Welch genialer Blödsinn – skurril, schnell, ideenreich
Bernd Bratzke meditiert in seiner Stammkneipe über seinem Bierglas und beschwört eine Blase, an die Oberfläche zu steigen. Die »hässliche alte Schachtel« Irmgard doziert in einem Seniorenzentrum über Knorpel und kippt einen Korn nach dem anderen. Da betritt Harald mit dem zuckenden Knie die Bühne. Er erwacht auf dem Beifahrersitz eines Fiat Panda. Irmgard hat ihn kurzerhand entführt, um ihn in Sicherheit zu bringen. Schließlich hat er die Bühne leergetreten und damit den Vortrag zum Vergleich von Vaseline und Melkfett brutal beendet. Irmgards früherer linksterroristischer Kumpan Primodan Ostarovic friert sich wegen unerträglichen Bauchwehs selber ein.
Dessen Nachbar Bernd Bratzke erwacht auf seiner Couch durch das erstmalige Piepsen seines Faxgerätes. Gott schreibt ihm, dass er gemeinsam mit Satan für drei Wochen in eine andere Galaxie zur Kur entschwindet. Er, Bernd Bratzke, sei mithilfe der Weltengangmaschine dafür verantwortlich, dass die Welt funktioniert. Doch Bernd verpasst trunken den Paketboten.
Primodan, Irmgard und Harald grübeln über poetischer Bedienungsanleitung und wunderlichem Gerät. Pfaffe Petersen, Gründer der Eichheiligen, soll Licht ins Dunkel bringen. Auf ihrer Fahrt ins Nirgendwo folgt ihnen ein Wagen voll von Satanisten. Sie sind auf der Jagd nach der Weltengang-Maschine und wollen sie mit der Firmware 6.6.6. als Satanisierer umrüsten.
»Zum ersten Mal hatten sie tatsächlich unangefochtene Weltherrschaft erlangt, und nun wussten sie es nicht einmal.« [S. 191]
Durchgeknallter Kampf um die Weltherrschaft
Der Leser vermutet jetzt sicher, dass es in dem Buch/Hörbuch um rasantes Suchen und Finden gehen wird. Und dem ist auch so. Ein Tauziehen um Maschine und Bedienungsanleitung beginnt und damit der Kampf um die Weltherrschaft. Doch durchbricht die Geschichte das Klischee eines normalen Road-Movies. Die Maschine piesackt nämlich durch nerviges Gepiepe, das nur abzustellen geht, wenn die richtigen Knöpfe und Drehschalter betätigt werden. Die Betonung liegt auf »richtig«. Immer wieder katapultiert sie irgendwen in ungeahnte Dimensionen. Schräge Abenteuer durchleben unsere Anti-Helden. Wobei sich die anfangs geschmähte Irmgard noch am resolutesten und fähigsten verhält und damit zur wahren Heldin wird.
Mikael Lundt persifliert alles Mögliche, was ihm so vor die Feder kommt. Wie zum Beispiel Dreck und übertriebene Sauberkeit, die Anbetung von sinnlosem Zeug und immer wieder Schwarzmetaller. Ein Lob auf Pudel, Küchenschaben und Transzendenzberater.
Philipp Brammer, der Sprecher, gibt dem Ulk noch mehr Würze. Nur beim nochmaligen Nachlesen habe ich in den letzten Minuten mehrmals herzhaft gelacht. Für Zartbesaitete sind Buch und Hörbuch garantiert nichts. Es bedarf einer Vorliebe für schwarzen Humor. Der ein oder andere Joke geht tief unter die Gürtellinie des guten Geschmacks. Sittenwidrig, eindeutig sittenwidrig. Und genau deshalb liebenswert bekloppt.
»Dieses ständige Nachdenken ging ganz schön aufs Gehirn.« [S. 161]
Bernd Bratzke war bis dato durch sein gesamtes Leben geschlufft. Und wenn er im hohen Alter Verantwortung übernehmen soll, ist klar, dass das von einer Katastrophe in die nächste führt. Völlig unvermutet findet er kurz vor Schluss zu nie dagewesener Stärke, Konsequenz und Antriebskraft. Selbst eine kleine Liebesgeschichte entspinnt sich während der Raserei durch Zeit und Raum. Alle Charaktere und Nebenfiguren strotzen vor Schrulligkeit. Anfangs mag der Leser/Hörer keinen von ihnen, doch das ändert sich im Lauf der Geschichte.
Journalist und Autor Lundt beherrscht die Kunst des Fabulierens und hat noch weitere Bücher mit durchgeknallten Plots veröffentlicht wie »Tagebuch des Schicksals« und »Himmelfahrt mit Hyperspeed«.
Fazit
Buch und Hörbuch sind für diejenigen, die von dem alltäglichen Wahnsinn die Schnauze voll haben und sich mit andersartigem Wahnsinn ablenken und sich amüsieren wollen. Hat es eine Message? Vielleicht.
Amandara M. Schulzke
Fantasy (Humoristisch)
BoD (Hörbuch: GD Publishing)
Oktober 2018 (Hörbuch Juli 2020)
Buch, Hörbuch
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Michael Gückel
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