Rasante Urban-Fantasy mit intimen Einblicken ins Reich der Mitte
Als Abkömmling von Eltern unterschiedlicher Ethnien hat man es nicht leicht. Jade kann ein Lied davon singen. Seitdem sie in Deutschland in die Schule gekommen ist, wird sie wegen ihres anderen Aussehens gehänselt, abgelehnt, ja gemobbt. Sie kann doch nichts dafür, dass sich ihr deutscher Vater einst beim Forschungsaufenthalt in China in eine Chinesin verliebt und geheiratet hat.
Sie zieht sich zurück, lernt aus schierer Verzweiflung und findet im Kung Fu Training Halt. Das Abi besteht sie als beste Abiturientin ihrer Schule. Doch was sie mit ihrem Leben anfangen will, weiß sie noch nicht.
Als ihr Großvater sie zu sich nach China ruft, ahnt sie nicht, dass ihr bisheriges Leben in kürzester Zeit auf den Kopf gestellt werden wird. Sie soll eine Familienaufgabe zu Ende führen. Es gilt zwei kleine Drachenfiguren mit ihren Gegenstücken zu vereinen. In heiligem, mit Tee versetztem Wasser soll sie die Drachen zum Leben zu erwecken. Es geht um nichts weniger, als die Drachen ins Reich der Mitte zurückzuholen. Klingt verrückt, oder?
Jade hält so gar nichts vom Aberglauben ihres Großvaters. Als dieser aber von skrupellosen Verbrechern gefoltert wird, die an die zwei Figuren herankommen wollen, wird sie nachdenklich. Sie reist nach China, findet den Hüter der anderen beiden Figuren und versucht ihre Mission zu erfüllen. Dass sie dabei dem Schicksal von entführten Kindern, die für skrupellose medizinische Experimente missbraucht werden auf die Spur kommt, dass sie Hinweise auf ihren vor mehr als 10 Jahren verschollenen Vater findet und ihr Kung Fu verbessert, steht auf der Habenseite. Ihre Gegner, die sie von Beginn der Reise an mit aller Macht unbarmherzig jagen, im Soll. Dazu kommt dann noch, dass der Hüter der anderen Drachenfiguren zwar ein aufgeblasener Charmeur ist, aber ihr Herz trotzdem schneller schlagen lässt.
Etwas zu viel gewollt
Die Autorin Charlotte Charonne lebte selbst fünf Jahre lang im Reich der Mitte. Insoweit weiß sie bestens darüber Bescheid, wie es in China zugeht, kann uns Land und Leute quasi aus der Innensicht vorstellen. Die entsprechenden Beschreibungen wirken, gerade weil die Autorin immer wieder unbekannte Details einfließen lässt, interessant, ja faszinierend.
Der Plot in „Drachenkönigin“ wartet mit einigen Besonderheiten auf. Da gibt es einen kleinen Feen-Mann, wir besuchen heilige Klöster, Kampfschulen und Teeanbaugebiete. Hier stützt sich die Verfasserin auf intimes Wissen um die Kultur der uns so fremden Welt und wusste mich mit den Beschreibungen zu faszinieren.
Die Urban Fantasy Handlung per se wirkt dann allerdings ein wenig überfrachtet. Die Rettungsmission der Verborgenen ist durchaus ergreifend. Es geht um Kinder, die der Ein-Kind-Politik der Regierung zum Trotz geboren wurden und vor der Staatsmacht versteckt werden. Die Autorin bringt uns eine oft unterschlage Seite Chinas ins Gedächtnis. Diese wirkt aber nicht ganz stimmig aufbereitet und wirft Fragen auf.
Unsere Protagonisten hätten auch ohne diesen Teil der Geschichte wahrlich schon genug mit ihrer Mission am Hals. Die Suche nach dem verschollenen Vater und die Verfolgung durch die Verbrecher hätten an Herausforderungen locker ausgereicht.
Während die Beschreibungen das Handlungsortes China durchaus interessant wirken, konnten mich die Dialoge vor allem sprachlich nicht überzeugen. Hier pendelt die Verfasserin zwischen munterem Jugend-Slang und manches Mal etwas holprigen Sätzen hin und her.
Fazit
Alles in allem ist „Drachenkönigin“ ein Buch, das uns eine ganz fremde, aber reale Welt, nämlich das moderne China, vorstellt, und uns hier ungewöhnliche Einblicke ermöglicht. Der Plot des Romans wirkt aber insgesamt etwas überladen und stilistisch kann der Roman nicht gänzlich überzeugen.
Carsten Kuhr
Drachenkönigin, Band 1
Fantasy (Urban)
Lindwurm Verlag
Mai 2022
Buch
339
Annelie Lamers
66