Zwischen Doomsday- und Goldgräberstimmung
Donnerstag, den 17. Oktober 2019
In diesem Jahr bin ich bereits am Buchmesse-Donnerstag nach Frankfurt gereist. Hauptsächlich weil ich aufgrund meiner Mitarbeit an der Sonderausgabe der „Tolkien-Times“ von der Hobbit Presse zu einem Abendessen eingeladen war.
Zuvor nahm ich mit Judith, Jess und Swantje von Literatopia zwei Verlagstermine wahr. Der erste fand um 11 Uhr statt. Infolge der Verspätung meines ICE rannte ich mit dem Köfferchen durch die Messehallen und erreichte den Termin so gerade. Ein gemütliches Beisammensein mit Patricia Kessler von Droemer-Knaur ist immer eine Freude. Aber vom Frühjahrs-Programm 2020 waren wir doch eher enttäuscht. Immerhin bietet sich mit dem neuen Einzelroman „Das neunte Haus“ ein Einstieg in die literarische Welt von Leigh Bardugo, die mit ihrer Grisha-Trilogie („Das Lied der Krähen“) DIE Fantasy-Entdeckung vor zwei Jahren war. Zumal dieser Roman ein Adult Urban Fantasy Roman ist, was mir eher liegt, als All-Age. Sonst werden bei Droemer-Knaur hauptsächlich bestehende Reihen fortgesetzt.
Danach war Zeit für einen kleinen Tee-Snack und einen ausführlichen Schnack mit Swantje Niemann und Klaudia Seibel von der Phantastischen Bibliothek in Wetzlar. Ich möchte schon lange die Wetzlarer Tage der Phantastik besuchen und hoffe, es klappt im nächsten Jahr. Das Thema für 2020 „Science-Fiction von Frauen“ klingt jedenfalls verheißungsvoll. Klaudia erzählte, dass sie zudem eine Studie leitet, die sich zum Ziel gesetzt hat, zusammenzustellen, was die Science-Fiction Literatur über Produktionsprozesse der Zukunft verrät.
Dream Ursula – B2B Edition
Klaudia Seibel saß auf dem Podium einer Diskussion mit dem Titel „B2B Edition“, die im Rahmen der „Dream Ursula“ Veranstaltungen zur Hommage an Ursula K. Le Guin angeboten wurden. Die AutorInnen Thore Hansen, Theresa Hannig, sowie Klaudia Seibel diskutierten über die Zukunft des Publishings. Werden wir lesen oder eher zuhören? An public telling places und in interaktiven Erlebniswelten für AutorInnen und LeserInnen? Landen Geschichten, die sich wie Realität anfühlen, direkt im Wahrnehmungszentrum unseres Gehirns? Wie manipulierbar sind diese digitalen Darreichungsformen? Sind in Zukunft Plattformen die Hüter eines Contents, dessen Eigentümer sie nicht sind? Welche Aufgaben werden KIs schon in naher Zukunft übernehmen? Die der Vorauswahl eines Manuskripts? Oder gar das Lektorat?
Eine derartige Software gibt es bereits. Interessanterweise erwähnte niemand den Namen eines bestimmten Produkts für AutorInnen und Verlage, das auf der Buchmesse vorgestellt wurde. Was Voldemort für die Zaubererwelt in den Harry Potter Büchern, ist LiSA anscheinend für die Buch- und Verlagsbranche. Katja Böhne moderierte das Gespräch und band auch die wenigen ZuschauerInnen mit ein. Interessant waren sowohl die Kurzvorträge, als auch die Diskussionen. Das Event hätte ein größeres Publikum verdient gehabt. Mit Swantje Niemann tauschte ich mich anschließend beim Kaffee über LiSA aus. Sie würde gern ihre „Drúdir“ Bücher einmal mit der KI analysieren. Und wird vielleicht darüber einen Artikel auf ihrem AutorInnen-Blog schreiben.
Um 17:30 empfing uns Markus Wagner am Klett Cotta Stand, was ihm hoch anzurechnen war. Seine KollegInnen waren nämlich schon beim Sekt in Feierabendstimmung. Ein echter Hingucker waren natürlich die „Herr der Ringe“ Ausgaben des Verlags. Programmatisch hielten wir es bunt gemischt: Fantasy, Krimi, Belletristik, Sachbuch. Ich persönlich freue mich, dass die Tad Williams Saga „Der letzte König von Osten Ard“ mit „Das Reich der Grasländer“ endlich weitergeht. Und mit „Im Schatten des Kronturms“ von Michael J. Sullivan bietet sich die Gelegenheit, in die Riyria-Chroniken einzusteigen, deren Vorgeschichte hier erzählt wird.
Die Tolkien Times Sonderausgabe gibt ein Essen beim Italiener aus
Ich war eine von sechszehn BloggerInnen, die einen Artikel in der Tolkien Times, der Sonderausgabe zum 50-jährigen Jubiläum des deutschen „Herr der Ringe“ schreiben durften. Also stellte ich eines meiner Lieblingsbücher aus der Hobbit Presse, den Auftakt der „Osten Ard“ Saga „Der Drachenbeinthron“ von Tad Williams vor. Zum Dank waren wir die Gäste der Hobbit Presse im direkt am Mainufer liegenden Bistro Salvatore, in das ich bei strömenden Regen einkehrte. Das Essen war sensationell lecker: Tomate-Mozzarella, Steinpilztortelloni an Trüffelpesto, Tiramisu und bester Rotwein. Es war so schön Phillip von Book Walk und Lea von Liberiarium wiederzusehen und weitere Blogger, sowie Carolin Tietze und Ronald Sazinger vom Verlag kennenzulernen. Ein richtig netter und stimmungsvoller Abend.
Freitag, den 18. Oktober 2019
Mit dem etablierten Redakteursteam ging es um 11 Uhr bei Fischer-Tor weiter. Milena Kahlcke stellte uns querbeet durch die Genres und Imprints Bücher vor. Nur Phantastik war kaum dabei. Judith und ich waren echt enttäuscht. Verglichen mit dem was Fischer-Tor vor zwei Jahren an Fantasy und Science-Fiction Titeln an den Start brachte, ist das Frühjahr/Sommer Programm 2020 mager. Kai Meyer Fans dürfen sich immerhin auf die Fortsetzung der „Merle“ Serie freuen. Eine neue Autorin, Kira Jane Buxton, bringt mit „Hollow Kingdom-Das Jahr der Krähe“ einen Tierfantasy-Roman für Erwachsene heraus. Es geht um den Klimawandel und die Zerstörung unserer Welt. Vielleicht ist dieses Buch ein Lichtblick.
Gegen Mittag traf ich Stefan Heidsiek, ein Kollege aus Krimi-Couch Zeiten und inzwischen der Betreiber des Krimi-Blogs Crimealley, bei der Siegerehrung des Buchblog-Awards (BuBla). Wir blieben nicht lange, da Hauke Harder, der mit seinem Blog Leseschatz in der Shortlist des BuBla stand, leider nicht kommen konnte. Sein Zug fuhr nicht. Stattdessen trafen wir Stefans Kumpel aus der Buchhändler-Ausbildung. Auf den Hot-Dog vom Börsenverein verzichtete ich, weil es den nicht vegetarisch gab und ich mit Amandara essen wollte. Meine Freundin und Mitstreiterin traf ich dann um 13 Uhr. Wir holten uns einen Asia-Snack, ließen es uns trotz des Regens schmecken und bummelten anschließend ein wenig über die Agora. Insgesamt war die Zeit mit Amandara leider zu kurz, denn am Nachmittag hatte ich weitere Termine.
Zu Besuch bei Blanvalet, Piper und Bastei Lübbe
Es ging weiter bei Katharina Schleicher vom Randomhouse Label Blanvalet. Der Verlag führt die „Alex Verus“ Reihe von Benedict Jacka weiter, die gleich beide Herren aus dem phantastisch-lesen Team besprechen. Des Weiteren kommt ein Zeitreiseroman zum Spiel „Time Sorter“ unter dem gleichen Titel heraus. Auf Deutsch heißt das Spiel „About Time“ und dreht sich um Wissensfragen zur Zeitgeschichte. Es ist anscheinend schon älter, auf die Schnelle finde ich es im hiesigen Online-Handel nicht. Jedenfalls schreibt dieses Buch zur Spielidee Christopher Lambert und vielleicht lohnt ein Blick hinein. Einen der kommenden Blanvalet Titel las Swantje schon im englischen Original und konnte ihn empfehlen: „Im Zeichen der Mohnblume“ (Orig. „The Poppy War“) von der US-Autorin mit chinesischen Wurzeln Rebecca F. Kuang. Fantasy mit asiatischem Touch. Auch die Bücher des Autors Daniel O Malley hören sich vielversprechend an, seine „Codename“-Reihe wird weitergeführt. Sie erzählt Geschichten um eine Rook, eine Agentin, die Großbritannien gegen übernatürliche Bedrohungen verteidigt.
Anschließend schauten wir beim Piper Verlag vorbei. Der Termin war erst auf den letzten Drücker zustande gekommen und wir waren gespannt, was uns erwartete. Es war ein wirklich nettes Gespräch mit Elisa Daum und sie präsentierte begeistert einige interessant klingende Titel aus ihrer Vorschau. In „Die letzte Astronautin“ von David Wellington wird eine Mars-Pionierin rekrutiert, als sich eine Katastrophe anbahnt. Laura Kneidls „Das Flüstern der Magie“ ist in einer magischen Version der ohnehin verzauberten Stadt Edinburgh angesiedelt. Und vom großen Robert Jordan („Das Rad der Zeit“) erscheint der bisher unveröffentlichte Debutroman „Die Krieger der Altaii“.
Über Bastei-Lübbe kursierte das Gerücht, sie würden ihr separates Phantastik-Programm aufgeben und insgesamt die Anzahl phantastischer Titel drastisch reduzieren. Nun, ersteres trifft zu, wie uns Annette Geduldig und ihre neue Kollegin Sarah Werbelow erklärten. Wie wir es bei Droemer-Knaur und Fischer-Tor schon gesehen haben, wird man zukünftig die Fantasy- und Science Fiction Titel im Belletristik Programm finden. Insgesamt fällt das Programm zumindest für das nächste Frühjahr umfangreicher und interessanter aus, als bei anderen Verlagen. Akram El-Bahay ist mit einer neuen Reihe „Das Schattentor“ vertreten. Mit „Neonbirds“ von Marie Grasshoff kommt endlich wieder eine Cyberpunk-Serie auf den Markt. Und Rebecca Roanhorse ‘ Reihe „The Sixth World“ (der deutsche Serientitel KÖNNTE „Meister der Heuschrecken“ lauten. Ich bin nicht sicher) erzählt Dark-Fantasy mit Native American Motiven. Auch hier waren wir positiv überrascht.
Ich ging vorzeitig aus dem Termin, denn ich wollte mich noch einmal mit Stefan auf ein traditionelles Messe-Weizen am Franziskaner-Stand treffen. Da saßen wir dann, tauschten unsere Sicht der Dinge über das Literaturbusiness aus und tratschten ein wenig über dieses und jenen.
Zwischenfazit und Abendprogramm
Von den Verlagsterminen bleibt ein zwiespältiges Bild zurück. Einerseits ist es schade, dass die separaten Phantastik-Programme eingestellt werden. Die Fantasy und Science-Fiction erhält dadurch weniger Werbung und Aufmerksamkeit, was sehr bedauerlich ist. Andererseits war ich nie ein Freund davon, in Genre-Schubladen zu denken. Wenn diese Einschränkung zur Folge hat, dass zwar weniger, dafür aber mutigere und interessantere Phantastik veröffentlicht wird, die sich im Belletristik Bereich durchsetzten, soll es mir recht sein. Einige der AutorInnen, die in Publikumsverlagen unterkamen, wechseln jetzt wieder zu Klein-Verlagen. Ich hoffe, dass sich dadurch für sie die Bedingungen nicht verschlechtern. Für die durch die KNV Pleite arg gebeutelte Kleinverlags-Szene könnte dies eine neue Chance bedeuten. Nämlich die, mit guten Autoren vielseitige Phantastik abseits der so oft verwendeten Muster zu publizieren.
Um 19:30 traf ich die Orgels, Carsten Steenbergen, seine Freundin Anke und Manuel Schmitt im chinesischen Restaurant. In früheren Jahren war das der traditionelle FBM Treffpunkt der Autorencrew der Agentur Schmidt & Abrahams. Nun waren wir zwar nur zu sechst, aber das Buffet immer noch sehr gut und eine geeignete Grundlage für das Galaktische Forum, die Dromer-Knaur/Fischer-Tor Verlagsparty. Gestärkt pilgerten wir durch Frankfurts Rotlichtbezirk und offene Drogenszene zum schicken 25Hours Hotel. Ich hatte den Eindruck, dass die Party nicht ganz so gut besucht war, wie sonst, was aber der Stimmung keinen Abbruch tat. Vielleicht waren dadurch die Gespräche dort umso intensiver, bevor es auf die Tanzfläche ging.
Samstag, 19. Oktober 2019 – BuCon in Dreieich
BuCon ist Familie sagen sie immer und das stimmte für mich noch nie so sehr, wie in diesem Jahr. Ich fühlte mich dort sauwohl, hatte viel Spaß und gute Gespräche mit alten und neueren Bekannten unter den BloggerkollegInnen, AutorInnen und VerlegerInnen. Ich würde ja viele Leute kennen und sei gut vernetzt, meinten Judith von Literatopia und Florian von Creepy Creatures. Das stimmt und liegt weniger an intensiver Social Media Präsenz, sondern einfach daran, dass ich schon über zehn Jahre im Dienst der Phantastischen Literatur unterwegs bin. Inzwischen ist der BuCon auch für mich eine Art zu Hause unter Freunden geworden.
Gemeinsam liest es sich lustiger
Vier Lesungen habe ich gelauscht. Tom und Stephan Orgel lasen mit Carsten Steenbergen aus dem im Februar erscheinenden Fantasy-Roman „Das Haus der tausend Welten“ die Szene, in der die Protagonisten Fuchs und Ako einander begegnen. Ich mag die Szene einfach. Statt Bücher gab es nach der Lesung Bierflaschen mit „Rockhammer-First Martian Ale“ mitzunehmen. Die Mars-Variante des Biers, das in allen Büchern von T.S Orgel vorkommt, geht auf den Roman „Terra“ zurück. Ich habe es inzwischen probiert und für sehr gut befunden.
Swantje Niemann las aus dem ersten (Drúdir-Dampf und Magie) und dem noch nicht veröffentlichten letzten Band der „Drúdir“-Romane sehr stimmungsvolle Szenen. James A. Sullivan und Judith und Christian Vogt trugen jeweils zu Dritt aus „Stadt der Symbionten“ und „Wasteland“ spannende Szenen mit coolen Dialogen vor. Das Buch „Wasteland“ hatte ich vor der Buchmesse gerade angefangen, kannte die vorgetragene Passage jedoch nicht. Inzwischen las ich die Szene mit martialischen Proklamationen der Brokes Gang und hörte dabei Christians Stimme in meinem Kopf. Sein Vortrag war wirklich passend und die Szene wie für eine Lesung geschrieben.
Zum Schluss lasen die Orgels in Carsten Steenbergens Lesung mit, der sein im November erscheinendes Buch „Im Reich des toten Königs“ vorstellte. Die Drei machten eine witzige Show aus der Lesung eines Fantasy-Romans, der auf die gängigen Genreelemente verzichtet. Weder Drachen noch Zauberer, Orks oder Zwerge bevölkern dieses Reich auf einem Plateau in den Wolken, nur Hybridwesen, drei zusammengewürfelte Protagonisten und eine Art Gott.
Oliver Plaschkas Lesung aus „Der Wächter der Winde“ versäumte ich leider, weil sie parallel zu Carstens Lesung stattfand. Glücklicherweise traf ich ihn draußen und er gab mir das Exemplar, das ich bei der All Hallows Read Blogtour verlose. Und schrieb in mein „Wächter der Winde“ Buch eine Signatur, was mich sehr freute. Die Autorin Esther Schmidt war so nett, mich wieder mit nach Frankfurt zu nehmen. Mein Zug hatte auch dieses Mal eine halbe Stunde Verspätung und um halb neun war ich wieder daheim. Was für ein Tag, was für ein Wochenende. Ich fühlte mich von den vielen lieben und klugen Menschen, die ich in Frankfurt und Dreieich traf, selten so angenommen. DANKE dafür. Wir sehen uns alle hoffentlich gesund und happy in Leipzig wieder.
Eva Bergschneider
Es war schön Dich mal wiederzusehen. Bis spätestens nächstes Jahr! 🙂
LG
Stefan