Weg ins Nichts – Francis Knight

Fantasy trifft auf Cyberpunk

Weg ins Nichts - Francis Knight © Papierverzierer Verlag
Weg ins Nichts © Papierverzierer Verlag

„Weg ins Nichts“ von der britischen Autorin Francis Knight ist der Auftaktroman zu einer Reihe um den Privatdetektiv Rojan Dizon, der in einer im Wortsinn aufstrebenden Megacity lebt und arbeitet. Mahala ist in die Höhe gebaut, gigantische Wolkenkratzer und zahlreiche Zwischenebenen prägen das Stadtbild. Die unteren Stadtviertel werden durch die Spiegelung des Sonnenlichts notdürftig erhellt. Den oberen, reichen Vierteln allein ist echtes Sonnenlicht vorbehalten und ganz unten erhellt ausschließlich künstliches Licht die düstere Szenerie. Eine leuchtende Substanz namens Glimm sorgt für Elektrizität. Zuvor war das effektivere Synth verwendet worden, doch das hatte tödliche Begleiterscheinungen, an denen Menschen qualvoll gestorben sind.

Rojans Mutter war eine von ihnen. So musste er allein sich und seinen jüngeren Bruder durch das harte Leben in Mahala bringen. Das Rojan unter Schmerzen Magie wirken kann, half dabei nicht. Magie ist in Mahala streng verboten und wird nur im Geheimen praktiziert. Ihre Wege trennten sich im Erwachsenenalter und so ist Rojan überrascht, nach Jahren von seinem Bruder zu hören. Perak hat es mit der Erfindung des Schwarzpulvers in die Oberstadt geschafft, doch nun wurde ihm sein Lebenswerk zum Verhängnis. Er liegt niedergeschossen im Krankenhaus, seine Ehefrau wurde ermordet, seine kleine Tochter entführt. Perak bittet seinen Bruder, das Mädchen zu finden. Rojan nimmt den Fall an und eine durch Schmerz erzeugte Vision führt in tief hinab auf den Grund der Stadt. Die sogenannte Höhle ist ein dreckiger Ort, der menschlicher Verkommenheit, viele Schmerzen und eine ungeheuerliche Verschwörung für Rojan bereithält.

 Zwischen Moral und Bequemlichkeit

 „Weird Fiction“ nennt es der britische Schriftsteller China Miéville, wenn sich moderne Fantasy zwanglos mit Zukunftsliteratur mischt, so wie es die „Rojan Dizon“ Reihe von Francis Knight tut. Magie und Technik vereinen sich in dieser dystopischen Metropole zu etwas sehr speziellem. Um dieses Thema und um den Noir-Detektiv mit besonderen Fähigkeiten hat die Autorin eine beklemmende Story gewoben. Es geht um die Frage, ob sich die rudimentären Reste an Menschlichkeit in der Gesellschaft Mahalas gegen einen endgültigen moralischen Verfall behaupten können. Oder ob die Erhaltung eines bequemen Lebensstils, vor allem in den oberen Schichten, auf Kosten wehrloser und unendlich leidender Menschen obsiegt.

Dabei ist Rojan Dizon zunächst alles andere, als ein Verfechter der Moral, jedoch zeigt sich bald ein weicher Kern in der rauen Schale. Im Umgang mit Frauen kommt er wenig gentlemanlike daher, doch sein Frauenbild ändert sich – welch Überraschung – entscheidend, als Gefühle ins Spiel kommen. Rojan macht in „Weg ins Nichts“ keine tiefgreifende Entwicklung durch, überzeugt aber als vielschichtiger Charakter, hinter dem mehr steckt, als sein schroffes Auftreten vermuten lässt.  Unter den Nebencharakteren gibt es einige, die für Überraschungen sorgen. Die Autorin spielt geschickt mit Handlungsmotiven, deren wahrer Charakter sich erst am Ende offenbart.

Apropos schroff. Die Sprache ist typisch Noir umgangssprachlich und plakativ. Dabei wahren die Autorin und die Übersetzerin Melanie Vogltanz die Balance zwischen schnoddriger und gut lesbarer Schriftsprache, sie gleitet nie ins allzu gossenhafte ab. Francis Knight beschreibt die Stadt Mahala und die Schauplätze der Handlung anschaulich und detailreich. Die Stadtebenen tragen bezeichnende Namen wie Wolken, Handel oder Höhle. Zuweilen trägt hier die Autorin jedoch etwas zu dick auf. Die unterste Ebene der Stadt, überrascht zunächst mit einigen Details, die man dort nicht vermutet hätte. Im weiteren Verlauf von Rojans Reise durch die Höhle wird allerdings jeder Schauplatz dreckiger, verwahrloster, dunkler und gefährlicher als der vorhergegangene. Durch diese Steigerungen tritt beim Lesen ein gewisser Abstumpfungseffekt ein und die Düsternis verliert ihren Schrecken.

Die Story ist am Anfang und in den Schlusskapiteln spannend und abwechslungsreich, im Mittelteil hat sie jedoch Längen. Teilweise erinnert sie an eine im Kreis verlaufende Schnitzeljagd, deren Stationen wenige neue Informationen preisgeben. Die Handlung tritt auf der Stelle, ein etwas kompakterer Ablauf hätte der Story gut getan. Das ändert sich, sobald Rojan und seine Mitstreiter die letzte Festung erstürmen und das dramatische Finale einläuten. Die Auflösung wirkt angesichts des komplexen Plots allerdings wie ein Deus ex machina und zu einfach.

Fazit:

„Weg ins Nichts“ von Francis Knight ist der Auftakt zu einer vielversprechenden Serie, die Elemente des Noir-Krimis, des Cyberpunks und der Fantasy lässig vereint und fantasievoll aufeinander abstimmt. Ein interessanter Antiheld mit magischen Fähigkeiten gerät in abstruse Abenteuer. Phantastikfreunde, die bizarre Ereignisse und düstere Töne bevorzugen, kommen hier voll auf ihre Kosten. Etwas straffer erzählt, wäre eine ultraspannende Geschichte daraus geworden, doch leider verzettelte sich die Autorin in einigen Wiederholungsschleifen. Im Folgeband „Vor dem Fall“ braucht die Stadt nicht mehr so detailliert vorgestellt werden und vielleicht kommt dadurch die Handlung besser zur Geltung.

Eva Bergschneider

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Weg ins Nichts
Rojan Dizon - Band 1
Francis Knight (Übersetzung Melanie Vogltanz)
Steampunk/Cyberpunk
Papierverzierer Verlag
Dezember 2014
416

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