Tagebuch eines Killerbots – Martha Wells

Kämpfe, Überleben, Binge-Watching und große Gefühle

Tagebuch eines Killerbots © Heyne

In der Science-Fiction ist der Einsatz von Sicherheitspersonal in Form von Robotern oder Cyborgs ganz normal. Die Vorstellung, dass man ihnen in der Zukunft gefährliche, mitunter tödliche Jobs anvertraut, liegt nahe. Denn sie empfinden keine Schmerzen und sterben nicht, sondern gehen schlimmstenfalls kaputt. Doch wie ist es, wenn sie ein Bewusstsein erlangen und zu Individuen werden? Das „Tagebuch eines Killerbots“ von Martha Wells lässt eine solche SecUnit zu Wort kommen.

Die deutschsprachige Version vereinigt die vier Originalbände der „The Murderbots Diaries“: „All Systems Red“, „Artificial condition“, „Exit Strategy“ und „Rogue Protocol“. „Tagebuch eines Killerbots“ erzählt die vier abgeschlossenen Stories, die ein Erzählrahmen verbindet, in einem Band.

In „Systemausfall“ beschützt Killerbot eine Crew von Wissenschaftlern unter Leitung von Dr. Mensah auf einer planetaren Forschungsmission. Der Angriff eines Monsters verletzt eine Exo-Biologin schwer. Warum fanden sie keinen Hinweis auf diese Kreatur in den Dossiers? Nach und nach wird klar, dass die Crew viele unvollständige und falsche Informationen erhielt und dadurch in Gefahr gerät. Wer sabotiert diese Mission?

Killerbot verlässt in „Auf Paranoia programmiert“ Dr. Mensahs Heimatplanet Preservation als Anhalter auf einem unbemannten Forschungsschiff. Dessen Bot, den sie liebevoll FiFo nennt, verwandelt ihr Aussehen in das eines augmentierten Menschen. Killerbots Ziel ist der Planet RaviHyral, wo sie den Vorfall untersuchen möchte, der sie dazu brachte, ihr Chefmodul zu hacken. Um den Planeten betreten zu dürfen, sucht sie sich auf eigene Faust einen Job als Sicherheitsberater.

Der letzte Auftrag führte Killerbot erneut auf die Spur des Konzerns, der für die Verbrechen in „Systemausfall“ verantwortlich war. In „Exit Szenario“ verschlägt es sie gemeinsam mit Abenes Erkundungstrupp zum Planeten Milu. Mithilfe von Miki, Don Abenes Assistenzroboter, schlüpft Killerbot erneut in die Rolle des Body Guards – und bekommt es mit überlegenen Gegnern zu tun. Und einer Freundschaft, die ihr noch abstruser erscheint, wie die zu Menschen.

„Schneller Abgang“ führt Killerbot zurück zu Mensah und ihrer Crew. Sie muss nicht nur erneut einen mächtigen Gegner austricksen, sondern lernen, als Individuum zu leben.

Aus Job wird Leidenschaft

In den vier Novellen erzählt uns Killerbot, wie die SecUnit sich selbst nennt, vier ultraspannende typische Space-Abenteuer aus ihrer Perspektive. Ich lese nicht so gern die Ich-Perspektive, da mich die einseitige Sicht auf das Geschehen meistens schnell langweilt. „Tagebuch eines Killerbots“ bietet allerdings keine menschliche Perspektive an, sondern die einer hochintelligenten KI mit einer sich rasant entwickelnden Persönlichkeit. Ihre Sicht der Dinge ist multiperspektivisch, da sie Kamerasysteme und Drohnen hackt und diverse Feeds nutzt, um Ereignisse und Informationen wahrzunehmen. Da die Gegner ebenfalls über vielerlei Waffen und technische Gadgets verfügen, sind die Kämpfe schnell und gnadenlos. Die Kunstfertigkeit der Autorin Martha Wells besteht darin, diese Abläufe trotzdem zugleich dramatisch und nachvollziehbar zu beschreiben und das ist ihr fast immer gelungen. Noch beeindruckender ist allerdings, wie sich Killerbot innerhalb dieser Szenarien verändert und weiterentwickelt. 

Aus Kunden und Bots werden Freunde

Wir lernen verschiedene Bots kennen, neben der SecUnit einen Assistenzbot (Spielebot genannt), einen Sexbot, Combat-Bots und zwei Schiffsbots. Die Aufgabe einer SecUnit ist es, die menschlichen Kunden vor Gefahren zu schützen. Doch Killerbot tut nicht einfach nur, was nötig ist. Sondern setzt sich aktiv dafür ein, mit seinen Auftraggebern in die Schlacht zu ziehen und geht höhere Risiken ein, als nötig wäre. Sie fängt an, Sympathie und Antipathie für ihre Kunden und Mitstreiter zu entwickeln: sowohl gegenüber Menschen wie Mensah und Gurathin, als auch dem fiesen Forschungsschiff FiFo und dem Spielebot Miki.

Aus dem Roboter-Cyborg wird ein Individuum

Anthropomorphismus lautet der Fachbegriff für die Vermenschlichung von Robotern. Was in Fachartikeln zum Thema Robotertechnologie und KI belächelt wird, ist in der Science-Fiction gang und gäbe. Schon Star Trek stellte mit Data einen Androiden vor, dessen Intelligenz, gepaart mit dem Bedürfnis, möglichst menschlich zu wirken, zu einem beinahe menschlichen Verhalten führte. Freundschaft, Liebe und Trauer, all das erlebte Data ebenso wie seine menschlichen Crew-Kameraden.

„Tagebuch eines Killerbots“ erzählt davon, wie sich eine KI zur Persönlichkeit entwickelt. Ein Mensch möchte Killerbot nicht werden, sondern ein eigenständiges Individuum. Trotzdem entwickelt sie menschliche Marotten, wie Binge-Watching ihrer Lieblingsserie. Sie legt Schüchternheit und chronisches Misstrauen ab und vertraut Menschen und intelligenten Bots. Sie entwickelt Stolz und kontert mit Ironie und Humor.

Mit Preisen überhäuft, vom Lesepublikum gelobt und kritisiert

Die erste Novelle der „The Murderbots Diaries“ räumte alle wichtigen Science-Fiction Preise in den USA ab: Nebula, Hugo und Locus. Der letzte Teil „Rogue Protocol“ erhielt ebenfalls Hugo- und Locus Award. In Deutschland liegt mit „Tagebuch eines Killerbots“ nun der Sammelband vor, der von vielen Lesern gelobt, aber auch kritisiert wird. Zum einen wird bemängelt, dass die Story fragmentarisch wirkt und unter Wiederholungen leidet. Tatsächlich hätte manche Kampf-Szene etwas kürzer ausfallen und der Erzählrahmen deutlicher herausgearbeitet werden dürfen, wenn das Buch als einheitlicher Roman funktionieren sollte. Das war aber nicht Martha Wells ‚ Ziel. Des Weiteren muss sich die Übersetzung viel Kritik gefallen lassen. Und auch ich bin über Begriffe wie „Chefmodul“, und „freidrehende SecUnit“ gestolpert. Im Original ist vom „govenor module“ und von „rogue SecUnit“ die Rede. Im Nachhinein stelle ich fest, dass mir keine wirklich treffendere deutsche Übersetzung einfällt, als Frank Böhmert. Tatsächlich problematisch ist die Wahl des Pronomens „sie“. Killerbot ist geschlechtsneutral und das Pronomen leitet sich einfach von der deutschen Entsprechung zu „Unit“ also „die Einheit“ ab. Hier wäre meine Wahl auf ein geschlechtsneutrales Pronomen wie „ser“ gefallen.

Insgesamt ist „Tagebuch eines Killerbots“ sehr viel mehr als ein mitreißendes Space-Spektakel. Die Protagonistin Killerbot ist deswegen so faszinierend wie liebenswert, weil sie menschliche Stärken und Schwächen spiegelt und auf ihre Weise für sich nutzt.

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Eva Bergschneider

Tagebuch eines Killerbots
Martha Wells (Übersetzung: Frank Böhmert)
Science-Fiction
Heyne
Oktober 2019
574

Funtastik-Faktor: 80

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