Ein zerstörerischer Gigant in englischer Idylle
Coventry, in der Mitte Englands gelegen, ist nun nicht wirklich der Nabel der Welt. Hier passiert wenig, schon gar nie etwas wirklich Sensationelles. Etwaige Pläne bei großen Zeitungen Londons zu landen und Karriere zu machen, kann Journalist Andy Pointer getrost in den Abfluss spülen.
Just, als er sich wieder einmal der Tristesse seines Alltags hingibt, passiert dann doch etwas – mysteriöses?
Auf einem kleinen Platz inmitten einer Shopping-Mall erscheint aus dem Nichts eine schwarze, übermannsgroße Statue. Wer hat sie geschaffen, wer hier aufgestellt? Was soll so ein Kunstwerk in der urbanen Tristesse?
Als sich die Statue dann plötzlich und unmotiviert, zunächst langsam dann Tempo aufnehmend, in Bewegung setzt, schlägt Pointers Instinkt an. Das kann, das muss, das wird seine Chance sein, endlich ins Rampenlicht zu treten.
Menschen, die die laufende Statue berühren fallen zu Boden und geben unzusammenhängende Silben von sich. Die Statue bewegt sich auf einem geraden Weg einem unbekannten Ziel entgegen. Wenn etwas ihren Weg kreuzt oder im Weg steht, interessiert es den „Stone Man“, wie man die Figur getauft hat, nicht. Sie drückt LKWs aus dem Weg, schreitet mitten durch Häuser. Betonbrücken werden ebenso platt gemacht wie Skyscrapers. Nichts was Militär und Regierung ihm entgegensetzen, kann den Stone Man aufhalten.
Dass Andy Pointer eine besondere Beziehung zu dem Ziel und damit zu dem Stone Man hat, wird nach und nach deutlich. Zusammen mit einem zweiten Sensiblen weiss er, wohin der Stone Man unterwegs ist. Er überholt die unaufhaltsam voranschreitende Statue, nur um an dessen Ziel auf eine schockierende Überraschung zu stoßen.
Eine seltsame Distanz
2012 veröffentlichte Luke Smitherd den vorliegenden Roman als Selfpublisher. Dass dieser Auftakt der späteren »Stone Man« Reihe einmal derartig berühmt und gefeiert werden würde, hat er zu diesem Zeitpunkt sicherlich nicht geahnt.
Den Roman zeichnen weder die Figuren noch das Setting aus. Die Charaktere, allen voran unser nicht eben sympathischer Erzähler Andy Pointer, bleiben flach, wenig griffig und entwickeln nichts, das wirklich Interesse weckt. Die Darstellung des urbanen und ländlichen Englands erweist sich ebenfalls als oberflächlich, ja fast schon langweilig.
Mit dem Stil des Textes hatte ich so meine Probleme. Der Autor offeriert uns seine Handlung im Reportage-Stil, sodass wir Lesende merkwürdig distanziert bleiben und uns nie wirklich mit dem Erzählenden identifizieren. Dies mag als Stilmittel gewollt gewesen sein, doch begeistern konnte es mich leider nicht.
Was diesen Roman ausmacht ist Spannung, die der Plot einzig und allein aus den Rätseln um den allen physikalischen Gesetzen strotzenden Stone Man zieht. Was nur sucht dieser Gigant? Was treibt ihn an? Was will er erreichen und wer hat ihn auf die Menschheit losgelassen?
Immer wieder streut Luke Smitherd schockierende Offenbarungen und Entwicklungen ein, die die Spannungskurve hoch halten. Es sind diese vielen Fragen danach wie geht es weiter geht, wohin der Plot sich wendet und wie alles zusammenhängt, die die Lesenden am Buch halten. Dabei wäre ein bisschen weniger Zerstörung und ein wenig mehr Charakterzeichnung gut angelegt gewesen.
Insgesamt bietet »Stone Man-Die Ankunft« zwar eine spannungsgeladene Lektüre an, lässt jedoch den Aufbau einer emotionalen Bindung des Lesenden zu den Figuren und damit ein Mitfiebern vermissen.
Carsten Kuhr
Stone Man, Band 1
Science Fiction
Piper
Mai 2021
400
Sarah Borchart, Guter Punkt
55