Kein Märchen, sondern eine gesellschaftskritische Fantasy-Dystopie
Das Königreich Tensia, in dem Opal als Wasserträgerin schuftet, zieht seine Macht aus seinen Magiern. Diese allein schützen das Reich und sie haben die Bedeutung der Königsfamilie längst auf einen rein repräsentativen Status reduziert. Ihre Kräfte ziehen sie aus dem hochgiftigen Samen der Dunkeldornen, die im kargen, heißen Süden des Reiches angebaut und geerntet werden. Womit wir wieder bei Opal wären. Wir lernen sie just kennen, als etwas passiert, das nie passieren sollte.
Die schwarzen Blüten stoßen ihre toxischen Samen in die Luft aus und das ganze Dorf stirbt einen grausamen, unnötigen Tod. Opal selbst hat Glück im Unglück. Sie wird von einer Professorin der Dunkeldornen-Universität gefunden, versorgt und mit in die Hauptstadt genommen. Aufgrund ihrer unerklärlich schnellen Genesung hat sie die Aufmerksamkeit der Dozentin auf sich gezogen, die sie als Hilfskraft einstellt. Warum nur erholt sie sich, anders als alle anderen betroffenen Mitbürger, so schnell von den Vergiftungen?
Als Laborhelferin begegnen ihr nicht nur die arroganten angehenden Magier, sondern unter diesen auch der Kronprinz. Er ist der erste seiner Linie, der magische Gaben sein Eigen nennt. Als sich der junge Mann für sie interessiert und ihr nach einem Giftanschlag gar das Leben rettet, findet sie sich unerwartet und ungewollt mitten in einem Geflecht aus tödlichen Geheimnissen, Intrigen und Komplotten wieder.
Bildhaft, düster und fesselnd erzählt
Auf den ersten Blick erinnert die Grundsituation an gängige Dornröschen-Motive und Adaptionen. Das einfache Mädchen vom Lande, der geheimnisvolle Prinz aus der Metropole, dunkle Geheimnisse und Gefahren – das kennen wir leidlich.
Doch Katharina Seck fesselt uns im ersten Band der „Dunkeldorn-Chroniken“ „Blüten aus Nacht“ mit einem anderen Plot: eine ganz ungewöhnliche Magie, eine verkarstete Gesellschaft, in der die Pfründe mit allen Mitteln verteidigt werden, ein starres Klassensystem, in dem ein Aufstieg nicht vorgesehen, nicht möglich ist.
Die Atmosphäre sowohl in der Plantage im Süden, als auch in der Universität und der Hauptstadt ist geprägt von Angst. Furcht vor tödlichen Verletzungen, Angst vor Anschlägen oder dem Aufdecken gut gehüteter Geheimnisse. Mitgefühl, Empathie und Vertrauen ist hier weder vorhanden noch gewünscht. Ein Jeder sucht zulasten der anderen ihr oder sein Glück, das sich allein auf Machtausübung reduziert.
Diese ihr so fremde Welt lernt unsere Ich-Erzählerin peu a peu kennen und fürchten. Ihr begegnen Gewalt, Unterdrückung und finstere Geheimnisse. Kaum lernt sie eine Person kennen, der sie vielleicht vertrauen kann, verliert sie diese wieder. Sie ist allein, unsicher, ja überfordert angesichts der gedankenlosen Anfeindungen, der Nachstellungen und der Brutalität, der sie sich gegenüber sieht. Dennoch gibt sie aber nie auf, sondern wehrt sich mutig mit ihren eigenen Mitteln. Hier hat die Verfasserin auch Parallelen zu unserer Realität gezogen, hier lässt sie Gesellschaftskritik in den Plot einfließen.
Fazit
Sprachlich sehr bildhaft gestaltet zieht die Handlung uns Lesende schnell in ihren Bann, schockt uns immer wieder mit der beschriebenen alltäglichen Brutalität. In diesem Serienauftakt erwartet und eine moderne, spannende Dystopie, der Katharina Seck noch zwei Fortsetzungen hat angedeihen lassen. „Ranken aus Asche“ und „Knospen aus Finsternis“ erscheinen in den nächsten Monaten.
Carsten Kuhr
Die Dunkeldorn-Chroniken, Band 1
Fantasy
Blanvalet Verlag
Oktober 2022
Buch
400
Anke Koopmann
81