Diebe der Nacht – Thilo Corzilius

Ein charismatischer Held, eine faszinierende Welt und ein genialer Plan – fast perfekt.

Diebe der Nacht - Thilo Corzilius © Hobbit Presse
Diebe der Nacht © Hobbit Presse

Sie nennen sich „Die Herbstgänger“, eine Truppe von sieben Schauspielern mit ihrem fahrenden, mechanischen Theater. Tagsüber treten sie vor Publikum auf, in der Nacht bestehlen sie die Reichen und Mächtigen.

Doch als sie in die Lagunenstadt Mosmerano kommen, geraten Dinge außer Kontrolle. Der Magier Aurinius von Veelyn tötet zwei Mitglieder ihrer Truppe, entführt ein weiteres und zerstört das Theater. Die Überlebenden zwingt er, ihn bei einem irren Plan zu unterstützen. Doch insgeheim planen diese unter der Führung ihres genialen Anführers Glin Melisma Rache. Und gleichzeitig am Ende mit mehr als reichlich Reichtum aus der Misere `rauszukommen.

Die Lagunenstadt Venedig lässt grüßen

Mit „Diebe der Nacht“ liegt der aktuelle Roman von Thilo Corzilius vor. Hier beweist der Schriftsteller, dass er sich darauf versteht, eine lebendige und abwechslungsreiche Welt zu kreieren. Die Stadt Mosmerano hat außer den Lagunen noch weitere Ähnlichkeiten mit Venedig, was Gebräuche und Sitten der Einwohner angeht. Gleichzeitig baut der Autor mehr als genügend eigene Ideen in das Stadtbild und die Lebenskultur ein, um die Metropole eigenständig wirken zu lassen.

Es sind viele kleine Details, die dazu beitragen, dass die Welt dieses Romans so interessant wirkt. Die Religion, die hier vorherrscht, die Währung und wie die Magie funktioniert. Solche Feinheiten verdeutlichen, wie viele Gedanken und Ideen in die Gestaltung der Welt in „Diebe der Nacht“ geflossen sind.

Ein genialer Protagonist

Gleichzeitig ist die Story des Buches eine klassische Heist-Geschichte, wie man sie beispielsweise von Filmen wie „Ocean’s 11“ kennt. Ein Diebstahl wird geplant und selbstverständlich läuft nicht alles glatt. Es macht Spaß zu lesen, wie Glin Melisma verwegene Pläne entwirft, die eigentlich absolut wahnsinnig sind. Nur um dann festzustellen, dass er teilweise sehr weit vorausgedacht hat und so manche Situation, in der er hoffnungslos unterlegen scheint, zu seinen Gunsten dreht.

Dabei helfen ihm seine Geistesschärfe und seine Kameraden, die ihn unterstützen. Allen voran ist die Schwertfechterin Yrrein de’Faey seine wertvollste Hilfe. Ebenso wie das Skyldar-Artefakt (eine ausgelöschte Rasse mit mächtigen Fähigkeiten) „Schönheit“ für seine Pläne durch nichts zu ersetzen ist.

Thilo Corzilius gestaltet seine Story abwechslungsreich, indem er wiederholt Plottwists einbaut, die alles auf den Kopf stellen, was zuvor geschah. Figuren sterben oder werden handlungsunfähig gemacht. Vorteile lösen sich in Luft auf und Verbündete entpuppen sich als nicht zuverlässig. Dadurch hält er die Story in Gang und sorgt dafür, dass man als Leser am Geschehen dranbleibt.

Was notwendig ist. Denn auch wenn die Geschichte in „Diebe der Nacht“ viele Stärken hat, so hat sie eine enorme Schwäche. Und das ist die Charakterarbeit in Bezug auf die Nebenfiguren und des Antagonisten.

Schwache Nebenfiguren

Die Herbstgänger bestehen aus sieben Mitgliedern. Von denen werden allerdings nur drei wirklich charakterisiert und einer davon ist tot. Von dem Rest erfährt man nur, wie sie zu der Truppe hinzustießen und was sie mit der Bande verbindet. Doch darüber hinaus spielen sie kaum eine Rolle, in der Kernhandlung wirken sie nebensächlich. Und das führt dazu, dass man nichts fühlt, wenn einige Mitglieder des Trupps sterben, sie sind einem schlicht egal. Der Fokus liegt einfach viel zu sehr auf Glin, der mit seinen Ideen, seinen Sprüchen, seinen Plänen und Aktionen alles überstrahlt.

Ähnlich blass bleibt der Antagonist. Zwar taucht Aurinius von Veelyn regelmäßig auf und sorgt für Unruhe. Doch im Vergleich zu dem aktiven Glin ist er zu passiv. Er überlässt das Handeln lieber den „Herbstgängern“. Sporadisch taucht er auf, beweist seine Überlegenheit und verschwindet dann wieder. Was zurückbleibt, ist sein Schatten, sein Einfluss auf Glins Planungen. Da hätte man sich mehr gewünscht, mehr Aktivität und mehr Hintergrund. Einige Informationen über Aurinius streut der Autor gelegentlich ein, was aber nicht ausreicht, um ihn zu einem Antagonisten zu machen, der dem Protagonisten auf Augenhöhe begegnet. Da fehlt einfach noch das gewisse Etwas.

Bitte mehr aus dieser Welt

Letzten Endes ist „Diebe der Nacht“ ein guter, wenn auch kein überragender Roman. Was man sich allerdings als Leser nach dem Durchlesen wünscht, wäre eine Rückkehr in die Welt der Geschichte. Denn das Ende deutet einige interessante Themen an, über die man gerne mehr erfahren möchte.

Götz Piesbergen

Einen weiteren Artikel zu „Diebe der Nacht“ von mir (Eva) findet ihr in der Oktober-Ausgabe der Tolkien Times.

Diebe der Nacht
Thilo Corzilius
Fantasy
Hobbit Presse
September 2020
479
Birgit Gitschier

Funtastik-Faktor: 76

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