Jorge und Hippolit gegen thaumaturgische Dinosaurier
Als vier riesige und wertvolle Urechsenskelette aus dem naturhistorischen Museum in Nophelet verschwinden, werden auch die Agenten Meister Hippolit und Jorge, der Troll an den Tatort berufen. Der Zustand des getöteten Wachmanns Harmen legt nah, dass hier kein einfacher Raubmord geschehen ist.
Etwas Seltsames war hier am Werk und dafür ist das Personal des Instituts für angewandte investigative Thaumaturgie zuständig. Was vergleichsweise unspektakulär anfängt, nimmt apokalyptische Ausmaße an, als vier monströse Echsen den Stadtteil Schmiede in Schutt und Asche legen. Es zählt jede Minute und dank Jorges gepflegter Kontakte zur Halbwelt im Hafenviertel kann recht schnell das Versteck der historischen Skelette ausgehoben werden. Ein mysteriöser Thaumaturg wird in Gewahrsam genommen und nun hofft man, der Fall sei gelöst und weitere Zerstörung abgewendet. Bis erneut und dieses mal zahlreichere Riesenechsen auf die Stadt zulaufen. Wo kommen sie her und wer steckt dahinter? Ein feindliche Invasion oder ein weiterer, außerordentlich mächtiger Thaumaturg?
Geschasst und gerettet
Der vierte Band der IAIT Reihe vom Autorenteam Schumacher/Lossau hat etwas auf sich warten lassen. Anscheinend fiel die Gewinnspanne der ersten drei Bände dem Egmont Lyx Verlag nicht hoch genug aus, denn der stellte die Serie ein. So musste der Verlag Feder & Schwert auch diese Fantasy-Krimi Reihe ‚retten‘, ähnlich wie die ‚Harry Dresden‘ Romane von Jim Butcher.
In „Der Knochenhexer“ werden die beiden gegensätzlichen Agenten mit einem Verbrechen konfrontiert, das ihnen weit mehr abverlangt, als alle bisherigen Fälle. Ob des Meisters genial erdachte thaumaturgische Tricks und eine Schlagkraft und Unverwüstlichkeit, wie sie nur ein Troll aufbringen kann, ausreichen werden, um die Stadt Nophelet vor Dinosauriern zu retten?
Dieser Band fügt sich nahtlos in das Konzept seiner Vorgänger ein. Hirn und Fäuste ermitteln Verbrechen mit thaumaturgischem, also magischem Hintergrund. Das Hirn ist Meister Hippolit, ein sogenannter Lichtadept neunter Stufe, der nach einer missglückten Verjüngungsprozedur im Körper eines albinoiden Teenagers steckt. Die Fäuste sind die eines Trolls, der selten um einen Kommentar verlegen ist, immense Mengen Bier verträgt und sich auf das Grobe im Geschäft versteht. So reiht sich auch in vierter Folge Phrase an messerscharfe Schlussfolgerung und doch ist einiges – anders. Um beispielhaft zu zeigen, wie sich dieser Band von seinen Vorgängern unterscheidet, sei Jorge zitiert:
„Oder um es therapeutisch auszudrücken: Die echte Angst steckt tief in uns drin und selbst eine Armee mit einer Million Soldaten kann uns nicht vor ihr beschützen.“ [S. 192]
Wer hätte dem sonst eher dem derben Witz zugetanen Troll einen derart tiefsinnigen Satz zugetraut? Man ahnt es bereits, die therapeutischen Weisheiten haben die Trollsprichworte abgelöst. Die allerdings überwiegend aus demselben Stoff gestrickt sind, also einem Kommentar zu jeder beliebigen Situation. Wirklich neu ist die Verletzlichkeit des Trolls, der eigene Ängste eingesteht und einen Therapeuten aufsucht. Aber Jorge wäre nicht der, der er ist, wenn seine Therapiegespräche, ob mit oder ohne Therapeut, nicht äußerst amüsant zu lesen wären. Manchmal blitzt allerdings eine ungewohnte Reife auf und diese nützt der Verbrechensaufklärung. Denn in diesem Fall trägt der Troll einen höheren Anteil zur Auflösung des Mysteriums bei als in den bisherigen. Meister Hippolit, auch das ist ungewohnt, ist ratlos und versucht sich aus auf dem Gebiet der Halbwissenschaften. Beiden Charakteren tun diese Änderungen äußerst gut, auch erfolgreiche Konzepte sollten schließlich einmal aufgefrischt werden. Und so entwickeln sich die beiden klischeehaften und zugleich charismatischen Hauptakteure zu einem der originellsten und skurrilsten Teams der Fantasy-Szene.
„Der Knochenenhexer“ ist nicht so sehr wie seine Vorgänger darauf fixiert, den Fantasy-Völkern ein anderes Gesicht zu verleihen, als das hinlänglich bekannte. Während „Der Elbenschlächter“ die Elben vom hohen Ross der kultiviertesten Rasse der Fantasy herunter holte, bekamen die Orks in „Der Orksammler“ ihr Fett weg und die wackeren Zwerge mussten in „Der Schädelschmied“ für eine Nazi-Verspottung herhalten. In „Der Knochenhexer“ sehen wir einen Zauberer in der Rolle des Schurken, dieser unterscheidet sich aber kaum von dunklen Magiern in anderen Werken. Was irgendwie schade ist.
Die IAIT-Reihe konnte zudem immer durch spektakuläre und trotz des phantastischen Hintergrunds nachvollziehbare Fallentwicklung überzeugen. Das gilt auch für „Der Knochenhexer“, obgleich hier die Autoren mit ausgefallenen Ideen aus der Science-Fiction spielen. So abstrus die Ereignisse zunächst auch erscheinen mögen, Schumacher/Lossau liefern durchdachte Erklärungen. Und beenden die Story mit einem Knalleffekt, von dem man nur hoffen kann, dass er nicht das Ende der Reihe besiegelt
„Der Knochenhexer“ ist vielleicht der beste Fantasy-Krimi der IAIT -Reihe, auch wenn eines der Erkennungsmerkmale der Reihe zu kurz kommt. Schön ist, dass die Protagonisten ein wenig von den gewohnten Pfaden abweichen und trotzdem an gewohnten Qualitäten festhalten. In der deutschen Fantasy findet sich (zu) wenig, was ebenso witzig, wie spannend geschrieben ist und zudem mit einem ausgefeilten Plot überzeugt. Die Fans von Meister Hippolit und Jorge, dem Troll wünschen sich, dass Jens Schumacher und Jens Lossau noch etliche Bände um das ungewöhnliche Ermittler-Duo schreiben mögen.
Diese Rezension von mir (Eva) erschien zuerst bei Literatopia.de
Meister Hippolit und Jorge, der Troll - Band 4
Fantasy
Feder & Schwert
November 2013
320
Funtastik-Faktor: 82