Ungewöhnliche Liebe zwischen einer Vampirin und einer depressiven Frau
Willkommen in Ascension in der Nähe von Boston/Massachusetts. Hierher verschlug es eine junge Studentin, die nach einer mehr als schmerzhaften Trennung sich nun ganz auf ihr Studium konzentriert. Sie mietete sich in einer kleinen WG ein und vergräbt sich nun ganz in ihrer Masterarbeit.
Ihre Mitbewohner machen sich Sorgen um Angela. Nur selten verlässt sie das Haus. Mit dem lockeren Studentenleben, mit Dates und Ausgehen, das Leben genießen, hat sie offensichtlich nicht viel am Hut. Alle zwei Monate wirft sie sich allerdings in Gothic Outfit und besucht einen der entsprechenden Clubs der Stadt. Ach ja, beinahe hätte ich es vergessen: Ihre Ex hat sie, als Angela sie verlassen wollte, in einen Vampir verwandelt. Daher rühren auch die zwei-monatlichen Streifzüge – schließlich muss Frau sich ja auch ernähren. Es ist ein tristes, ein einsames Leben, dem jegliche Höhepunkte, jede Freude abgeht.
Bei einer der raren Ausflüge lernt Angela Chloë kennen, die ebenfalls eine dramatische Trennung hinter sich hat. Diese ist zwar schon zwei Jahre her, doch sie kommt nicht darüber hinweg, versinkt immer mehr in Depressionen. Sie vernachlässigt sich, vergräbt sich in ihrer Arbeit als Lektorin, herzt ab und zu ihre Katze. Das wars dann aber auch an Zuneigung.
Als ihre Hexentante überraschend zu Besuch kommt, sorgt sie dafür, dass sie sich zumindest ein wenig um ihre Körperpflege und ihr Äußeres kümmert. Und Esther schickt sie auf eine Tour durch die hiesigen Clubs.
Dass sich unsere beiden einsamen Herzen begegnen, sie sich ineinander verlieben – gleich zu gleich gesellt sich gern – ist Schicksal. Doch wie nur bekommen sie ihre jeweiligen besonderen Bedürfnisse in ihre Beziehung integriert?
Innovativer Mix: Vampir-Fantasy mit Humor, Liebe und Dramatik
Vampirromane sind meistens eine düstere, ernste Sache. Humor ist hier eher selten anzutreffen, zumeist kommen die Wesen aus ihren Särgen grausam und gewalttätig daher. Oder die Lesenden rezipieren einmal mehr den generischen Love-Interest zwischen den unsterblichen Schönheiten der Nacht und sterblichen Menschen.
Der Autor Ry Herman schlägt in seinem Roman „Die Unmöglichkeit, bei Tag die Liebe zu finden“ einen ganz anderen Weg ein. Er präsentiert seinen Leserinnen und Lesern eine queere, romantische Komödie, bei der eine der beiden Liebenden eben zufälligerweise ein Vampir ist. Während die andere unter Depressionen leidet. Das ist auf jeden Fall erfrischend originell und außergewöhnlich.
Beide Protagonistinnen erzählen ihre Geschichte in abwechselnden Kapiteln. Dabei beschreibt der Autor glaubwürdig ihren jeweiligen Seelenzustand. Auch die Gefühle der beiden Frauen füreinander wirken glaubhaft und lassen sie den Lesenden schnell ans Herz wachsen. Die Zuneigung der beiden Sympathieträgerinnen lässt auf ein Happy End hoffen, obwohl ihr Leben alles andere als einfach ist. Trotz des ersten Hintergrunds zweier ungewöhnlicher Lebenssituationen blitzt in der Geschichte immer wieder Humor durch. Und ein überraschendes Bild über Vampire, das die üblichen Klischees hinter sich lässt.
Eine sensible Annäherung an ein ernstes Thema
„Die Unmöglichkeit, bei Tag die Liebe zu finden“ bietet der Leserin und dem Leser also einen ganz anderen Plot, als erwartet: anstatt Action-Grusel eine einfühlsame Liebesgeschichte. Chloës depressive Erkrankung wird nicht einfach nur am Rande erwähnt, sondern nimmt einen breiten Raum ein. Ry Herman gelingt die überzeugende Darstellung eines Menschen, der in Depressionen gefangen ist. Einerseits stellt er die entsprechenden Symptome vor, zeigt aber auch einen Weg, der aus dieser Erkrankung führen kann. Insgesamt ist dies ein Roman, der Themen wie Vampirismus, lesbische Liebe und Depression vereint und diese Mischung den Lesenden humorvoll und empathisch offeriert.
Carsten Kuhr
Love Bites, Band 1
Fantasy (Urban)
Heyne
Oktober 2021
464
Das Illustrat
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