Tiefgründig und anders
Vor Jahren tobte auf Narallia ein Krieg zwischen den Menschen und den Magischen. Nach dem Sieg der Menschen zwangen sie die Magischen gnadenlos in ein streng reglementiertes System. Sie müssen Eisenarmbänder tragen, die ihre Kräfte zügeln, werden ausgegrenzt, misstrauisch beäugt und oft missbraucht.
Selbst das letzte überlebende Orakel wurde von der Obrigkeit institutionalisiert. Gut 200 Questen muss das Orakel jeden Tag aussprechen. Sie erteilen also Aufträge an die Bürger, die durch das Los zu Suchern bestimmt wurden. Unvermittelt werden diese aus ihrem Alltag gerissen. Die Bürokraten erschufen die perfekte Infrastruktur für die Questen. Es gibt Questen-Urlaub, Questen-Häuser in denen die Sucher umsonst übernachten können und Siegel, die erst erlöschen, wenn die Queste abgeschlossen wurde. Erfolgreich versteht sich.
Zacharias hat ein, nein, eigentlich hat er eine Reihe von Problemen. Aus eher einfachen Verhältnissen stammend, hat er den besten Abschluss seines Jahrgangs geschafft und sich in Hilde, eine junge Frau aus bestem Hause verliebt. Dank ihrer Eltern ergatterte Zacharias eine Praktikantenstelle in einer der angesehensten Firmen des Landes.
Dass er von Insekten-Phobien geplagt wird, jahrelang Therapien in Anspruch nahm und aus einem zerrütteten Elternhaus stammt, verbirgt er vor seiner Zukünftigen. Dass er mehr als schusselig und tollpatschig ist, sich aber trotzdem (oder gerade deswegen) nach Anerkennung durch die Gesellschaft sehnt, macht das Leben für ihn nicht gerade einfacher. Zacharias‘ mühsam errichtete heile Welt bricht zusammen, als er den Questenbescheid erhält.
Die von Hilde perfekt durchgeplante Zukunft zerstört, die Beziehung in der Krise und alles nur, weil er seiner Bürgerpflicht nachkommen muss. Hilde Vorwürfe lassen Zacharias immer mehr an sich zweifeln, zumal er in seiner Queste kaum vorankommt. Als er den Magischen Iani kennenlernt, erschließt sich ihm eine andere, eine neue Welt…
Was ist das für ein Fantasy-Roman, den uns Nicole Gozdek hier serviert?
Ein bekanntes Figurenkabinett mit gängigen Verhaltensmustern sucht man jedenfalls vergebens. Stattdessen begegnet uns ein Tollpatsch, der sich um fast jeden Preis anpassen will. Ihm mangelt es einfach an Allem – an Charisma, an Fortune, an Selbstrespekt. Und gerade deshalb wächst er uns ans Herz. Denn Zacharias ist stets bemüht, es allen Recht zu machen. Und eigentlich ist er ein wirklich liebenswerter Kerl.
Im Verlauf der Queste entwickelt sich diese arme, um Akzeptanz buhlende Kreatur langsam, aber sehr gut nachvollziehbar zu einem Charakter. Schicksalsschläge prasseln auf ihn nieder, die Queste scheint unlösbar, und doch gibt er nicht auf. Wir haben Mitleid mit diesem vom Schicksal geprüften Jungen. Wir schlagen uns innerlich schnell auf seine Seite und bewundern sein Durchhaltevermögen. Und letztlich auch seinen Mut, sich den Herausforderungen, so schwer sie insbesondere für ihn auch sein mögen, zu stellen.
Ansätze, die zum Nachdenken anregen
Muss man seine Zeit immer minutiös verplanen? Muss immer alles im Voraus festgelegt werden? Ist Spontanität, ist Muße und das bewusste Leben im Augenblick nicht auch wichtig und richtig? Muss man sich immer dem Diktat der Masse beugen, sich anpassen um jeden Preis? Oder haben Vielfältigkeit und Spontanität nicht auch ihre Berechtigung? Ist das Fremde – hier die Magier – nicht gerade interessant? Sollte man deshalb Vorurteile und Grenzen dem Fremden gegenüber nicht überwinden?
Das sind essentielle Fragen und Gedanken, die die Autorin geschickt in ihre Geschichte integriert hat und die sich dem Leser im Verlauf der Lektüre aufdrängen. Obwohl vieles in der Handlung vorhersehbar erscheint, überzeugt der Plot durch seine Tiefe. Und mit seinem zunächst merkwürdigen, schließlich immer liebenswerter werdenden Protagonisten.
Prophezeiungen für Jedermann kaufen
DANKE an Gastrezensent Carsten Kuhr
Fantasy
Piper Verlag
Juni 2019
394
Funtastik-Faktor: 79