Neue Geschichten und Mitstreiter um einen gereiften Fantasy-Helden
Fitz Chivalric hat einen weiten Weg hinter sich. Als königlicher Bastard fern des Hofes aufgewachsen, wurde er an den Hof gerufen und ausgebildet, um dem Reich und seinem Herrscher zu dienen. Dass das nur zu oft hieß, sich selbst, seine Wünsche, Hoffnungen und Träume hintenanzustellen – geschenkt. Schließlich ging es um das Wohl der Menschen eines ganzen Königreiches.
Ausgebildet in den Künsten des Giftmischens und der Meuchelei, entdeckte und schulte Fitz an sich die magische Gabe des Königsgeschlechts. Längst könnte er, wenn er denn wollte, auf dem Thron Platz genommen haben. Allein an Ehrgeiz mangelte es ihm immer, zu ausgeprägt war sein Gemeinschaftssinn und sein Ehrbegriff. Prinz Pflichttreu hat es allein Fitz zu verdanken, dass er nicht nur die Frau an seiner Seite freien konnte, sondern nach wie vor über ein Königreich verfügt.
Fitz selbst zog sich vor einigen Jahren vom Hof zurück. Endlich darf er einmal an sich denken. In seiner Jugendliebe Molly fand er seine Partnerin und im abgelegenen Gut Weidenhang eine Heimat. Selbst der Kinderwunsch geht nach langem Warten in Erfüllung.
Klein ist seine Tochter und zurückhaltend, fast scheu, auch ihrem Vater gegenüber. Molly stirbt, als das Kind gerade neun Jahre alt ist. Die bis dahin problematische Beziehung zwischen Vater und Tochter verbessert sich nach diesem Schock. Fitz merkt bald, dass Biene etwas ganz Besonderes ist. Was, zu beider Leidwesen, auch Anderen nicht verborgen bleibt. Merkwürdig fahl-gesichtige Menschen tauchen in der Umgebung auf. Woher kommen und was wollen sie von Biene und Fitz?
Zurück zu den Wurzeln
Über zehn Jahre ließ sich die Erschafferin der Welt der Altvorderen Robin Hobb Zeit, bis sie 2014 zu ihrer beliebtesten Schöpfung, Fitz Chivalric den Weitseher, zurückgekehrte.
Eigentlich schien die Geschichte abgeschlossen. Fitz hatte nach der Rettung des Drachen und der Wiederherstellung des Friedens sein Ende verdient. Für die Mächtigen der Welt war er tot, nur so konnte er sich und sein Schicksal aus dem fortwährenden Machtspiel heraushalten.
Fitz ist jetzt in seinen 50ern, äußerlich ähnelt er jedoch einem Mit-Dreissiger. Ein Mann, der dennoch gereift ist, der über einen gigantischen Erfahrungsschatz verfügt und gleichzeitig durch die erlittenen Verluste geprägt wurde.
Langsamer und gründlicher Storyaufbau
Wie wir dies von Robin Hobb gewohnt sind, passiert zunächst in dem umfangreichen Roman nicht viel. Gewohnt dezidiert stellt sie uns ihre Protagonisten vor und die Charakterzeichnung ist wie üblich vorbildlich. Sie skizziert ihre Bühne, wobei sie auf Bekanntes aus den letzten 6 Büchern zurückgreift. Wer also neu in der Welt von Fitz ist, der wird sich schwer tun, sich zurechtzufinden. Diesem sei angeraten, zunächst die ersten beiden Trilogien zu lesen. Nur so wird er viele Reminiszenzen, Anspielungen und Verweise verstehen.
Große dramatische Kämpfe oder Auseinandersetzungen sucht man vergebens. Hobb mag es ein wenig kleiner und beschaulicher, martialische Schlachten sind ihr ein Gräuel.
Das heisst nicht, dass es etwa an Dramatik mangeln würde. Die Autorin lässt sich Zeit, bereitet sorgfältig und überzeugend den Boden für die Fährnisse, denen sie ihre Protagonisten aussetzt. Insbesondere in der ersten Hälfte des Buches muss der Leser ein wenig Geduld aufbringen. Hier passiert vordergründig wenig, denn man lernt erst einmal die neuen Lebensumstände von Fitz und dessen Familie kennen. Bis – ja bis das Schicksal erneut unbarmherzig zuschlägt und für Fitz und Biene ein neues Drama beginnt.
Man mag unken, dass die Einführung einer neuen Trilogie mit über 900 Seiten bei Weitem zu lang geriet. Doch Hobbs angenehmer Stil, die vielen kleinen, eingeflochtenen Reminiszenzen und das Wiedersehen mit dem glaubwürdig gealterten Fitz machen die Lektüre gerade für Chivalric Kenner kurzweilig und interessant. Am Ende wartet der fiese Cliffhanger auf uns, doch die Fortsetzung folgt bereits in Kürze.
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Carsten Kuhr
Das Kind des Weitsehers, Band 1
Fantasy
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August 2019
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