Über Erzählperspektiven, fantastische Schauplätze und Steampunk, über Literaturpreise und Schreibflauten, vergangene und zukünftige Projekte
»„Dann habe ich beinahe ein Jahr gar nicht an einem Roman geschrieben, bis ich mir klargemacht hatte, was ich eigentlich mit dem Schreiben möchte: Die Geschichten erzählen, die ich will und an denen mir viel liegt, und dabei die einschneidenden Kompromisse möglichst klein halten.“«
„Diebe der Nacht“, der aktuelle Roman von Thilo Corzilius, wurde gleich von zwei Redakteur*innen aus dem phantastisch-lesen Team gelesen und rezensiert. Von Götz Piesbergen für den Blog, von mir (Eva) für die Oktober-Ausgabe der Tolkien-Times. Uns beide hat das einzigartig detailverliebt gestaltete Setting fasziniert, dass der Lagunenstadt Venedig nachempfunden ist. Ebenso hatten wir beide Freude an den zwielichtigen und dennoch sympathischen Figuren, gleichwohl für Götz die Geschichte zu sehr auf den Protagonisten Glin Melisma fokussiert ist. Über „Diebe der Nacht“ und Erzählperspektiven, über fantastische Schauplätze und Steampunk, über die Entwicklung des Schreibstils, Literaturpreise und Schreibflauten, vergangene und zukünftige Projekte, über Thilos Beruf als Pfarrer und was ihn im Alltag derzeit bewegt, erfahrt ihr Interessantes und vielleicht Überraschendes in diesem Interview.
phantastisch-lesen: Wie lange hast Du die Geschichte deines aktuellen Romans „Diebe der Nacht“ entwickelt? Und was daraus war zuerst in Deinem Kopf?
Thilo Corzilius: Ich kann mich an den Sommer 2010 erinnern, in dem ich viel Zeit in Hannover verbracht habe. Dort habe ich in Cafés und bei Spaziergängen um den Maschsee die ersten Ideen für den Roman gesammelt und wild in einem sehr hässlichen, billigen Notizbuch herumgekritzelt. Ursprünglich ging es um eine Gruppe Diebe, die mittels Magie ihre Einbrüche und Raubzüge begehen. Das Theater war in einer frühen Version noch kein fahrendes, sondern ein altes Kloster als Rückzugsort für die Diebe.
phantastisch-lesen: Du hast, wie Du im Nachwort schreibst, eine Vorliebe für Halunken und Gauner. Welche (fiktive oder historische) haben es Dir besonders angetan und warum?
Thilo Corzilius: Die Lego-Piraten waren vermutlich die ersten Diebe, deren Fan ich war.
Aber überhaupt fand ich gut erzählte Gauner und Trickbetrüger immer irgendwie sympathisch, weil eine Art von Cleverness dazugehört, die ich sehr bewundere. Egal, ob Felix Krull, Danny Ocean, Thomas Riplay oder Locke Lamora. Wer sich clever durch Geschichten stiehlt, hat meine Aufmerksamkeit. Ich übertrage das auch: So kann ich z.B. keinen The-Elder-Scrolls-Titel (Computer-Rollenspiel) spielen, ohne zu klauen, was nicht niet- und nagelfest ist.
phantastisch-lesen: „Diebe der Nacht“ hast Du sehr nah am Protagonisten Glin Melisma geschrieben. Ist das eine Perspektive, in der Du am liebsten schreibst?
Thilo Corzilius: Ja, ich denke schon. Figuren und Plots leben in meinen Augen dadurch, dass sie emotional sind. Emotionalität kann ich erfahrungsgemäß am besten dadurch erzeugen, dass ich möglichst streng die Perspektive einzelner Figuren einnehme. Die Sicht auf die Welt und das vorhandene Wissen um die Geschehnisse entspricht dann immer demjenigen der Figur. Das auktoriale Erzählen liegt mir immer ferner.
phantastisch-lesen: Phantastisch-Lesen Redakteur Götz Piesbergen hat an „Diebe der Nacht“ kritisiert, dass die weiteren Akteure der „Herbstgänger“ in der Handlung zu kurz kommen. Kannst Du die Kritik nachvollziehen? Gibt es einen Grund dafür?
Thilo Corzilius: Nachvollziehen kann ich das nicht so richtig. Doch ich bin da als Autor ja auch ein Stück weit betriebsblind. Ich schreibe halt, was ich gut finde. Götz Piesbergens Kritik hat aber gewiss ihre Berechtigung. Wir alle haben andere Ansichten darüber, wie ein gutes Buch, ein gutes Musikstück, ein schönes Bild für uns auszusehen oder sich anzufühlen hat. Manche mögen es ausschweifender, andere knapper, da empfindet jede*r anders. Das soll ja auch so sein. Denn das Leben wäre ja unfassbar langweilig, wenn wir alle bloß dieselben Dinge toll finden würden.
phantastisch-lesen: Ganz deutlich ist zu erkennen, dass der Schauplatz Mosmerano der Stadt Venedig nachempfunden ist. Was machte die Lagunenstadt zu einem geeigneten Vorbild? Was fasziniert Dich an Venedig?
Thilo Corzilius: Venedig ist einzigartig. Wer einmal dagewesen ist, wird das wissen. Und wer es noch nicht war, wird es zumindest ahnen. Diese Stadt blutet Atmosphäre aus jeder Gasse, jedem Kanal, sogar aus jeder Pore im Stein. Die besondere Lage, die Lagune, das Alter, die Historie, die Kunst, alles gepaart mit einer Prise Chaos. Ich wollte immer schon mal eine Geschichte in einem solchen Setting erfinden. Was lag also näher, als irgendwann einmal eine meiner Geschichten in einem Venedig spielen zu lassen?
Ich weiß noch, wie ich am Bahnhof in Venedig ausgestiegen bin und bereits auf dem Weg zum Hostel an jeder Ecke Glin und Yrrein über die Dächer habe huschen sehen.
phantastisch-lesen: Ein paar Elemente aus dem Steampunk sind ebenfalls in „Diebe der Nacht“ zu finden. Bist Du ein Fan dieses Konzepts? Was fasziniert Dich an der phantastisch weiterentwickelten Technik des beginnenden Industriezeitalters?
Thilo Corzilius: Ich mag einfach den Artstyle des Steampunk. Ich weiß nicht was genau ich daran anziehend finde. Aber das Würzen von klassischer Fantasy in einem sehr romantisierten Mittelalter-Setting mit einigen Elementen, die man dort üblicherweise nicht trifft, finde ich schon sehr reizvoll. Spontan fallen mir da „Zelda: Breath of the Wild“ (Computerspiel) oder „The Elder Scrolls“ ein, die das Motiv der magischen Mechaniken in einem Pseudo-Mittelalter-Setting ja auch nutzen. Ich finde, so etwas macht althergebrachte Fantasywelten spannend und verleiht ihnen ein wenig Einzigartigkeit.
phantastisch-lesen: Deine ersten Bücher wurden bei Piper veröffentlicht, spätere dann unter anderem bei Feder&Schwert. Wie kamst Du mit „Diebe der Nacht“ zur Hobbit-Presse?
Thilo Corzilius: Ich habe Bücher immer dort veröffentlicht, wo man sie haben wollte und ich zudem ein gutes Gefühl bei der Sache hatte.
So ca. 2015 sind aber leichte Erschöpfungserscheinungen bei meiner Schriftstellerei aufgetreten. Ich hatte schnell sehr viel veröffentlicht. Und ich merkte, wie ich mir immer mehr Gedanken um Trends, Entwicklungen auf dem Markt, Wünsche aus den Verlagslektoraten machte. Das hat mich wahnsinnig gestresst. So sehr, dass ich einfach eines Tages hingeworfen habe. Dann habe ich beinahe ein Jahr gar nicht an einem Roman geschrieben, bis ich mir klargemacht hatte, was ich eigentlich mit dem Schreiben möchte: Die Geschichten erzählen, die ich will und an denen mir viel liegt, und dabei die einschneidenden Kompromisse möglichst klein halten.
Also habe ich endlich „Diebe der Nacht“ geschrieben, was als Idee bereits seit Jahren herumlag aber sich aus teils falschen Gründen immer hintenanstellen musste. Ich habe mich bewusst erst mit einer Veröffentlichung beschäftigt, als das Manuskript fertig war. Und hatte während des Schreibens sogar eher damit gerechnet, dass ich es im Selfpublishing herausbringe. Meiner Agentur habe ich es natürlich trotzdem gegeben. Und über die kam dann der Kontakt zur Hobbit Presse zustande. Nach einigen Telefonaten mit dem Lektorat dort war klar: Das passt ziemlich gut.
phantastisch-lesen: Du hast mit „Diebe der Nacht“ den ersten Krefelder Preis für Fantastische Literatur gewonnen und bist ebenfalls für den Seraph 2021 in der Kategorie „Bestes Buch“ nominiert. Herzlichen Glückwunsch! Was bedeuten dir generell Literaturpreise?
Thilo Corzilius: Dankeschön!
Ich glaube, eine wertschätzende Auszeichnung ist immer etwas Schönes. Seit Jahren freue ich mich immer für Autor*innen, wenn sie einen Preis gewinnen. Gute Geschichten sollte man auszeichnen und auf diese Weise bekannter machen, denn sie verdienen ein Publikum.
Über meinen eigenen Gewinn freue ich mich natürlich tierisch. Aber ich merke auch, wie unsicher ich werde und immer noch denke: Verrückt, ausgerechnet meine Geschichte soll derart preiswürdig gewesen sein? Die anderen Titel waren doch so verdammt gut. Es fühlt sich an, als würde der FC St. Pauli plötzlich die Champions League gewinnen. Ich werde bei so etwas vermutlich immer zum Understatement neigen. Aber ich kann Leute nicht leiden, die sich selbst für die Besten halten – und das gilt auch für mich. Schwierig also, auf solche Fragen zu antworten. Auf der einen Seite möchte man sich nicht aufblasen, auf der anderen Seite sich aber auch nicht zu klein reden.
An die Leser*innen da draußen: Lest die Bücher, die bei den phantastischen Jury-Preisen auf der Longlist und Shortlist standen! Sie sind alle wirklich wirklich gut!
phantastisch-lesen: Sind dir Jury- (so wie der Krefelder Preis und der Seraph) oder Publikumspreise (wie z.B. Der Deutsche Phantastik-Preis) lieber?
Thilo Corzilius: Jury-Preise, ganz eindeutig. Das hat aber nichts damit zu tun, dass ich gerade einen gewonnen habe – sondern das ging mir immer schon so.
Publikumspreise können auch gewonnen werden, wenn man z.B. über Soziale Netzwerke eine große Reichweite besitzt und genug Menschen mobilisieren kann, die dann abstimmen. Bitte nicht falsch verstehen: Sich Reichweite und Popularität aufzubauen, ist ein wirklich hartes Stück Arbeit und ich missgönne niemandem eine Auszeichnung dafür. Im Gegenteil, das ist aller Ehren wert. Die meisten Klicks für etwas zu bekommen, sagt jedoch nicht zwangsläufig etwas über die Qualität der Geschichte aus.
Gerade deswegen habe ich mich vor 10 Jahren sehr darüber gefreut, dass der Seraph ins Leben gerufen wurde. Mindestens einen großen jährlichen Jury-Preis für Phantastische Literatur zu haben, halte ich nach wie vor für sehr wichtig. Dass der Krefelder Preis nun alle zwei Jahre dazukommt, freut mich umso mehr.
phantastisch-lesen: In Deinem ersten Buch „Ravinia“ ist mir eine besonders poetische Sprache aufgefallen, in „Diebe der Nacht“ ist die nicht mehr ganz so präsent. Hast Du bewusst Deinen Stil ein wenig geändert oder war das einfach eine Entwicklung mit zunehmender Schreibpraxis?
Thilo Corzilius: Natürlich sind mein Geschmack und meine Vorlieben einem Wandel unterworfen. Das ist bei uns allen zum Glück so, sonst würde sich ja niemand weiterentwickeln. Ich habe früher durch Wortgewandtheit, einen großen Wortschatz, verschachtelte Sätze unbewusst viele Schwächen kaschiert.
Müsste ich meine eigene Entwicklung analysieren (Achtung, darin ist niemand wirklich gut!) würde ich sagen: Mein Stil ist seitdem plotgetriebener geworden. Ich schreibe weniger um des Schreibens willen, fabuliere weniger, nur um schöne Worte zu produzieren. Die funktionierende Geschichte steht mehr im Vordergrund. In der Folge habe ich bei mir z.B. eine Reduzierung der Wörterzahl beobachtet. Eine Geschichte mit demselben Plot schreibe ich heute kürzer, als ich es vor zehn Jahren getan hätte.
Ich habe auch mehr und mehr eine Bewunderung dafür entwickelt, wie man ohne überflüssige Schnörkel und Schleifen schön und auch poetisch schreiben kann. Einige Bücher von Kai Mayer beispielsweise sind in diese Hinsicht fast perfekt. Aber auch Patrick Rothfuss kann da manchmal erstaunliche Dinge. Die Dialoge in „Der Name des Windes“ sind absolut bemerkenswert. Viele lieben dieses Buch aufgrund seiner poetischen Umschreibungen. Aber es sind gerade die Dialogszenen, die beinahe völlig ohne schmückende Adjektive auskommen. Und sie sind mit die besten, die man in der Fantasy finden kann.
phantastisch-lesen: Du hast schon mehrfach erklärt, dass es zu „Diebe der Nacht“ keine Fortsetzung geben wird. Bleibt es dabei? Wenn ja, kannst Du ein bisschen über deine aktuelles Schreibprojekt verraten?
Thilo Corzilius: Ja, dabei bleibt es definitiv. „Diebe der Nacht“ wird ein Einzelband bleiben. Es ist zwar nicht so, dass ich mich nicht mit hingesetzt und überlegt hätte, ob und wie man die Geschichte um die Herbstgänger weiterspinnen kann. Backstory aus der Ruhenden Welt gäbe es genug.
Aber dann hat mein Lektor einen entscheidenden Satz gesagt:
»„Wenn du ohne Not bei den Herbstgängern bleibst – gerade unter dem Eindruck des Krefelder Preises – dann wirst du automatisch auf allen Seiten so hohe Erwartungen schüren, dass du sie bloß enttäuschen kannst. Bei dir selbst, bei den Leser*innen, beim Verlag. Hör auf, wenn es am schönsten ist! Entwickle dich weiter!“«
Das war wie eine Erlösung, denn nachdem die „Diebe der Nacht“ so gut aufgenommen wurde, überlegt man natürlich schon, ob man nicht einfach darauf aufbaut. Jetzt ist der Kopf deutlich freier für etwas anderes.
Dieses andere wird wieder High-Fantasy sein. Wieder eine neue Welt. Wieder ein in sich abgeschlossener Roman. Ich schreibe gerade daran und es wird bis zum Erscheinen noch etwas dauern.
phantastisch-lesen: Außer deinem schriftstellerischen Werk interessiert mich Dein beruflicher Werdegang. Du hast Evangelische Theologie studiert und bist nun Pfarrer. Aber kein evangelischer Pfarrer, sondern für eine Gemeinde der Alt-Katholischen Kirche. Warum hast Du Dich für die Alt-Katholiken entschieden?
Thilo Corzilius: Ich bin katholisch geprägt (ich mag z.B. die Ästhetik sehr). Die herrschenden Machtstrukturen machen es mir völlig unmöglich, katholisch zu sein, also habe ich erst einmal evangelische Theologie studiert.
Als vor 150 Jahren die Unfehlbarkeit des Papstes beschlossen wurde, ist eine Gruppe von Katholik*innen ausgeschert (sie nannten sich dann alt-katholisch, weil sie damals diese Neuerung für unsinnig hielten und nicht mittragen wollten). Und obwohl es der Name auf den ersten Blick nicht vermuten lässt, hat sich mit einer eigenen Kirche die Chance geboten, progressiver zu werden: Kein Zölibat und kein Papst, stattdessen Basisdemokratie, Gleichberechtigung auf allen Ebenen (es gibt hier katholische Priester*innen), Hochzeiten für gleichgeschlechtliche Paare, viel überkonfessionelle Arbeit, Betonung der eigenen Fehlbarkeit usw. Es fühlt sich z.B. im Gottesdienst aber nach wie vor katholisch an.
phantastisch-lesen: Wie grenzt sich die Alt-Katholische Kirche von der römisch-katholischen Kirche und der evangelischen Kirche ab?
Thilo Corzilius: Sie steht in einer katholischen Tradition, was man vor allem in Gottesdiensten merkt: Kreuzzeichen, jeden Sonntag Kommunion, Weihwasser, Krankensalbung usw. findet man auch hier. Viel Haptisches, viele Symbolhandlungen. In evangelischen Kirchen ist das Gefühl einfach oft ein ganz anderes – kein schlechteres, aber eben deutlich anders.
phantastisch-lesen: Wie handhabst Du in deiner Arbeit (Gottesdienste, Seelsorge) die derzeitige Pandemie-Situation?
Thilo Corzilius: Gottesdienste finden momentan nicht vor Ort statt, sondern über Video- oder Telefonkonferenz. Vielleicht nutzten wir bald wieder den Garten der Gemeinde. Aber im Moment sind die Zahlen der Pandemie ja immer noch eher beschissen – entschuldige die Ausdrucksweise. Dass Kirchen da nicht in die Pflicht genommen werden, halte ich für verantwortungslos. Die Religionsfreiheit ist da nur ein vorgeschobener Grund. Der Ausfall von Präsenzgottesdiensten bedeutet ja nicht, dass man seine Religion nicht ausüben kann. Es ist eben bloß nicht auf die Weise möglich, die man gewohnt ist. Aber das trifft ja gerade ohnehin auf alles im Leben zu. Ich bin ganz ehrlich: Ich halte das für ein Manöver, um Gruppen von christlichen Wähler*innen nicht zu verschrecken.
Zu meinem veränderten Alltag: Ich hänge viel mehr am Telefon und in Videokonferenzen als früher. In Krankenhäuser zu kommen ist schwieriger geworden, teils unmöglich. Die Menschen drehen so langsam aber sicher durch, weil wir die Pandemie nicht in den Griff bekommen. Ich habe seit März 2020 mehr aufgelöste Menschen am Telefon gehabt als in meinen 6 Jahren als Seelsorger davor zusammengenommen. Überhaupt kostet alles sehr viel mehr Energie. Eine große Pause zum Durchatmen wäre nach der Pandemie echt gut.
phantastisch-lesen: Welche politischen Strategien und Entscheidungen wünscht Du Dir für den weiteren Weg in der Corona-Krise?
Thilo Corzilius: Die Politik sollte auf die Wissenschaft hören. Punkt.
Mir erschließt sich das politische Herumeiern auf keiner Ebene mehr: Niemand will sich infizieren, niemand will unnötige Lockerungen, das Gesundheitssystem ist über dem Limit, die isolierten Menschen sowieso. Selbst die vielbeschworene Wirtschaft verlangt nach klaren Maßnahmen, und die Wähler*innen stimmen längst mit den Füßen ab. Es gibt also absolut keine Ebene, auf der die aktuellen Maßnahmen irgendwem nützen – menschlich nicht, wirtschaftlich, politisch nicht.
Und mir geht langsam die Fantasie aus, warum man nichts Wirkungsvolles unternimmt, sondern darauf hofft, dass es mit den Impfungen nun schnell genug geht. Hätte man zu Beginn des Jahres drastische Maßnahmen ergriffen, dann hätten wir alle ein richtig geiles Osterfest feiern können. Jetzt ist bald Pfingsten und wir hängen immer noch bei hohen Fallzahlen durch. Ich verstehe es nicht.
Ich glaube, wir sind wirklich reif für einen Wandel in der politischen Kultur.
phantastisch-lesen: Das ist doch ein geeignetes Schlusswort! Ich DANKE Dir, Thilo, für dieses wirklich sehr spannende Gespräch!
Eva Bergschneider führte das Interview mit Thilo Corzilius per e-Mail.