Necromancer – Martha Wells

Aufregender Mix aus Steampunk, Dark-Fantasy und Detektivgeschichte

Necromancer © Heyne
Necromancer © Heyne

In deutscher Erstveröffentlichung präsentiert der Heyne-Verlag Martha Wells´ Roman „Necromancer“, der im Original den Titel „The Death of the Necromancer“ trägt. Die Texanerin veröffentlichte mehrere Fantasy- und Science-Fiction Romane, z. B. die „Ile-Rien“-Fantasy-Trilogie und Bücher zur TV-Serie „Stargate-Atlantis“. Viele Werke der Autorin wurden in mehrere europäische Sprachen übersetzt. Erreicht uns mit „Necromancer“ nun ein bislang vorenthaltenes Highlight der Phantastik-Literatur?

Die Spur führt in die Vergangenheit und zu dunkler Magie

Als Nicholas Valiere, alias Donatien der Einbrecher, in den Keller des Hauses Mondollot eindringt, findet er das gestohlene Gold, das er seinem Erzfeind Montesq unterschieben will. Allerdings war jemand schon zuvor dort und hat Geister zurück gelassen, denen Nicholas und seine Gang nur mit knapper Not entkommen.

Madeline beobachtet zur selben Zeit auf dem Empfang der Duchess von Mondollot, wie ein Spiritist die Hausherrin zu einer Seance mit ihrem verstorbenen Gatten überreden will. Noch überraschender ist, dass dieser Dr. Octave wenig später versucht, Nicholas zu töten. Stattdessen wird der Angreifer nieder gestreckt – und löst sich in Luft auf. Jemand hat einen Golem nach dem Vorbild des Spiritisten erschaffen.

Dr. Octave lässt auf seinen Sitzungen mit Hilfe einer Kugel verstorbene Personen erscheinen. Dieses magische Instrument baute Edouard Viller, Nicholas Ziehvater. Count Montesq hatte den Philosophen der Nekromantie, der Kunst mit Hilfe von Menschenopfern Geister zu beschwören, beschuldigt und hinrichten lassen. Doch wie kam dieser fadenscheinige Betrüger Octave zu Edouards Erfindung? Als im Unterschlupf des Spiritisten die sterblichen Überreste nekromantischer Rituale gefunden werden, erhärtet sich ein schlimmer Verdacht. Im Hintergrund zieht ein dunkler Magier die Fäden, um sich die absolute Macht in Ile-Rien anzueignen.

Detektivgeschichte und Schauerroman

In der Stadt Vienne erleuchten Gaslampen die vornehmen Herrenhäuser, in denen der Adel prunkvolle Empfänge feiert, während in den ärmeren Vierteln der Verfall und die Kriminalität das Straßenbild bestimmen. Der Schauplatz Ile-Rien vereinigt in sich das viktorianische Zeitalter und die literarische Welt Englands im 19. Jahrhundert. Martha Wells beschreibt Vienne als eine Stadt, die den Leser an das London Sir Arthur Conan Doyles erinnert und durch Magie ein phantastisches Antlitz à la „Frankenstein“erhält. Und genauso baut die Autorin auch die Handlung in „Necromancer“ auf, denn sie untermalt ihre klassische Detektivgeschichte mit Horror-Elementen

Ein interessantes Dreiergespann steht im Mittelpunkt des Geschehens. Nicholas Valiere verfolgt als Kopf der Gruppe verbissen einen Racheplan an dem Mann, der seinen Ziehvater umbringen ließ. Unterstützt wird er von dem homosexuellen Ex-Kavalleristen Reynard Morane, der als moralische Instanz fungiert und seiner Geliebten, der Schauspielerin Madeline Denare, die unfreiwillig ihre magischen Talente mobilisiert.

Anders als in klassischen Fantasy-Erzählungen, sind die Zauberer Ile-Riens eher tragische Figuren, die auf einer ständigen Gradwanderung den Verlockungen der dunklen Magie ausgesetzt sind. Einigen gelingt es nicht, zu widerstehen, andere tauchen unter oder gehen an diesem Zwiespalt zugrunde

Ein Phantastik Ü-Ei: spannend, gruselig und mit Humor erzählt

Der Schauplatz der Erzählung, eine von Untoten und Monstern belagerte Stadt, strahlt eine düstere Atmosphäre aus. Die Handlung in „;Necromancer“ wird dagegen locker und mit schlagfertigen Dialogen erzählt:

Montesq lächelte, ohne die Ungezogenheiten der Halbwelt […] im Geringsten zu beachten.
„Mein Agent wird sich mit ihrem Unternehmen in Verbindung setzen, Valiarde.“
„Wie Sie wünschen.“ Auch Nicholas setzte ein sanftes Lächeln auf.
Nachdem sich Montesq verabschiedet hatte […], wandte sich Madeline mit ernster Miene an Nicholas. „Manchmal finde ich Deine Selbstbeherrschung erschreckend.“
„Danke.“ Er prostete ihr zu, obwohl er nicht glaubte. dass sie es als Kompliment gemeint hatte.
„Ich persönlich fand Dich ungefähr so subtil, wie einen Büffel“, warf Reynard trocken ein. „Ist mir was entgangen?“

Martha Wells führt die Szenerie Ile-Riens mit detailverliebten Bildern ein. Sie erzählt ihre Geschichte aus der eingeschränkten Perspektive gerade handelnder Person, Ereignisse an anderen Schauplätzen werden dem Leser zunächst vorenthaltenen. Dadurch hat man das Gefühl, die Figuren durch die Schreckensszenarien zu begleiten, während sie die Geheimnisse entschlüsseln. Der Spannungsbogen steigert sich zu einem gruseligen Höhepunkt, der vielleicht ein wenig überzeichnet wirkt. Auf den letzten Seiten setzt die Autorin allerdings mit einer gewitzten Pointe noch eins drauf und löst alle offenen Rätsel. „Necromancer“ ist ein packendes und mystisches Werk, das Leser unterschiedlicher Genrerichtungen anspricht, neben Liebhabern des Steampunk kommen auch Horror-, Fantasy- und Krimi-Fans auf ihre Kosten. Den Namen dieser Autorin sollten sich die Leser moderner Phantastik merken.

Die gute Nachricht lautet, dass von Martha Wells außer dem Stand-Alone Roman „Necromancer“ noch die anfangs genannte Serie über die Ile-Rien Welt erschienen ist. Die schlechte: Sie liegt bisher nicht in deutscher Übersetzung vor.

Diese Rezension von mir, Eva Bergschneider, erschien bereits auf www.phantastik-couch.de

Necromancer
Martha Wells
Steampunk
Heyne
2008
704

Funtastik-Faktor: 88%

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