch wer ist wirklich der Mörder des Zirkusdirektors?

Helios wollte den Zirkus an ein Varieté Theater verkaufen, wodurch die meisten Angehörigen des Ensembles ihren Job verloren hätten. Der Löwe wurde nicht nur mit einer Garotte stranguliert, sondern zudem seiner stattlichen Mähne mit einem Rasiermesser beraubt. Lampe nimmt sich jeden einzelnen der ungewöhnlichen Zirkusdarsteller vor und erkennt, dass jede und jeder ein persönliches Motiv hatte, den Direktor zu demütigen und ins Jenseits zu befördern. Als er dem Täter zu nahe kommt, wird Teddy entführt, ein siebenjähriger Straßenkater und Skarabäus Ziehsohn und Partner. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt und bringt den blitzgescheiten Hasen an seine persönlichen Grenzen.

Die vielen liebevollen Details machen diesen Tier-Fantasy Krimi zu etwas Besonderem

„Hier oben im Porzellanlager, ist das…das könnte…ist das ein Auto?“

„Nein, das ist ein Frachtcontainer!“

„Quatsch, das ist Lox O. Donta, der Elefant, der das Nordostviertel kontrolliert. Er ist seit letzter Woche wieder frei. Aber was macht er im Porzellanlager?“

S. 153

Beim Stichwort Tierfantasy-Krimi fallen mir die Katzen-Krimis eines Autors ein, dessen Namen ich nicht nenne, weil er inzwischen eine tief narzisstische Überzeugung offenbart hat. Und Katzen-Krimis von Rita Mae Brown, die ich in den 90ern im Original verschlungen habe. Seither habe ich keine Bücher dieses Genres mehr gelesen und war gespannt, wie mir das Genre liegt. Das Buch stellte sich eine positive Überraschung heraus. Denn in „Das Strahlen des Herrn Helios” stattet die Autorin Meike Stoverock ihre Handlungswelt Überstadt mit so vielen interessanten, und innovativen Details aus, dass es eine wahre Freude ist, diese zu entdecken.

Zeitlich ist der Schauplatz nicht genau eingeordnet, vielleicht an das frühe 20. Jahrhundert angelehnt. Es gibt motorisierte Taxis, doch auch so kuriose Transportmittel wie Dreischnecks. Gut geeignet für eine Fahrt, auf der man entschleunigen und nachdenken möchte. Ein weiteres Highlight in der Infrastruktur des Landes: die Röhren der Unterpost. Ein schnelles, aber sehr unzuverlässiges Mittel, um Dokumente über größere Entfernungen zu transportieren. Derlei Erfindungen gibt es unendlich viele und alle belustigen, oder bringen uns zum Staunen. Da kann man nur den Hut ziehen vor dem immensen Ideenreichtum der Verfasserin und ihrer Fähigkeit, diese gekonnt in Setting und Geschichte einzubauen.

Menschlich und tierisch zu gleich

Mindestens genau so viel Spaß machen die Protagonist:innen. Der Hase Skarabäus Lampe ist als cleverer Analytiker der geborene Detektiv. Zuweilen sieht man ihn allerdings auch versonnen auf der Wiese Gänseblümchen und Löwenzahn genießen. Sein Auftraggeber ist ein Fisch, den ein Beatmungsgerät ein Leben an Land ermöglicht. Und der bisweilen seine Schwierigkeiten hat in einer für größere Wirbeltiere mit Beinen konzipierten Welt zurechtzukommen. Kater Teddy verabscheut das verbotene Wirbeltierfleisch. Doch trotzdem, dass er eine sichere Bleibe in Lampes Haus hat, zieht es ihn bisweilen auf Touren durch die nächtlichen Straßen rund um das Hafenviertel.  

Und auch hier: die Autorin stellt nicht nur die Hauptfiguren, sondern jeden der „Freaks“ im Zirkus, auch die vermeintlich unwichtigste Nebenfigur, so liebevoll und plausibel vor, dass man nicht anders kann, als sie sich bildhaft vorzustellen und mit ihr zu fühlen. Dabei präsentiert sie uns vielschichtige Charaktere und keine einseitig schwarz-weiß gezeichnete Figur. Sondern jede mit ganz individuellen Stärken, Schwächen und Marotten.

Ein klassischer „Whodunit”

„Das Strahlen des Herrn Helios” ist ein klassischer Whodunit – Krimi, mit einer Menge Verdächtiger. Skarabäus Lampe befragt sie alle und stellt sie uns ausgiebig vor. Was kein bisschen langweilig ist, obwohl der Krimiplot an diesen Stellen nicht gerade rasant vorankommt. Finstere Geheimnisse und spannende Details aus der Vergangenheit des Zirkusensembles erzählen ihre eigenen Geschichten, die schließlich ihr Scherflein zur Lösung des Falls beitragen. Geschickt hebt Meike Stoverock die Spannungskurve noch einmal an, als es gilt, den entführte Teddy aufzuspüren.

Fazit

Die Frage nach dem Täter fordert Lesende nun nicht wirklich heraus, allerdings tut dies dem Lesevergnügen keinerlei Abbruch. Im Finale zelebriert Skarabäus Lampe eine Show, in der er einmal mehr seinen brillanten Intellekt und seine beeindruckenden rhetorischen Fähigkeiten zeigt. Und es hat noch eine schöne Überraschung in petto. „Das Strahlen des Herrn Helios” von Meike Stoverock ist ein Tierfantasy-Krimi mit wohl dosierten Spannungsmomenten, der mit einem Feuerwerk an inspirierenden, komischen und rundum außergewöhnlichen Ideen kurzweilige Unterhaltung im besten Sinne bietet. Bitte mehr davon!

Eva Bergschneider

Das Strahlen des Herrn Helios
Meike Stoverock
Fantasy/Tierfantasy
Hobbit Presse
Juli 2022
Buch
260
Birgit Gitschier, Karte von Überstadt: Thilo Corzilius
88

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