Das Dunkle Zeitalter (Red Rising Bd 5, Teil 2) – Pierce Brown

Noch mehr Gewalt und weiterhin Wissenslücken

Das Dunkle Zeitalter, Teil 2 (Red Rising, Bd.5) - Pierce Brown © Cross Cult
Das Dunkle Zeitalter, Teil 2 © Cross Cult

Das Dunkle Zeitalter, Teil 1“ hinterließ bei mir gemischte Gefühle. Bedingt durch eine missverständliche Formulierung seitens des Cross Cult-Verlags machte ich den Fehler, diesen Roman für den Auftakt eines eigenständigen Handlungsabschnitts innerhalb des „Red Rising“-Universums zu halten, der für Neueinsteiger geeignet wäre. Aber in Wahrheit handelte es sich hierbei um den ersten Teil des zweiten Bands einer weiterführenden Handlungstrilogie. Weshalb ich nicht wusste, wer die jeweiligen Charaktere waren und was in den vorherigen Romanen geschah. Da ich diese nicht gelesen hatte.

In Teil 2 (aus dem Originalband „Red Rising-Dark Age“ wurden zwei deutschsprachige) sind die Dinge anders gelagert. Inzwischen kenne ich die wichtigsten handlungstragenden Charaktere. Und die Handlung bedingt in weiten Teilen nicht mehr die Vorkenntnisse der früheren Bücher.

Der Feind in den eigenen Reihen

Es läuft für Darrow nicht alles nach Plan. Obwohl er auf dem Merkur halbwegs erfolgreich dem Feind wiederholt Schläge verpasst, erleiden er und seine Truppen ebenfalls erhebliche Verluste. Und dann gelingt es schließlich einem seiner schlimmsten Gegner sich einzuschleichen und ihm eine deutliche Niederlage zu verpassen.
Auch auf der Erde laufen die Dinge nicht so, wie sie sollten. Die Republik, die von ihm frischgegründete Demokratie, wurde von Feinden unterwandert und zerstört. Seine Ehefrau Virginia kann den Untergang nicht mehr aufhalten, sondern muss zum Mars fliehen.

Ein zentraler Konflikt

Was diesen Roman vor allem ausmacht, ist der Konflikt zwischen den zwei komplett gegensätzlichen Figuren Darrow und Lysander. Der erstgenannte ist ein Rebell, der das bisherige Herrschaftssystem der farbigen Kasten vollständig zerstören möchte. Egal, welchen Preis er dafür zahlen muss. Letzterer verteidigt hingegen das alte System, weil er der Meinung ist, dass es trotz einiger Mängel seine Daseinsberechtigung hat.

Ambivalente Darstellung

Welcher von den beiden hat recht? Wenn man mit dem Buch durch ist, erkennt man, dass einerseits beide und andererseits keiner von ihnen absolut richtig mit seiner Sicht der Dinge liegt. Gute Argumente auf beiden Seiten. Doch durch fragwürdige Aktionen, ausgeführt von jeweiligen Freunden oder Verbündeten aus ihrem Umfeld, unterminieren sie ihre eigene politische Agenda. Das zeigt sich besonders deutlich in der Republik. Darrows Ehefrau Virginia schreckt bei dem Versuch, ihrem Mann wichtige Unterstützung zu schicken, nicht davor zurück, Gedanken und Erinnerungen derjenigen zu manipulieren, die dem Vorhaben im Weg stehen. Dass es sich hierbei um eine Verzweiflungstat und Idee handelt, die vor ihr bereits andere hatten, macht die Sache nicht besser.

Pierce Brown bemüht sich, die entsprechenden Seiten und ihre Ansichten glaubwürdig darzustellen. Vor allem bei Lysander gelingt es ihm, eine Figur zu schreiben, die durch Intelligenz und Gewieftheit glänzt. Gleichzeitig werden dessen Argumente überzeugend und nachvollziehbar dargebracht. Man ist zwar nicht unbedingt seiner Meinung, aber man versteht sie.

Noch mehr unnötige Gewalt

Während man den Abenteuern von Darrow und Lysander, sowie den Erlebnissen Virginias nach dem Lesen des ersten Teils halbwegs folgen kann, ist man beim Lesen anderer Plots, beispielsweise den mit Lyria auf dem Mars, frustriert. Erneut erweist sich die missverständliche Kommunikation und die dadurch bedingt die Tatsache, dass ich die ersten „Red Rising“ Bände nicht las, als problematisch. Hier agieren Figuren, die zuletzt im ersten Dreiteiler auftraten. Und so stellt man sich verwirrt die Frage: Wer sind diese Charaktere und welche Vorgeschichte bringen sie mit?

Dazu kommt die immense Brutalität. Dachte man zunächst, dass Pierce Brown die Darstellung der Gewalt aus dem ersten Teil nicht mehr toppen kann, sieht man sich beim Lesen von „Das Dunkle Zeitalter, Teil 2“ eines Besseren (oder Schlechteren) belehrt. Der Autor setzt hier noch einen drauf, was dem Buch keinesfalls guttut. Wenn man zum Beispiel liest, wie Lyria ein neugeborenes Baby an einen Baum festgenagelt vorfindet, wird einem ganz anders. Oder wie fast beiläufig ein neuer Antagonist den Tod von tausenden seiner Kastengenossen befiehlt, nur weil sie nicht bei seiner Sache mitmachen. Oder wie eine siegreiche Partei die Soldaten der Gegenseite bei lebendigem Leibe aufspießt, woraufhin sie langsam und qualvoll sterben. 

Es ist schon klar, dass Pierce Brown hier eine Gesellschaft beschreibt, in der eine gewisse Gewalttätigkeit vollkommen normal ist. Und in der sich durch zahllose Konflikte die Gewaltbereitschaft und Brutalität immer mehr aufschaukelt. Das heißt allerdings nicht, dass man dies gutheißen muss. Im Gegenteil: Mich persönlich stößt so etwas ab, weil viele der detaillierten Gewaltbeschreibungen meiner Meinung nach nur um des Schockeffekts willen enthalten sind und nicht wirklich der Handlung dienen.

Fazit

Das ist auch der hauptsächliche Grund dafür, dass ich „Red Rising: Das dunkle Zeitalter, Teil 2“ noch weniger abgewinnen kann als dem ersten Teil. Obwohl mir mehr Hintergrundwissen zur Verfügung stand, fand ich diesen zweiten Teil nicht besser als den ersten. Wer sich von den überzogenen Gewaltdarstellungen nicht abschrecken lässt und den positiv wertenden Stimmen folgt, sollte die „Red Rising“ Reihe mit dem ersten Band beginnen. Und sich darüber klar sein, dass „Das Dunkle Zeitalter“ keine von den Vorgängern unabhängige Geschichte erzählt.

Götz Piesbergen

Das Dunkle Zeitalter, Teil 2
Red Rising, Band 5, Teil 2
Pierce Brown, Übersetzung: Claudia Kern
Science Fiction
Cross Cult
Juni 2020
555
Charles Brock
40

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