Erfrischender als der Vorgänger
Dr. Madeleine Maxwell, besser bekannt unter dem Namen Max, ist Geschichtswissenschaftlerin. Als solche beschäftigte sie sich während und nach ihrem Studium mit historischen Ereignissen, wälzte Quellen und Hypothesen, ohne der Wahrheit aber je wirklich nahe gekommen zu sein.
Moment, das stimmt jetzt nicht so ganz. Zum Glück arbeitet sie für das Institut für Historische Forschung, im St. Mary´s-Institut. Dort untersucht sie größere historische Ereignisse in zeitgenössischer Umgebung. Um Himmels willen, nennt dies bitte nie eine „Zeitreise“, denn dann wären die Offiziellen ‚not amused‘.
Nun gibt es ein Problem – na gut, nicht nur eines, sondern derer viele. Das wichtigste ist: dem St. Mary´s Institut geht das Geld aus. Ein Tag der offenen Tür soll ein wenig Kleingeld in die Kassen spülen. Ein Ausflugsangebot zur brennenden St. Pauls Kathedrale – der ersten versteht sich –verspricht das Renommee und Bankkonto des Instituts aufpolstern.
Wie gewohnt geht so gut wie alles schief: eine Leiche, eine Einschusswunde in der Stirn und Überraschung – ein Hinterhalt. Und schon steht unsere Historikerin ohne ihr wissenschaftlich geschultes Personal und zudem immer noch ziemlich pleite da.
Eine neue Mission muss her, eine mit möglichst geringen Gefahren. Florenz im Jahr 1497, als Botticelli einige seiner Gemälde dem religiösen Scheiterhaufen übergibt, scheint der Zeit und Ort der Wahl zu sein. Drei Gemälde des Künstlers gilt es vor dem Scheiterhaufen zu bewahren. Und, wie erwartet, funktioniert nichts so wie geplant, zumal es Max dann auch noch zu den Spartanern verschlägt.
Fetzt in der Vergangenheit, schwächelt in der Gegenwart
Zunächst sei ein kleiner Hinweis gestattet. Der Verlag offeriert seit Weihnachten 2021 eine weitere Kurzgeschichte „Doktor Maxwells winterliches Zeitgeschenk“ als eOnly. Wiederum free of charge und zeitlich genau vor diesem Roman spielend.
Nun also zum fünften von bislang im Original elf Titeln um St. Mary’s und unsere wackere Historikerin.
Die ersten rund 100 Seiten nutzt Jodie Taylor dafür, uns eine durchaus interessante Geschichte zu erzählen, die bis auf den Ort der Handlung nur wenig mit dem späteren Roman zu tun hat. Diese Novelle hat genau das, was dem letzten, dem vierten Roman „Doktor Maxwells wunderliches Zeitversteck“ so sehr gefehlt hat – Pepp, Tempo und eine innere Logik. Wird die Autorin die Dynamik im Rest dieses doch recht umfangreichen Werkes aufrecht halten können?
Nun, „Miss Maxwells spektakuläre Zeitrettung“ unterhält wieder besser als sein Vorgänger. Immer dann, wenn die Autorin uns in die Vergangenheit entführt, wenn sie in sorgfältig recherchierten geschichtlichen Fakten rühren darf und uns mit ihrer Begeisterung für die Historie ansteckt, dann läuft sie zu Höchstform auf. Weit weniger überzeugend präsentiert sie dagegen die Vorkommnisse in der Jetztzeit, die sich zumeist mit Gewaltexzessen von Max‘ mannigfaltigen Gegnern sowie mit Problembewältigung, zwischenmenschlicher oder finanzieller Natur, beschäftigen. Diese zwar notwendigen, aber zu ausführlichen Rahmenhandlungen gehören gekürzt. Der Leser (m/w/d) will von der spürbaren Begeisterung für die Vorgänge in der Geschichte getragen, ja mitgezerrt werden. Hier liegen unbestritten Jodi Taylors Stärken. Und wenn sie diese ausspielt, dann wird es so richtig interessant. Dass sie dabei Diversität als Selbstverständlichkeit in ihren Plot einfließen lässt, sei erwähnt, es ist aber nicht wirklich wichtig. Ist dies in Taylors Werken wie im wirklichen Leben ein gewohntes Bild.
Fazit
Band fünf der „St. Mary’s Chroniken“ liest sich zwar wieder erfrischender, als Band vier, reicht aber noch nicht wirklich an die begeisternden früheren Bände (zum Beispiel Band 2 und 3) heran. Nun, die Autorin und ihr deutscher Verlag haben ja noch einige Fingerübungen in Petto. Warten wir ab, ob Jodi Taylor die Schwerpunkte das nächste Mal wieder eindeutiger in der Vergangenheit setzt.
Carsten Kuhr
St. Mary's Chroniken, Band 5
Fantasy
Blanvalet Verlag
Januar 2022
Buch
496
Isabelle Hirtz
76