Schatten über Elantel – Brandon Sanderson

Mit allomantischer Kraft gegen einen wandelbaren Killer

Schatten über Elantel- Brandon Sanderson © Piper
Schatten über Elantel © Piper

300 Jahre nach der Befreiung der Nebelgeborenen-Welt Scardrial aus der Asche befindet sich diese in den Anfängen der industriellen Revolution – und mitten in einer gesellschaftlichen Krise. Der ehemalige Ordnungshüter im Rauland Wax, ausgestattet mit allomantischen Fähigkeiten, hat das Trauma um den Tod seiner Geliebten Lessie verdrängt und plant seine Zukunft in der Metropole Elantis. Er ist mit Steris, einer zu seinem adeligen Stand passenden Dame, verlobt und dient bei der Polizei. An seiner Seite im Kampf gegen das Verbrechen: Wayne, der auf Hüte fixierte Kleptomane und Marasi, ehemalige Juristin und Schwester seiner Zukünftigen.

Der Bruder des Gouverneurs der Stadt und seine Gäste werden während einer Gesellschaft abgeschlachtet. Selbst ein von Wachen gesicherter Schutzraum hat den Mörder nicht aufhalten können. Wax glaubt, dass ein Ferrochemiker am Werk war. Kurz danach findet er die Leiche einer Frau, die genau die magischen Talente hatte, die dem Mörder seine Tat ermöglichten. Hat er diese Fähigkeiten aus seinem Opfer extrahiert? Mit Hilfe des Einträchtigen findet Wax Hinweise auf einen altbekannten Feind, den er vernichtet glaubte: Bleeder, dem Mörder seiner Lessie. Als dieser Botschaften an den ehemaligen Sheriff schickt, wird klar, an wen seine Gräueltaten adressiert sind. Und doch scheint es der Täter auf den Gouverneur von Elantel abgesehen zu haben. Was hat er vor? Will er einen Aufstand der Armen gegen die adelige Elite schüren? Oder treibt er ein perfides Spiel mit Wax, das ihm die Todesopfer einer blutigen Revolution wert ist?

„Für alle Neueinsteiger und Nebelgeborenen-Fans“

heißt es zu dem Buch im Frühjahrsprogramm des Piper-Verlags. Ich war so ein Neueinsteiger. Mein Tipp an alle anderen ist, zuerst ab Seite 508 die Erklärungen zur Metallurgie zu lesen und ein wenig zu den ersten Bänden der Nebelgeborenen-Reihe zu recherchieren. Der Einstieg in „Schatten über Elantel“ ist holprig, wenn die Wirkungsweise der allomantischen Magie gänzlich unbekannt ist. Allerdings macht die Einzigartigkeit dieser auf Chemie, Physik und Metaphysik basierenden Kraft ihren Reiz aus. Nach etwas einlesen weiß man die Innovation zu schätzen, die diesem Magiesystem innewohnt. Ein weiteres Mysterium für den Neueinsteiger sind die Götter der Welt Scadrial, damit wird der Leser leider allein gelassen. Ein kleines Glossar mit den Göttern der Nebelgeborenen-Welt hätte Abhilfe geschaffen. Es gibt ein Kosmeer-Wiki im Netz, das allerdings viele Lücken aufweist. (Kosmeer = Oberbegriff für Sandersons Universum)

Brandon Sanderson ist einer von den Autoren, die es schaffen, in eine düsterere Atmosphäre Humor einzubringen, ohne dass der aufgesetzt wirkt. Es sind originelle Dialoge und trockene Sprüche, die die Tristesse ein wenig auflockern. Sandersons Schreibe ist eine der abwechslungsreichsten, die ich je lesen durfte. Der Autor versteht es meisterhaft, mit Worten Stimmungen zu erzeugen.

„Bleib Du hier während wir in diesen Slum gehen!“ sagte Wayne und legte möglichst große Ernsthaftigkeit in seine Stimme. „Nicht, dass ich deine Hilfe nicht brauchen könnte. Es ist nur einfach viel zu gefährlich für dich. Du bleibst hier, denn da weiß ich dich in Sicherheit. Keine Widerrede! Es tut mir leid.“
„Wayne.“ Wax ging an ihm vorbei. „Hör auf mit deinem Hut zu reden und komm schon!“ [Anfang Kapitel 3, S. 61]

So lässt man sich Klischees gern gefallen

Ein weiteres Plus sind die Figuren dieser Teilreihe. Überzeichnet zwar, aber trotz ihrer magischen Begabungen funktionieren sie als Identifikationsfiguren. Der ‚lonesome Cowboy‘ und der clevere Gaukler ergänzen einander und sind vielschichtigere Charaktere, als das klischeehafte Äußere vermuten lässt. Sanderson steckt seine Figuren in ein stereotypes Korsett und lässt sie darüber hinaus wachsen. Der Trick funktioniert auch bei dem Bösewicht, der zunächst wie ein skrupelloses Monster wirkt und dennoch eine glaubwürdige Motivation hat. Die gesamte „Wax und Wayne“ Reihe ist vor einem ‚Western trifft Industriezeitalter‘ Hintergrund angelegt, der befürchten lässt, das den Frauen eine eher schwache Rolle zukommt. Das Gegenteil ist der Fall. Die Ermittlerin Marasi und die Kandra MeLaan gehören zu den interessantesten Persönlichkeiten, weil sie sich in der männerdominierten Welt durchzusetzen verstehen und die Handlung entscheidend voran bringen. Auch Steris trockener Humor trägt dazu bei, dass die Frauen in Elantel alles andere als hausbacken herüber kommen.

Längen sind auf den gut 500 Seiten nicht zu beklagen, mancher Szenenwechsel hätte sogar etwas mehr erklärenden Kontext vertragen. Sandersons variantenreicher Erzählstil und seine authentischen Figuren helfen dem Leser jedoch schnell über Startschwierigkeiten hinweg. Man wird mit jeder Seite mehr in diese abwechslungsreiche Geschichte mit perfekt platzierten Überraschungsmomenten hineingezogen. Mit der Geschichte entwickelt sich auch das umgebende Setting. Ein Gefälle zwischen Arm und Reich, korrupte Politik und die Manipulation der öffentlichen Meinung sind gesellschaftskritische Aspekte, die der Autor natürlich in die Handlung einfließen lässt, ohne dem Leser eine Botschaft aufzudrängen. Sie bilden vielmehr den Nährboden für eine phantastische Serienkiller-Story, die fesselnd und zugleich gehaltvoll unterhält.

Fazit:

Insgesamt hat Brandon Sanderson mit „Schatten über Elantel“ ein aktionsreiches und kurzweiliges Abenteuer erschaffen, das sich nahtlos in das Gefüge der „Nebelgeborenen“ einfügt. Sie führt ihre Welt in eine Ära, die vielerlei Umbrüche und somit Ansatzpunkte für weitere Episoden bereithält. Beim Presse und Bloggertreffen auf der Leipziger Buchmesse erklärte Brandon Sanderson das Konzept seines Fantasy-Werks. Eigentlich wollte er Scardrial direkt in die jüngere Vergangenheit der 80er Jahre führen, die sicherlich auch eine interessante Grundlage bietet. Trotzdem war es eine gute Entscheidung, die Nebelgeborenen und ihre Magie vorher im Zeitstrang Halt machen zu lassen. Und zwei so streitkräftige wie sympathische Protagonisten mit Geschehnissen zu konfrontieren, die nur ein Zeitalter hervorbringen kann, in dem Magie und Industrialisierung aufeinandertreffen

Eva Bergschneider

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Schatten über Elantel
Wax und Wayne - Band 2
Brandon Sanderson (Übersetzung Karen Gerwig)
Fantasy
Piper-Verlag
März 2017
528

Funtastik-Faktor: 83

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