Delta-V – Daniel Suarez

Aktuell, brisant, warnend – ein typischer Suarez?

Delta-V © rowohl Verlag

Die kommerzielle Eroberung des Weltalls ist nicht mehr aufzuhalten. Dies weiß auch der Bitcoin-Milliardär Nathan Joyce, der 2032 ein bemanntes Raumschiff zu einem Asteroiden entsenden will. Dringend benötigte und entsprechend wertvolle Rohstoffe möchte er dort schürfen. Schon die Auswahl der Crew erweist sich dabei als nicht einfach, gilt es doch das Geheimnis vor Konkurrenten zu wahren. Joyce ist bereit, für den Erfolg alles zu geben. Selbst wenn er Entscheidungsträger mit falschen Versprechungen und unzureichenden Daten überzeugen oder Gesetze übertreten muss. Skrupellos nutzt er den menschlichen Drang aus, ins Unbekannte vorzustoßen und neue Räume zu erobern.

In dem Höhlentaucher Tighe findet er unter mehreren hundert Bewerbern den Mann, den er zusammen mit acht Mitstreitern aus aller Herren Länder auf eine vierjährige Exploration entsendet. Nach ausführlichen Trainingsvorbereitungen beginnt das große Abenteuer: die Reise zum Asteroiden, die Landung und – natürlich – die auftretenden Probleme, die die bunt gemischte Crew in Lebensgefahr bringen.

Hard Science Hintergrund gewohnt fundiert

Wie wir dies von Daniel Suarez kennen und schätzen, nimmt er sich vorliegend einer aktuellen Entwicklung an. Derv Autor weiss, über was er schreibt. Minutiös hat er recherchiert, geforscht und die Ergebnisse  in seinen Plot integriert. Vor dem Hintergrund schwindender Ressourcen beschäftigt er sich mit der Frage, wie man wertvolle, unabdingbare Rohstoffe finden und fördern kann. Und wie auf der Grundlage heutiger Technologie eine bemannte Raumfahrt, eine Existenz in Habitaten und letztlich die Nutzung von Rohstoffen aus dem All aussehen könnte. An diesem Punkt hat der Autor mich eingefangen. Die Dichte an Informationen, die er nebenbei einfließen lässt, macht seine Handlung umso glaubwürdiger.

Dabei schwingt, wie bei Suarez üblich, ein gerüttelt Maß an Gesellschaftskritik mit. Durchaus nachvollziehbar prangert er die gedanken- und verantwortungslose Ausbeutung unseres Planeten an. Er warnt vor den Gefahren des bedingungslosen Kapitalismus ebenso, wie vor imperialistischen Bestrebungen und der Geltungssucht Einzelner. Hier reiht sich der Roman zu Beginn nahtlos in die Reihe der bisherigen Veröffentlichungen des sympathischen Kaliforniers ein. Wer ihn, wie ich vor einigen Jahren in Leipzig, einmal persönlich kennenlernen durfte, weiß, dass hier ein Mann schreibt, dessen humanistische Einstellung mit Erzählfreude einhergeht. Und dem Bedürfnis, seine Leser vor Gefahren zu warnen, die den meisten Menschen gar nicht bewusst sind.

Was mit den Möglichkeiten, aber auch Gefahren des Internets begann, mit der Bedrohung durch KIs fortgesetzt wurde, das mündet vorliegend in Chancen und Risiken der privat finanzierten Weltraumfahrt.

Richard Branson, Gründer von Virgin-Air oder Tesla-Mastermind Elon Musk mit Space-X machen es derzeit bereits vor. In Bereichen, aus denen sich staatliche Instanzen zurückziehen, tun sich Chancen auf, zu Reichtum zu kommen. Und die werden von Visionären und Geschäftsleuten genutzt. Auf Gefahren, die geltungssüchtige Mogule mit dem Ziel der Gewinnmaximierung heraufbeschwören, warnt der Autor im ersten Teil des Romans sehr deutlich. Denn die wissen, wie man den Idealismus von Menschen ausnutzt und gesetzliche Vorgaben umgeht.

Die kritische Botschaft gerät ins Hintertreffen

Leider verliert Suarez diese Warnung im Verlauf der abenteuerlichen Handlung ein wenig aus seinem Fokus. Zu sehr konzentriert er sich auf die sorgfältig recherchierten Machbarkeitsüberlegungen. Und stellt die Hard Science, auf die er seine rasante, dramatische Handlung aufsetzt, in den Mittelpunkt. In früheren Romanen positionierte er seine Kritik als durchgängigen, roten Faden in der Story. Vorliegend reduziert sich der Plot im zweiten Teil auf eine Abenteuerhandlung, in der es um das Überleben der Expedition im All geht. Die unterhält zwar spannend, aber es fehlt ein wenig, der Suarez‘ übliche Tiefgang.
Dabei bleiben die durchaus interessant angelegten Figuren letztlich zu blass, um wirklich überzeugen zu können.

Insgesamt liest sich der Roman interessant und bietet einen sehr gut recherchierten, auch für Laien verständlich aufbereiteten wissenschaftlichen Hintergrund. In Bezug auf die Beständigkeit der kritischen Botschaft reicht „Delta-V“ leider nicht an frühere Thriller von Daniel Suarez heran.

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Carsten Kuhr

Delta-V
Daniel Suarez (Übersetzung: Cornelia Holfelder-von der Tann)
Science-Fiction
rowohlt-Verlag
Dezember 2019
560

Funtastik-Faktor: 72

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