Dramatische Urban-Fantasy an einem faszinierenden, leider kaum genutzten Schauplatz
Berlin in den 20er Jahren des letzten Jahrtausends. Die Metropole gehört zu den angesagtesten, ach was sage ich, vielmehr ist sie die angesagteste Hauptstadt der Welt. Die Schönen, die Reichen, die Sternchen und Stars zieht es an die Spree, New York, London und Paris blicken neidisch nach Deutschland.
Es ist die Zeit des Jazz. Die sogenannten Flappermädchen, junge Frauen mit kurzen Haaren, kurzen Röcken und Absatzschuhen, genießen ihr Leben. Sie halten sich nicht an das überholte Frauenbild, sondern trinken Alkohol, rauchen und tanzen die Nächte durch.
Dies ist die Geschichte zweier Freundinnen. Isme und Cassie sind lebenslustig, machen die Nacht zum Tage und suchen und finden ihr Vergnügen. Dabei nutzen sie ihre besonderen Kräfte. Beide sind etwas, von dessen Existenz Otto Normalverbraucher keine Ahnung hat – Succuben. Mittels ihrer Magie bezirzen sie Männer. Auf einer Party in einem der vielen Nobelhotels der Hauptstadt lernt Isme den Pianisten Maximilian kennen. Ein junger Mann, den sie für eine Nacht beglücken möchte. Als er sie in den Keller des Hotels führt, ahnt sie nicht, dass sie dort das Reich der Brukolák betritt.
Diese sehen aus wie Menschen, doch sie sind viel stärker, wendiger, schneller. Geschöpfe der Nacht, die sich vom Blut Unschuldiger ernähren. Von ihren Prednikas, den Anführerinnen des Clans, werden sie auf Nahrungssuche geschickt. Und die schwangere Clanführerin will derzeit nur Eines: das Blut der Succuben. Die Zuneigung, die Liebe, die zwischen Isme und Maximilian aufblüht, ist nicht wichtig. Die Anführerin legt Maximilian einen magischen Zwang auf, ihr Flapperblut zu beschaffen. Koste es, was es wolle.
Originelle Spezies und dramatisches Finale
Tanja Karmann legt in „Flapperblut“ einen etwas ungewöhnlichen Urban Fantasy Plot vor. Das Besondere an ihrem Roman sind nicht so sehr die an gängige Vampire erinnernden Brukolák, sondern der Handlungsort, sowie die Succuba.
Allerdings bleibt jene, eigentlich faszinierende Bühne des Berlins der 20er Jahre nahezu ungenutzt. Statt uns hier mit Lokalkolorit und der Stimmung der Roaring Twenties zu verwöhnen, bleibt die Autorin sehr an der Oberfläche dieser Welt. Die herben sozialen Unterschiede zwischen den Reichen, die jede Nacht ihre rauschenden Feste feiern und den vielen darbenden Arbeitslosen, fließen kaum in die Geschichte ein. Hier wurde leider Potential verschenkt.
Interessanter gestaltet Karmann die nicht ganz alltäglichen Succuben und auch die Brukolák. Beide Spezies weisen eine ungewöhnliche Magie auf und die Beziehung, die zwischen Opfer und Häscher entsteht, wird glaubwürdig entwickelt. Die Jagd der Brukolák nach dem Blut der Succuba, die Kraft der Liebe, die sich der Magie in den Weg stellt und die Pläne der Prednikas treiben die Handlung etwas vorhersehbar voran.
Fazit
Letztlich blieb bei mir von der Lektüre ein ambivalentes Gefühl zurück, schon aufgrund der viel versprechenden und einfach zu wenig genutzten, Bühne. Die Handlung spielt in einer Zeit, die uns, obzwar gar nicht so lange her, wesentlich weniger vertraut ist als die Viktorianische Ära. Hier hätte ich mir mehr Hintergrund und Substanz gewünscht. Andererseits ist darin die Love-Story zweier magischer Wesen eingebettet, deren Zusammenkommen von außen gestört und hintertrieben wird. Gut inszenierte Dramatik findet sich besonders im letzten Viertel des Romans. Große, tragische Gefühle prägen die Atmosphäre der Schlussszenen in „Flapperblut“ bevor schließlich – doch lest einfach selbst.
Carsten Kuhr
Fantasy (Urban)
Lindwurm Verlag
Oktober 2022
Buch
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Mi Ha
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