Dämonenjagd im Dreißigjährigen Krieg
Dramatisch und voller Liebe
Im November 1618 beobachten Tagelöhner einen Kometen. Doch dass sich von ihm Stücke lösen und hinter ihnen auf der Erde einschlagen, bekommen sie nicht mit. Aus einem Erdhügel entsteigt eine angsteinflößende Kreatur mit Hörnern, Krallen und gelbgolden glühenden Augen.
1642: Köhlersohn Gustav ärgert sich über seinen Vater, der ihm einfach nicht erlauben will, sich der Protestantischen Union anzuschließen. Stattdessen muss er eine dumme Aufgabe nach der anderen erledigen. Gustav kommt vom Wasserholen nach Hause und kann nur noch seinen schwerstverletzten Vater aus dem brennenden Fachwerkhaus ziehen. Dieser verrät ihm ein Versteck im Geräteschuppen und dass Mutter und Schwester von Soldaten verschleppt wurden. Gustav macht sich auf den Weg zum Tross, um sie zu finden und zu retten. Ein Brief in schwedischer Sprache soll ihm dabei den Weg ebnen. Nur Mist, wenn der zuständige Hurenweibel, der Verwalter des Trosses, nicht lesen kann und Gustav hängen lassen will. Vor dem Galgenstrick rettet ihn der schwarze Feldscher Martin, der zufällig vorbeikommt und ihn später unter seine Fittiche nimmt.
Düster und vergnüglich zugleich
Selfpublisher Greg Walters hat mit dem ersten Band der Trilogie den Kindle Story Teller Award 2020 gewonnen. In der Laudatio zu dem Preis hieß es sinngemäß, dass er es fabelhaft verstanden hätte, eine Fantasygeschichte mit wahren Begebenheiten aus den letzten Jahren des Dreißigjährigen Kriegs zu verknüpfen. Es beginnt mit dem Winterkometen, über den bereits damals die Fachwelt palaverte, ob er denn ein gutes oder böses Omen sei oder keines davon. Walters verflicht die Schicksale seiner Protagonisten mit den Wirren des Krieges und denen der unterschiedlichen Interessenvertreter der verfeindeten Mächte.
Was als Religionskrieg begann, – Böhmen sollte rekatholisiert werden – das führte zu dem Prager Fenstersturz 1618 und weitete sich als Krieg um die Erweiterung von Territorien aus. Zu leiden hatte das Volk. Die Soldaten aller Armeen fielen wie Heuschrecken über die Ländereien her, die sie durchquerten. Schließlich hatten sie Hunger und ihre Kriegsherren waren nicht in der Lage, sie zu versorgen. Walters lässt Gustav als Zeitzeuge diese Dinge hautnah und schmerzlich erleben. Da wird den Lesenden 400 Jahre nach den Gräueltaten immer noch schlecht.
Was anders ist als in der Geschichtsschreibung: Das Eingreifen und Beschwören von Dämonen entscheidet eindeutig über Sieg oder Niederlage mit. Die Mitglieder der Kaste der schwarzen Feldschere verfügen über das Talent, Dämonen, die tags unter der Erde leben, sehen zu können, wenn sie nachts an die Oberfläche kommen. Beide Kriegsparteien haben mit Hilfe der Feldschere eine Übereinkunft mit den Dämonen getroffen. Menschen, die sich absichtlich mit einem verbinden, erwartet der Tod. So ein Pech aber auch für unseren Gustav, hat er sich doch aus Versehen mit einer Dämonendame verbunden.
Von Ehre, Liebe und Verrat
Feldscher Martin ist ein ehrenhafter Mann. Deshalb zögert er nicht, die überaus attraktive Anike aufzunehmen, die behauptet, ein ehemaliger Lehrling eines getöteten und befreundeten schwarzen Feldschers zu sein. In Wahrheit wurde sie vom katholischen Reichsgraf ausgeschickt, das Dämonenbuch Martins zu stehlen und ihn danach umzubringen.
In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Geschichte unaufhaltsam voran. Gustav und Anike lernen, sich immer mehr zu schätzen, der Feldscher Martin ist außerordentlich angetan von seinem neuen Lehrling. Sie werden zu den Friedensverhandlungen nach Osnabrück geladen, und die beiden jungen Leute decken mit Hilfe der Dämonin ein ungeheuerliches Geheimnis auf.
Walters erzählt die Geschichte in „Der Lehrling des Feldschers“ hauptsächlich aus den Perspektiven von Gustav und Anike. Sie haben beide schwere Seelenrucksäcke zu tragen. Verlust, Schmerz, Trauer auf der einen und Hoffnung, Freundschaft und Verrat auf der anderen Seite lassen die beiden Protagonisten sich entwickeln.
Das klingt alles düster und bedrohlich, ist es aber wahrlich nicht, wenn die Dämonin die Erde betritt. Besonders in der Hörbuchfassung, gesprochen von Robert Frank, sind das äußerst vergnügliche Episoden. (Wer bereits Rezensionen von mir gelesen hat, weiß, dass ich großer Robert-Frank-Fan bin. Ich bitte darum, mir ständige Lobhudeleien zu verzeihen.)
Während eines Krieges scheint es normal, dass ein Ereignis das nächste jagt. So hat der Autor eine Welt gewählt, in der er die Spannungsbögen auf hohem Niveau hält. Die Feldscher-Chroniken sind gut durchdacht, bescheren uns famose Charaktere, lassen uns Schulwissen erinnern, sind wahnsinnig spannend und machen trotz aller Kriegsschrecken einen ungeheuren Spaß.
Band 2 und 3 der Feldscher-Chroniken sind bereits erschienen und warten auf meinem Tablet auf ihre Lektüre und auf das Hören.
Amandara M. Schulzke
Die Feldscher-Chroniken
Fantasy (History)
Independently published / Ronin-Hörverlag
Mai 2020
Buch, Hörbuch
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Alexander Kopainsky
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