Abstruse Ideen in einem glaubwürdigen Space-Thriller
Gehören auch Sie zu den Menschen, denen Spinnen eine urwüchsige Angst einjagen? Diese kleinen Wesen, die uns eigentlich wirklich nichts tun können und dennoch. Die acht Beine, der Kugelkörper und die Mandibeln, sie ekeln uns. Sie lassen so manchen Zeitgenossen schreiend das Zimmer verlassen oder nach dem Staubsauger greifen.
Nun stellen sie sich einmal vor, dass die Spinne groß ist. So groß, wie ein Kleinwagen vielleicht. Intelligent dazu, ausgestattet mit Schwertern aus Chinin – puh, weg, nur weg. Doch wenn eine solche Spinne den letzten überlebenden Menschen, ein kleines Mädchen, bei sich aufnimmt und als eigenes Kind liebevoll aufzieht?
Sarya, unser Menschenkind, muss sich verstecken. Nicht, dass die zigtausend intelligenten Rassen, die miteinander im Alien-Netzwerk verbunden sind, wirklich wüssten, wie ein Mensch tatsächlich aussieht. Aber sie muss ihre Intelligenz verbergen, damit nicht irgendjemand auf die Idee kommt, dass sie ein Mensch sein könnte. Ein Mensch zu sein ist potenziell tödlich. Zusammen mit ihrer Pflegemutter, besagter Spinne Shenya, lebt sie undercover auf der von hunderten Völkern bewohnten Watertower-Raumstation. Eines Tages kommt jemand, der gezielt nach ihr sucht.
Kurze Zeit später ist Shenya tot, die Raumstation vernichtet und Sarya an Bord eines Raumschiffs unterwegs, um die letzten überlebenden Menschen zu suchen. Und um die Wesenheit, die die Menschheit erschaffen hat, kennenzulernen. Fürchten muss sie diese nicht, eher andersrum: Vom letzten Menschen, sozialisiert vom Volk der Witwen, geht Gefahr aus.
Der letzte Mensch als Zögling einer Riesenspinne und ein Netzwerk von Alienvölkern in der Galaxis – ein außergewöhnlicher Mix
Wir kennen das ja, ein Held, hier ist es eine Heldin, als letzte Überlebende einer Spezies und dazu ausersehen, das Universum zu retten. Doch in Zack Jordans „Last Human – Allein gegen die Galaxis“ geht es ein wenig anders zu, als gewohnt.
Zu Beginn ist alles mehr oder minder im grünen Bereich. Ein Menschenkind wird von einer intelligenten Spinne adoptiert und im Verborgenen aufgezogen. Dass die Menschheit als eine der ersten Spezies die Aufnahme in die Galaktische Gemeinschaft verweigert hat, sprengt nicht unbedingt den gewohnten Rahmen. Auch dass sie dafür angegriffen und vernichtet wurde, hat man schon öfter gelesen.
Interessanter ist da schon die beschriebe Verbindung der Spezies über ein neurales Netzwerk, das permanent online ist und seit Jahrtausenden verheerende Kriege zwischen den Völkern verhindert. Das Zusammenleben in der Galaktischen Gemeinschaft, beschrieben in schillernden, einprägsamen Bildern, wirkt durchaus überzeugend auf den Rezipienten. Dass aber Zack Jordan dann seinen Fokus immer weiter und weiter spannt, es über eine Raumstation zu verbundenen Systemen und tief in die Galaxis geht, die dazu noch bedroht wird. Hier wird Kreativität von selten erreichtem Niveau geboten und zugleich schwerer Tobak.
Interessanterweise nimmt der Leser dem Autor auch dieses abstruse Szenario ab. Ein junges Menschenmädchen, auf- und erzogen als Spinne, entscheidet über das Wohl und Wehe des Universums und steht dabei vor einer unmöglichen Entscheidung (mehr wird nicht verraten). Das ist tatsächlich anders, das ist neu, interessant und faszinierend. Selbst Lesen lautet meine Empfehlung an alle Fans von abstrusen SF-Ideen in einem glaubwürdigen Space-Thriller.
Carsten Kuhr
Science Fiction
Heyne
Oktober 2020
542
Das Illustrat
Funtastik-Faktor: 78