Himmel und Erde dem Untergang geweiht
Dass Andreas Izquierdo mehr kann, als unterhaltsame Eifel-Krimis zu schreiben, hat er schon mit dem Roman „Der König von Albanien“ bewiesen, für den er den goldenen Lorbeer des Sir Walter Scott-Preises erhielt. Im August 2010 veröffentlichte der Rotbuch-Verlag „Apocalypsia“, den ersten Fantasy-Roman des vielseitigen Kölners.
Der Anfang vom Ende
Judith läuft auf eine Klippe zu, stürzt sich hinab, um ihrem Leben, ihrer Verzweiflung ein Ende zu setzen. Doch sie wird gerettet. Jemand fängt sie auf, ihre Zeit war noch nicht gekommen. Sie erwacht im Krankenhaus und trifft – zum Unmut ihrer Ärztin Esther – Vorhersagen über die Zukunft. Dem Pfleger Geno beschert sie so einen Lotto-Gewinn. Nach anfänglichen Missverständnissen, stellen die beiden Frauen an sich Gemeinsamkeiten fest. Einen Verlust, der beide aus der Bahn geworfen hat und das Bewusstsein, dass das Ende naht. Denn die Welt vergeht tatsächlich, es beginnt mit den Lichtern am Himmel. Eine Kuppel legt sich um die Erde, unter der die Hitze unerträglich wird. Das Meer erstickt unter roten Algen, das Land erodiert.
Nathanael, der Engel, von dem sich der Himmel die Rettung erhofft, wird geboren. Aber zur Enttäuschung aller ist er ein Krüppel, eine Beleidigung für diese vollkommenen Wesen. Der Potestas und Krieger Iax erhält die Aufgabe, Nathanael auszubilden. Ihre Reise führt durch den sterbenden Himmel zur Burg, der Heimstatt aller Engel. Dort betrachtet der Rat der höchsten Engel, die Seraphim und Cherubim, Nathanael skeptisch. Kann dieser schwächliche und eigensinnige Engel ihren Feind Luzifer besiegen? Der „Drache“ genannte Abtrünnige verspricht seinen Anhängern die Freiheit, die Gebote des sterbenden Vaters zu missachten.
Unser Bild über Engel – zerstört und neu erschaffen
Der Autor Andreas Izquierdo hatte für seinen ersten und bisher einzigen Fantasy-Roman ein Thema gewählt, das im Jahr der Veröffentlichung im Trend lag, die Phantastik-Verlage hatten gerade die Engel entdeckt. Es stellt sich die Frage, ob es sich bei „Apocalypsia“, um eine religiöse oder esoterische Geschichte handelt, wie in vielen vermeintlich ähnlichen Romanen. Agieren hier gefallene Engel, barmherzige Engel oder beide? Nichts von dem trifft auf diesen Roman zu. Der Autor erschuf gegensätzliche und individuelle Engel. Die einen geben sich kämpferisch, brutal und freigeistig. Die anderen halten durch ihre feste Verankerung im Glauben an die Schöpfung am Codex und an der Hierarchie fest. Wirken biblisch-dogmatisch und doch zerrissen. Ob nun arrogant oder gütig, ihnen allen gemein ist der Glaube an die unerschütterliche Überlegenheit. Und sind damit den Menschen gar nicht so unähnlich und mit ihnen dem Untergang geweiht.
Der Leser weiß in „Apocalypsia“ recht schnell, worauf es hinausläuft.
Iax richtete sich auf und hielt einen Moment inne: „Alles Leben steht in Verbindung zueinander. Wir sind Teil einer Schöpfung, teilen eine Welt. Das, was die eine Seite tut, hat Auswirkungen auf die andere.“
Dennoch ist die Handlung voller Spannung und wechselt an passenden Stellen, exzellent geschnitten, von der realen Welt in die der Engel. Dramatisch senkt sich die Zerstörung über die Erde, im Himmel baut sich der tödliche Konflikt auf. Zugleich beginnt in beiden Welten eine Art „Road-Movie“ mit den jeweiligen Hauptprotagonisten, – Judith und Esther, Nathanael und Iax – im Mittelpunkt. Die Charaktertiefe der Figuren und die Intensität ihrer Beziehungen zueinander sorgen dafür, dass man sich in beide Handlungsstränge hineingezogen fühlt, mit leidet, trauert und hofft. Im letzten Drittel des Romans flacht die Spannungskurve leider deutlich ab, weil die Geschehnisse auf der Zielgeraden zum Showdown irgendwie festhängen. Nun wird jeder Aspekt des Zerwürfnisses der Engel-Parteien, jede Enttäuschung und jeder Zweifel wieder und wieder von verschiedenen Seiten betrachtet. Das unvermeidliche Kriegsgeschehen wirkt zunächst erschütternd brutal, nutzt sich allerdings ebenfalls ab. Dazwischen blitzen immer wieder eindrucksvolle Szenen und rührende Momente auf. Doch insgesamt ziehen sich diese Kapitel zu sehr in die Länge. Etwas mehr Erzählökonomie – ein für die Fantasy scheinbar unpassendes, aber bisweilen doch nützliches Attribut – hätte in dieser Phase der Geschichte gut getan. Das Ende wurde hingegen wieder prägnant und atmosphärisch stimmig inszeniert, als ein runder, konsequenter Abschluss der außergewöhnlichen Geschichte
Andreas Izquierdo hat „Apocalypsia“ in einer poetischen, alttestamentarisch anmutenden Sprache geschrieben. Dieser Stil passt nicht nur gut zu der Geschichte, sondern er vermag auch den Leser zu fesseln, weil er nicht ins Lehrhafte abdriftet, sondern emotional und eingängig wirkt.
„Apocalypsia“ ist eine ungewohnte, innovative Form der Fantasy, weil der Autor an das Thema Engel vollkommen anders heran geht, als man das aus vielen vergleichbaren Romane kennt. Wer etwas Pathos und biblische Sprachgewalt nicht scheut und sich für eine mit religiösen Motiven angehauchte Apokalypse erwärmen kann, der sollte Andreas Izquierdos „Apocalypsia“ lesen.
Diese Rezension von mir, Eva Bergschneider, erschien bereits auf www.phantastik-couch.de
Fantasy
Rotbuch-Verlag
2010
624
Funtastik-Faktor: 75