Mara und der Feuerbringer – Tommy Krappweis

Neulich, bei der Weltrettung

Mara und der Feuerbringer © Egmont
Mara und der Feuerbringer © Egmont

Die vierzehnjährige Mara Lorbeer ist ein ganz normales Mädchen. Vielleicht etwas verträumt (was ihr in der Schule gelegentlich die eine oder andere Hänselei einbringt), aber sicherlich fester mit beiden Füßen auf dem Boden als ihre esoterische Mutter. Und gerade eben hat sie beschlossen, sich von Tagträumen im Allgemeinen und vom versponnenen Wicca-Zirkel ihrer Mutter im Besonderen in Zukunft fern zu halten. Um so schlimmer für sie, als plötzlich ein gewöhnlicher Zweig zu ihr spricht. Das Grünzeug erklärt ihr nicht nur, dass alle Bäume sprechen können (verständlicherweise sehr, sehr langsam), sondern auch, dass sie, Mara, eine Spákona ist, die vielleicht letzte der germanischen Seherinnen. Und damit nicht genug, erhält sie den Auftrag, den nordischen Gott Loki wieder zu fesseln, um die Ragnarök, das Weltende zu verhindern.

Ein vorpubertäres Kind, das von Schicksal und/oder Prophezeiung dazu ausersehen ist, den Weltuntergang zu verhindern – der Ansatz ist zunächst nicht gerade neu. Glücklicherweise belässt es Tommy Krappweis jedoch bei diesem einen, arg strapazierten Eingangsklischee. Denn auch wenn der Ausgangspunkt nur mäßig originell sein mag – die Geschichte selbst überzeugt durch treffenden Wortwitz und spannenden Plot.

Geballte Ladung Wissen – mit Humor vermittelt. Oder andersrum

Krappweis erweist sich dabei als extrem sprachgewandter Erzähler, der seine Leser schnell und tief in Maras Welt zu ziehen vermag. In dieser Hinsicht überrascht der Komiker und Erfinder des sarkastischen ‚Bernd das Brot’ nicht: Gewohnt pointiert spinnt er seine Erzählung, hält sich dabei aber zum Glück mit allzu flachen Albernheiten vornehm zurück. ‚Mara’ ist also kein Vertreter der humoristischen Fantasy, wohl aber Fantasy mit einer ordentlichen Portion Humor und treffsicherer Beobachtung alltäglicher Absurditäten. Die kleinen ‚Bernd‘-Blitzer und freundlichen Seitenhiebe auf Personen, die Krappweis sicherlich persönlich kennt (Stichwort: der ’schöne’ Hugo Egon Balder), machen das Buch nur noch sympathischer.

Was den Roman jedoch vor allem auszeichnet, ist die gekonnte Verflechtung von gut recherchiertem historischem und mythologischem Inhalt mit der Geschichte. Das ist durchweg hervorragend gelungen und dank der sympathischen Figur des Professor Weissinger (der ein wenig zum Münchener Indiana Jones mutiert) werden auch ausführlichere Exkurse leicht verdaulich und vor allem Jugendgerecht präsentiert. Man merkt dabei deutlich, dass Krappweis – wie er ja auch im Nachwort ausführlich erklärt – nicht einfach nur einige Eckpunkte in einschlägigen Internet-Nachschlagewerken gesammelt hat. Stattdessen hat er sich fachkundige Hilfe geholt, so dass seine Geschichte und das in ihr vermittelte Wissen tatsächlich Hand und Fuß haben. So wird man nicht nur ausgezeichnet unterhalten, sondern, was in phantastischen Romanen leider immer noch viel zu selten ist, gleichzeitig auch noch mit Wissen gefüttert. Ein Beispiel, das ruhig Schule machen dürfte. Vor allem, da Krappweis nicht den Fehler macht, Kinder und Jugendliche zu unterschätzen und zu sehr zu vereinfachen oder belehrend zu wirken. Damit aber wird die Geschichte auch für Erwachsene interessant und vermutlich sogar lehrreich. Krappweis nimmt seine Leser ebenso ernst wie seine Figuren und schafft es so, einen Roman zu schreiben, der den strapazierten Ausdruck ‚All Age’ tatsächlich verdient.

Götter, Germanen und Gelehrte. Und Gnampf

Insgesamt lässt sich ‚Mara’ am ehesten mit Pat O’Sheas inselkeltischem Mythologie-Märchen ‚ Die Meute der Morrigan’ vergleichen. Auch in O’Sheas Geschichte erhalten die Kinder von einem obskuren, keltischen Gott den Auftrag, ein uraltes, einst gefangenes Übel aufzuhalten und geraten dadurch aus unserer Realität immer tiefer in die sehr lebendige Parallelwelt der Mythen, in der sie zahlreichen Figuren aus der keltischen Götter- und Sagenwelt begegnen.

Mara wird ihrerseits von einem geheimnisvollen Auftraggeber in die Welt der germanischen und nordischen Legenden und Götter geschubst und muss sich mit uralten Göttern ebenso auseinandersetzen, wie mit Helden aus dem deutschen Sagenschatz und Erfindungen Richard Wagners. Dabei muss sich Krappweis’ Geschichte jedoch keinesfalls hinter O’Sheas und ihrem Jugendbuchklassiker verstecken. Wie ihr gelingt es ihm, die verschiedenen Erzählebenen aus Realwelt und Mythen zu einem homogenen Ganzen zu verbinden.

Schräge Figuren mit Anhang

Das liegt nicht zuletzt an der bis in die Nebenfiguren gelungenen Charakterzeichnung. Ob es der verschmitzte Professor, die entschlossene, neugierige Mara (auch wenn sie gelegentlich ein wenig altklug und zu erwachsen wirkt), ihre esoterisch ordentlich verschwebte Mutter oder der schlitzohrig-unverschämte Loki selbst ist – alle Figuren sind liebevoll entworfen und lebensnah genug, um trotz aller Phantastik glaubhaft zu sein. Nebenbei bemerkt: Man merkt deutlich, dass Krappweis die ‚Edda‘-Nacherzählung ‚Die wilden Götter’ von Tor Åge Bringsvaerd mochte, die er im Literaturverzeichnis erwähnt. Denn wie dort sind auch seine Germanen-Götter charmant menschliche Figuren und definitiv un-wagnerisch. Natürlich bis auf eine Ausnahme.

Vielleicht einziger Kritikpunkt an diesem sonst gelungenen und originellen Jugend-Fantasy-Roman ist der schwankende Humorlevel. Der Anteil an Wortspielereien, Sprachwitz und Situationskomik ist im ersten Drittel des Romans deutlich höher als gegen Ende. Das ist nicht wirklich störend – fällt aber immerhin auf. Wobei es schwer zu entscheiden ist, welcher der beiden Stile angenehmer ist. Das ist allerdings tatsächlich Jammern auf hohem Niveau.

Wo wir gerade schon dabei waren: Erwähnenswert ist auch der sehr ausführliche Anhang, in dem die verschiedenen vorkommenden Figuren und mythologischen Elemente noch einmal ausführlich beschrieben werden. Das ganze wird abgerundet durch ein ausführliches Literaturverzeichnis, mit dessen Hilfe interessierte Leser noch tiefer in die immer noch erstaunlich wenig bekannte Mythenwelt der Germanen und Vikinger abtauchen kann. Zusammen mit einer wohltuend dezenten Covergestaltung ist Krappweis und seinem Verlag also ein rundum gelungenes und ohne Einschränkungen empfehlenswertes Buch gelungen.

Diese Rezension von Tom Orgel erschien bereits auf www.phantastik-couch.de. Sie wurde hier mit freundlicher Genehmigung des Autors veröffentlicht.

Mara und der Feuerbringer
Mara und der Feuerbringer
Tommy Krappweis
Fantasy
Egmont Schneiderbuch
2009
332

Funtastik-Faktor: 91%

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