Eine Frage der Würde
Unteroffizierin und Staff-Sergeant Torin Kerr kann es einfach nicht lassen, sich bei den „Oberen“ Militärs unbeliebt zu machen. Nach ihrem Einsatz auf dem Planeten Silsvah erwartet sie daher nicht etwa Urlaub oder gar eine Belobigung, sondern gleich der nächste Einsatz. Die Erkundung eines Alien-Raumschiffs steht an. Torin und einer ihr unbekannten Truppe von Marines wird diese anvertraut. General Morris leitet den Einsatz und Captain Travik vom Volk der Krai wird der Staff-Sergeant als Offizier vor die Nase gesetzt. Eine politische Konzessionsentscheidung, um der Forderung der Krai nachzukommen, mehr Angehörige ihrer Spezies in der militärischen Führung zu positionieren. Was nicht gerade eine ideale Ausgangslage für die Zusammenarbeit ist. Dass außer Wissenschaftspersonal und einem Bergungsunternehmer auch noch die Presse mitfliegt, um den heldenhaften Einsatz des Captains ins strahlende Licht zu rücken, macht die Sache nicht besser.
Eine Explosion bei der Ankunft am „Gelbe Riesen“, wie das Alien-Raumschiff aus naheliegenden Gründen genannt wird, fordert Leben und zerstört die Möglichkeit einer schnellen Rückkehr zum Mutterschiff der Flotte, der Berganitan. Torin Kerr muss ihre Marines und das Zivilpersonal zu einer anderen Luftschleuse führen, die etliche Schiffsebenen tiefer liegt. Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Gelbe Riese ständig verändert; er präsentiert seinen Gästen Örtlichkeiten aus deren Erinnerungen. Schlussendlich tritt der Feind auf den Plan, die Käfer. Offenkundig sind sie in einer ähnlich prekären Lage, wie das Erkundungsteam der Föderation.
Zermürbendes Patt statt Pew Pew Pew
Wer Military-Science Fiction liest, erwartet einen gewissen Anteil an Verherrlichung von Militärstrukturen, den Glauben an Gehorsam, Kameradschaft, Ehre und Patriotismus. Ohne diese Aspekte kommt auch die „Torin Kerr“ Reihe nicht aus. Immerhin verkörpert die Protagonistin einen gewissen Hang zum Widerstand gegen inkompetente Obrigkeiten. Diese bringt sie auf ihre Weise zum Ausdruck, wirklich zur Wehr setzt sie sich natürlich nicht. Trotzdem haben wir es in „Die Klügere gibt nach“ keineswegs mit einer einseitig verklärten Darstellung militärischer Erfolge zu tun.
Die Vita der Autorin Tanya Huff beschreibt, dass sie einst als Köchin bei der Canadian Naval Reserve gearbeitet hat. Vielleicht schreibt sie aufgrund eigener Erfahrungen so authentisch darüber, was in Schlachten passiert, wenn gerade keine heldenhaften Attacken über Sieg oder Niederlage entscheiden. Zum Beispiel über Pattsituationen, in denen zwar gekämpft wird, aber keine Partei einen taktischen Vorteil erreicht. Der überwiegende Teil der Kampfhandlungen spiegelt derartige Situationen wider: agieren, reagieren, zermürbendes, zähes Vorankommen.
Zu Anfang setzen sich Torin, ihre Marines und Zivilist:innen mit der seltsamen Verwandlungsfähigkeit des Alienschiffs auseinander, im späteren Verlauf der Handlung mit Kampfsituationen gegen den Feind. So selbstsicher und ihrer Stärken bewusst die Marines auch auftreten, es ist immer klar, dass umsichtiges Taktieren und Teamwork eher den Erfolg garantieren als Heldentaten. Die gibt es natürlich. Jedoch ebenso eine Figur, die zumindest manchmal die militärische Vorgehensweise hinterfragt.
Aus verschiedenen Perspektiven nicht immer nachvollziehbar erzählt
Neben der Authentizität ist die Dynamik der Erzählung einer der Pluspunkte des Romans. Überwiegend verfolgen wir das Geschehen aus Torins Perspektive, oftmals aber auch aus der verschiedener Marines, was einen interessanten Blick auf die Sichtweise der unmittelbar an der Front Kämpfenden ermöglicht. Zwei hartgesottene Di Taykaner Kampfpiloten oder der Bergungsunternehmen Ryder kommen ebenfalls zu Wort. Vor allem letzterer liefert sich mit Torin kontrovers unterhaltsame Wortgefechte und liefert manche wertvolle Idee.
„Ja, nachdem es [das Alienschiff] mit einer Explosion den Großteil des Wissenschaftsteams getötet hatte.“ „Ich glaube, das war keine Absicht“, sagte Ryder plötzlich. „Vermutlich hat es ihren Captain und die Reporterin gerettet, weil sie als einzige nicht sofort tot waren. Ich glaube weiterhin, dass es die Staff Sergeant und mich von Ihnen anderen getrennt hat, weil wir in Gefahr waren. Jetzt dürfte es herauszufinden versuchen, wer und was wir sind.“
S. 213/214
Huff gelingt überwiegend den Erzähler:innen individuelle Stimmen zu verleihen. Was jedoch oft nicht gelingt, ist die Abgrenzung der Passagen, in denen die Perspektive wechselt. Oftmals beginnen sie mit Dialogen, ohne dass ersichtlich ist, wer hier gerade spricht. In den so beschriebenen Details verzettelt sich die Autorin. Nicht nur die Erzählstruktur wirkt unübersichtlich, auch der Grad an Detailverliebtheit ist bisweilen zu viel des Guten. Nicht jeder Blick auf ein bestimmtes Problem bringt die Geschichte weiter, da das Gesamtbild fehlt.
Chance auf Menschlichkeit verschenkt
Die Rätsel, die das Alienschiff den Marines und Zivilist:innen aufgibt, hätten den Plot mühelos bis zum Ende getragen. Die Kämpfe in den Pattsituationen – im All die Jäger der Föderation gegen die des Feinds, im Gelben Riesen Marines gegen Käfer – hätten ebenfalls genügend Entwicklungspotenzial und Action geboten, um bis zum Ende spannend zu unterhalten. Das Finale bietet schließlich eine Überraschung, leider keine, die den Abschluss der Geschichte gehaltvoller gestaltet. Es geht erneut um die politischen Winkelzüge der Militärführung und Torin Kerr entscheidet sich völlig unnötigerweise dafür, dieses Ziel auf spektakuläre Art zu erfüllen. Leider ohne die Würde aller intelligenten Spezies zu berücksichtigen, die ebenfalls für Unsympathen und gerade für Sterbende gelten sollte. Anstatt Menschlichkeit zu beweisen, erlaubt sie sich einen perfiden Scherz an die Eitelkeit der Militärs.
Bis kurz vor dem Finale ist Band zwei der „Torin Kerr“-Reihe „Die Klügere gibt nach“ solide Military SF für Lesende, die keine ausufernden Space-Schlachten brauchen, um sich gut unterhalten zu fühlen. Sondern eher Spaß am detaillierten Story-Aufbau rund um ein multispezistisches Militärbündnis und taktischen Manövern im Kampf haben. Bedauerlicherweise kostete mich das abstoßende Ende einen Gutteil des Lesevergnügens, sowie einige Sympathiepunkte für die Protagonistin.
Eva Bergschneider
Torin Kerr Serie "Confederation", Band 2
Science Fiction, Military
Plan 9 Verlag
Oktober 2021
Buch
470
Christl Glatz, Agentur Guter Punkt
63