Die Türme von Eden – Alessandra Reß

Der lange Weg zur Wahrheit

Die Türme von Eden - Alessandra Reß © Lindwurm Verlag
Die Türme von Eden © Lindwurm Verlag

Keri vom landwirtschaftlich geprägten Planeten Demeter meldete sich freiwillig als Novizin der Liminalen. Sie sind eine Glaubensgemeinschaft, die den Engeln dienen. Doch nicht der Glaube treibt Keri in die Sekte, sondern eine Familienschuld.

Renovas, der früher Dante hieß, ist ein Spion der „Suchenden“, einem Geheimdienst des Mondes Cyberia. Ihr Ziel ist es, die Wahrheit hinter den Liminalen zu enttarnen. Als einer von wenigen Überlebenden floh Dante vom Planeten Thot, der von den Cuchulain vergiftet und zerstört wurde. Als Renovas fand er auf Cyberia eine neue Familie. Und zu Dante wird er wieder, um unentdeckt seine Mission zu erfüllen.

Keri und Dante müssen eine Prüfung bestehen, die sie mit den schlimmsten Momenten ihrer Vergangenheit konfrontiert. Keri bringt aus dieser Prüfung ein Armband mit, welches dem ähnelt, das ihr einst ihr verstorbener Bruder schenkte. Dante bringt einen Freund mit, dessen Schicksal bereits im Krieg mit seinem verbunden wurde.

Misakis Familie nahm Renovas wie einen Sohn auf und zusammen diesen sie nun bei den Suchenden. Als sich Renovas auf die Mission zu den Liminalen aufmacht, kommt Misaki fast um vor Sorge. Und schließt sich einer Gruppe an, die die Liminalen angreift

„Ich möchte das Wissen der Menschen nicht mehr. Ich möchte das verstehen, was besser ist als sie.“ [Conlai vom Kriegervolk der Cuchulain, S. 110]

Die neuen Novizen der Liminalen

Dem Protagonisten Dante, der auf Cyberia den Namen Renovas annahm, stellte die Autorin Alessandra Reß drei wichtige Nebenfiguren zur Seite. Da diese vier Figuren von unterschiedlichen Welten stammen und jede ein individuelles Schicksal mitbringt, grenzen sie sich gut voneinander ab. Dante, Keri und Conlai begleiten wir bei ihrer Initiation als Novizen der Liminalen. Bereits der Einführungsritus offenbart einige Details aus ihrer Vergangenheit. Die Gründe, warum die zu den Liminalen gingen, sind unterschiedlich. Glaube gehört allerdings nicht nur bei Dante, sondern auch bei Keri nicht dazu. Dantes kritische Sicht der Dinge findet in Keri immer mehr Resonanz, obwohl es für sie keine Alternative gibt.

Conlai vom Kriegervolk der Cuchulain glaubt tatsächlich, dass die Liminalen als Diener der Engel die Welten des Sternensystems Aditi zu einem besseren Ort machen. Diese unterschiedlichen Ansichten hindert die drei Novizen allerdings nicht daran, Freunde zu werden. Die Autorin hat mit ihnen sympathische Figuren erschaffen, die sich weiterentwickeln und äußerst spannend interagieren. Ein bisschen mehr Reibungsfläche hätte ihnen allerdings noch mehr Profil verliehen.

Misaki gehört wie Dante den Suchenden an und empfindet sich als seine Schwester. Sie trifft am Ende auf die Gruppe der Novizen und leistet einen entscheidenden Beitrag bei der Suche nach der Wahrheit. Aus ihren Perspektiven und ganz nah an diesen vier Akteuren erzählt Alessandra Reß ihre Geschichte. Sie liest sich dadurch dynamisch und abwechslungsreich, allerdings auch begrenzt. Zuweilen fehlt eine Sicht auf das große Ganze.

Die Liminalen, die Suchenden und eine dramatische Konfrontation

Die Planeten des Sternensystems Aditi, unter anderem Cuchulain, Demeter, das zerstörte Todt, sowie den Mond Cyberia und schließlich Eden, lernen wir ausschließlich durch die Protagonisten kennen. So erschließt sich erst nach und nach, was sie ausmacht und unterscheidet. In gewisser Weise ist es schade, so wenig über die Planeten und Kulturen zu erfahren. Der Fokus der Geschichte liegt zwar auf der Frage danach, wohin die Menschheit sich in der fernen Zukunft wendet. Jedoch weniger in Bezug auf einen Lebensraum im All, sondern mehr im philosophisch – metaphysischen Sinn. 

In der ersten Hälfte des knapp 500 Seiten starken Romans geht es hauptsächlich darum, wie die Liminalen ihre Macht im Sternensystem ausbauen und die Fraktion der Engel mit weiteren Mitgliedern versorgen. Als Altruisten definierte Menschen oder Auserwählte aus den Reihen der Liminalen werden einem bizarren Ritual unterzogen. Doch was wird aus ihnen? Wie erstrebenswert ist dies? Mit Gegnern ihres Glaubens gehen die Liminalen nicht gerade human um und töten jene, die allzu populär werden. Ihre bedeutendsten Feinde sind jedoch die Suchenden. Richtig spannend wird die Handlung, als sie sich auf die Konfrontation Geheimdienst gegen Sekte zubewegt. Wer wird in diesem Kampf sein Leben lassen? Wer gewinnen und verlieren? Und auf welcher Seite wird Dante am Ende stehen? An der Seite von Misaki? Oder an der von Keri?

Gut – Böse Kategorien im Fluss

Das letzte Drittel des Buchs führt die Protagonisten hinter die Kulissen der Liminalen. Hier mischen sich Realität, Traumsequenzen und Rückblenden zu einer zum Teil surrealen, nicht einfach zu durschauenden Abfolge von Szenen. Ausführliche, durchaus interessante Dialoge beschäftigen sich mit einer Vielzahl von Themen und essentiellen Fragen. Es geht um die ursprünglichen Wesen auf Xibalba, wie der Planet Eden einst hieß, bevor die Menschen kamen. Was wurde aus ihnen? Welche Verbindung haben sie zu den Menschen und wie passen sie in ihr religiöses Konzept? Welche Ziele heiligen welche Mittel? Und wie sind diese moralisch zu bewerten? Eine große Stärke des Romans „Die Türme von Eden“ ist die Ambivalenz, mit der diese Fragen diskutiert werden. Daraus resultiert natürlich, dass am Ende viele Fragen offenbleiben. Was folgerichtig ist, aber auch irgendwie – ernüchternd.

Fazit

Insgesamt erzählt „Die Türme von Eden“ eine außergewöhnliche Space-Fantasy Geschichte und punktet mit lebensechten und sympathischen Charakteren, die bisweilen etwas konfliktfreudiger hätten agieren dürfen. Der Sprachstil der Autorin zeichnet sich durch anspruchsvolle Metaphern und Bilder aus und liest sich dennoch eingängig und flüssig. Allein der Storyaufbau und die besonders am Ende undurchsichtige Erzählstruktur mit dem relativ offenen Ende sorgen dafür, dass die Lesefreude einen Dämpfer erhält.

Eva Bergschneider

Die Türme von Eden
Alessandra Reß
Space Fantasy (Science Fiction)
Lindwurm Verlag
Oktober 2020
496
Annelie Lamers
73

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