Skandal hin oder her – das Empire weiß Lady Trents Kenntnisse über Drachen zu nutzen.
Isabella Camherst, alias Lady Trent, hat die viktorianische Gesellschaft geschockt. Statt ihre Ballkarte zu füllen, sich einen Adeligen aus angesehener Familie zu angeln und fürderhin als Ehefrau über das Anwesen, die Familie und die Bediensteten zu wachen, will sie ihren Kopf doch tatsächlich zum Denken nutzen! Sie will sich partout nicht auf Teegesellschaften und mit dem Stricken verlustieren, sondern reist lieber weit in die Welt hinaus. In Beinlinge gekleidet – welch ein Affront – frönt ihrem Faible für die Erforschung der Drachen.
Mittlerweile hat sie schon einige wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht und sich langsam aber stetig als Forscherin einen Namen gemacht. Trotzdem wird ihr weniger Anerkennung entgegen gebracht, als den männlichen Kollegen. Da tut es gut, dass das Militär nicht an ihr vorbeikommt, als es darum geht, den Vorsprung des Erzfeindes aufzuholen. Eine Drachenzucht soll das Empire wieder auf Augenhöhe mit den fernöstlichen Konkurrenten, den Yelangesen, heben. Es geht darum, die leichten, stabilen Knochen der Echsen zum Bau von Luftschiffen in ausreichender Anzahl zu beschaffen.
Isabellas Auftrag lautet schlicht, zu erforschen, wie eine erfolgreiche Drachenzucht betrieben werden kann. Und wo kann der Forscher, pardon, die Forscherin das am besten tun? In Akhien, dem Land der wilden Beduinenstämme, der Kamele und der Wüsten. Hier, im unwirtlich heißen Bergland leben die Drachen, paaren sich und brüten ihren Nachwuchs aus. Dass sie bei ihrem Vorhaben auf Gegenwind stoßen würden, war den Forschern bekannt. Dass sie es aber mit Mordanschlägen und Entführungen zu tun bekommen, war nicht vorhersehbar. Gut, dass unsere wackere Forscherin wenigstens einen Trost findet …
Der vierte Band der Memoiren von Lady Trent punktet mit den aus den ersten Teilen bekannten Stärken.
Einerseits durch eine tapfere, starke Frau, die bereit ist ihrer Passion fast alles zu opfern, andererseits durch eine Fantasy-Welt, die der unseren während des Jahrhundertwechsels zwischen 1880 und 1900 sehr ähnelt. Unschwer erkennen wir Länder und Machtgruppen, wobei die Autorin Marie Brennan immer wieder geschickt wenige aber bedeutsame Änderungen einfügt.
Vorliegend geht es in den Nahen Osten, ins Reich der Kalifen und Scheichs. Allerdings bleibt diese Kulisse, erstmals bei den Romanen um Lady Trent, recht diffus. Die ewige Weite der Wüste wird kaum thematisiert, stattdessen greift die Autorin zum Teil auf abgegriffene Platituden um die Wüstenstämme zurück. Hier hat Brennan schon weit überzeugender über Einheimische, die der Lady bei ihren Forschungsreisen begegnen, erzählt.
Dennoch hat der Roman Potential. Dadurch dass sie weitestgehend ohne dramatische Actionszenen auskommt, hat die Autorin den Raum, ihre Figuren weiterzuentwickeln. Und nutzt diesen.
Dezent kommt etwas Romantik in die Handlung. Im Vergleich zu dem, was unsere Erzählerin en passent über die Politik und die Drachenkunde zu sagen hat, überrascht oder fasziniert dieser Aspekt jedoch nicht sonderlich. Das Werk punktet im Bereich der Intrigen und der realistisch und anschaulich beschriebenen Forschung. Es bietet den Lesern einen ungewohnten Einblick in fremde Kulturen, geprägt vom viktorianischen Zeitgeist und aus dem Blickwinkel einer neugierigen Frau betrachtet. So bietet „Im Labyrinth der Draken“ einmal mehr erhellende, amüsante Unterhaltung, auch wenn das Niveau der Vorbände nicht ganz erreicht wird.
DANKE für die Besprechung an Gastrezensent Carsten Kuhr
Lady Trents Memoiren Band 4
Fantasy
Cross Cult Verlag
November 2018
384
Funtastik-Faktor: 86