Top 10 der phantastischen Bücher 2016

Welches Buch ist Dein Lieblingsbuch des Jahres?

© Eva Bergschneider

Das ist die Frage, die man als über Bücher schreibender Mensch zum Jahresende gestellt bekommt. Meistens antworte ich mit „Da kommen mehrere Bücher in Frage, jeweils aus anderen Gründen“. Bücher, die mir als besondere Bücher im Gedächtnis bleiben sind zum Beispiel:

  • Bücher mit innovativen Geschichten
  • Bücher, die emotional berühren
  • Bücher, die überraschen
  • Bücher, die neue Perspektiven eröffnen
  • Bücher, die besonders schön geschrieben sind
  • Bücher, die Spaß machen

Als meine persönliche Top 10 phantastischer Bücher des Jahres 2016 stelle ich solche vor, die eins oder mehrere dieser Kriterien erfüllen. Die Anordnung folgt keiner Rangliste, ich sortiere einfach alphabetisch nach dem Titel.

„Bluescreen“Dan Wells

Bluescreen - Dan Wells © Piper-Verlag
Bluescreen © Piper-Verlag

Es ist beängstigend und faszinierend zugleich, dass viele Elemente in der von Dan Wells entworfenen Zukunft, bereits heute Realität sind.

In Teil 1 der „Mirador“-Serie erzählt Dan Wells einen Cyber-Krimi, der superspannend zu lesen ist. Der Autor hat die uns bereits vertrauten, technischen Gadgets für eine nicht allzuweit entfernte Zukunft weiterentwickelt. Die Erlebnisse der Protagonisten in „Bluescreen“ fühlen sich so erschreckend real an.

 

„Der Bund der Zwölf“ – Miriam Pharo

Der Bund der Zwölf © Miriam Pharo

Die Protagonisten setzt die Autorin gekonnt in Szene. Gerade weil die Figuren dem leicht surrealen Setting entsprechend überzeichnet sind, entziehen sie sich jeglichem Klischee, sind lebendig und einzigartig. Auch Nebenfiguren, wie der deutschen Kioskbesitzer Bébère  oder der schwule Polizist und Orchideenliebhaber Emile wachsen dem Leser sofort ans Herz, eben weil sie, wie alle Akteure, ihre kleinen Geheimnisse haben.

„Der Bund der Zwölf“ lässt sich in kein Genre einordnen. Die Geschichte ist ein phantastischer Krimi in einem Alternativweltszenario in Paris, mit ausdrucksstarken Bildern und klangvollen Metaphern schön und spannend erzählt.

Der Fluch des Wüstenfeuers“- Andrea Bottlinger

Der Fluch des Wüstenfeuers © Klett-Cotta

Die Geschichte ist einerseits eine Art Parabel zur Emanzipation der Frau. Iarets Widerstand gegen ihre Erziehung erkämpft das Recht auf Selbstbestimmung stellvertretend für alle Frauen Niats. Andererseits darf man den Anfang des Romans als Mahnung daran verstehen, die Geschichte und historische Daten zu pflegen und im kollektiven Gedächtnis zu behalten.

Andrea Botlinger erzählt in „Der Fluch des Wüstenfeuers“ eine spannende und hintergründige Geschichte mit klugen Analogien zu gesellschaftlichen Fragestellungen wie die Bedeutung von Historie und Emanzipation. Eine Geschichte, die auf unterhaltsame Weise über den Tellerand blickt.

Die Rückkehr der KriegerinSusanne Pavlovic

Die Rückkehr der Kriegerin © Amrûn Verlag

Das Lesegefühl hat etwas von Vorfreude auf eine Reise an einen Ort, den man bereits kennt und liebt, doch lange nicht besucht hat.

„Die Rückkehr der Kriegerin“ erzählt zwar eine klassische Fantasy-Queste, überrascht aber durch eine ungewöhnliche Erzählstruktur. Susanne Pavlovic springt in ihrer Story nicht von einem Schauplatz zum nächsten. Sondern bringt ohne Cliffhänger jedes Abenteuer, jedes Kapitel zuende und verbindet sie am Ende zu einer umfassenden, schönen Erzählung.

 

Die unsichtbare Bibliothek“ – Genevieve Cogman

Die unsichtbare Bibliothek © Bastei-Lübbe

Das Trio kombiniert sich durch vertrackte Rätsel und gerät in halsbrecherische Abenteuer. „Die unsichtbare Bibliothek“ [..] ist auf keiner Seite langweilig. Die Autorin [..] vermeidet Genre typische Klischees und  ist temporeich und mit erfrischendem Humor geschrieben.

„Die unsichtbare Bibliothek“ ist sicherlich einer der innovativsten phantastischen Romane des Jahres. Genevieve Cogman schickt ihre Protagonisten auf eine rasante Schnitzeljagd durch verschiedene Alternativwelteszenarien. Ein Agententhriller ausgestattet mit untypischen Fantasy-Charakteren, Horror und ein wenig Steampunk-Atmosphäre.

Die Wüstengötter“ – Jens Lossau/ Jens Schumacher

Die Wüstengötter © Feder&Schwert

Auch der fünfte Band der IAIT- Reihe „Die Wüstengötter“ hält, was seine Vorgänger versprechen, nämlich kurzweilige, lustige, skurrile und originelle Unterhaltung mit Wiedererkennungswert.  Wer schräge Fantasy-Krimis mag, kommt an Meister Hippolit und Jorge dem Troll einfach nicht vorbei.

Die Abenteuer des IAIT Ermittlerteams Meister Hippolit und Jorge, dem Troll, zu lesen, ist wie heimkommen. Diese Fantasy-Krimis sind einfach immer herrlich skurril, witzig geschrieben und erzählen spannende, absurde Geschichten. Das Autorenteam überrascht hier mit neuen schrägen Protagonisten in einem ohnehin originellem Ensemble.

Drúdir“ – Swantje Niemann

Drúdir © FrinaArt

Swantje Niemann zeigt in ihrem Roman „Drúdir“ das auch im Selbstverlag erschienene Bücher sprachlich überzeugen können. Man merkt wirklich, dass Swantje Niemann in diesem Roman immer mehr Gespür für sprachliche Finesse und einen eigenen Stil mit kraftvollen Metaphern und  originellen Bildern erworben hat. Es überwiegen bei weitem treffende Formulierungen und wirklich schöne Passagen.

„Drúdir“ war für mich die positivste Überraschung unter den 2016 erschienenen Büchern. Dieses Erstlingswerk einer jungen Autorin, im Selbstverlag bei neobooks erschienen, ist originell und klug  erdacht und professionell geschrieben. „Drúdir“ hat mich schon durch die Leseprobe gefesselt. Leser, die Steampunk und klassische Fantasy mögen, erwartet hier ein spannender Mix aus den schönsten Elementen beider Genre.

Maschinenseele“ – Chris Schlicht

Maschinenseele © Feder & Schwert

Chris Schlicht versetzt das Motiv Ritualmorde in ein fiktives dampfbetriebenes Industriezeitalter des deutschen Kaiserreichs, welches extremste soziale Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung und moralischer Verfall prägen. Eine Anlehnung an den Gothik- Klassiker von Mary Shelley „Frankenstein“ kann „Maschinenseele“ ebenfalls nicht leugnen. Was die Autorin aus diesem Setting macht, wirkt äußerst innovativ und ideenreich.

„Maschinenseele“ ist der zweite  Teil einer Steampunk-Krimiserie um den Ermittler Peter Langendorf. Gesellschaftliche Missstände, sowie gruselige und genial erdachte Verbrechen prägen die Handlung in einer alternativen Historie. Dabei wirken die Protagonisten so echt, dass sie trotz der Fremdartigkeit hohes Identifikationspotenzial mitbringen.

Omni“ – Andreas Brandhorst

Omni- Andreas Brandhorst © Piper
Omni © Piper

In der Geschichte gehen die Grenzen zwischen futuristischer Technologie, die Brandhorst detailreich und verständlich erläutert, und dem Unerklärbaren fließend ineinander über. Zum geheimnisvollen Inhalt passt Brandhorsts Erzählweise, sorgsam ausbalanciert zwischen Prägnanz und Verspieltheit. Es sind die kleinen und großen Fragen und Entwicklungen, die dieses Weltraumabenteuer spannend und faszinierend machen.

Absolut einleuchtend ist die Hommage an Ursula K. Le Guin, der Ikone philosophisch angehauchter Phantastik-Literatur. Die Geschichte in „Omni“ von Andreas Brandhorst widmet sich der elementaren Frage nach der Verantwortung des menschlichen Handelns und gibt Denkanstösse über ihren Handlungsraum hinaus.

S“ – J.J. Abrams und Doug Dorst

S © Kiepenheuer & Witsch

Es kommt zwar oft vor, dass man Teile der Dialoge nicht nachvollziehen kann, weil man wichtige Informationen entweder wieder vergessen, oder noch gar nicht erhalten hat. Oder das man gespoilert wird, weil die rot-lila Kommentare Ereignissen vorgreifen, die in der Kerngeschichte oder in früheren Kommentaren noch nicht erfasst wurden. Allerdings gehören diese zeitlichen Sprünge und Gegenüberstellungen auch zu den spannendsten Aspekten dieses Romans. Mitzuerleben, wie sich zuerst die Sicht der Dinge und schließlich die Lebenssituation der Protagonisten wandelt und wie sie selbst den Prozess reflektieren, ist wirklich faszinierend.

„S“ – J.J. Abrams und Doug Dorst ist ein Experiment. Und wie das für Experimente typisch ist, kommt am Ende kein eindeutiges Ergebnis wie gelungen oder misslungen heraus. Die Kerngeschichte in „S“ hat mich nicht vom Hocker gerissen und die an den Seitenrand gekritzelte Rahmenhandlung war zu oberflächlich, um wirklich zu fesseln. Trotzdem gehört „S“ zu den beeindruckensten Leseerlebnissen des Jahres, weil in diesem Buchexperiment, mit Geschichten auf verschiedenen Zeitebenen und einem Wust von ergänzenden Materialien wie Karten, Bilder, Briefe etc erstaunlich viel funktioniert hat. Der stetige Wandel des Buchs und das Ineienandergreifen der Erzählebenen, oft an Stellen, an denen man nicht damit gerechnet hat, hat mich ehrlich fasziniert und begeistert.

Diese Auswahl habe ich subjektiv und aus dem Bauch heraus getroffen. In meinen Besprechungen versuche ich möglichst objektiv zu urteilen und meine persönliche Meinung in den Hintergrund zu stellen. Diese Phantastik-Bücher haben mich neben vielen anderen durch das Jahr begleitet und rückblickend stelle ich fest, dass sie mir noch immer im Kopf herumspuken.  In diesem Sinne wünsche Euch und mir ein phantastisches Lesejahr 2017, mit vielen Büchern, die den Alltag bereichern, die erstaunen, emotional packen und einfach Spaß machen. ?

Eure Eva

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