Roma Nova – Judith Vogt

Star Wars und Gladiator

Roma Nova - Judith Vogt © Bastei Lübbe
Roma Nova © Bastei Lübbe

Legat Lucius Marinus Maximus kreuzt mit seinem Raumschiff Bona Dea im Randbezirk des Mare Nostrum. Mit Freunden und Gönnern, liegt Lucius gerade zu Tisch als Aliens sein Raumschiff angreifen. Lediglich der Gastgeber, seine Tochter Constantia und ein Sklave namens Ianos kommen mit dem Leben davon. Waren die angreifenden Chimärwesen halb Mensch, halb Assel Dämonen aus dem Hades? Wie konnten sie sich völlig unbemerkt nähern?

Zurück in Rom gilt es, Schadensbegrenzung zu betreiben, neue Bündnisse zu schließen und Constantia mit einem einflussreichen Ehemann zu verheiraten. Den Mariner-Clan hat jedoch eine geheimnisvolle Krankheit befallen, besonders Constantia leidet unter Schwäche und Depressionen. Zudem fühlt sie sich mit Ianos verbunden, dem Sklaven, der ihr das Leben rettete. Zum Dank schickt Lucius ihn in den Ludus, in die Gladiatorenschule.

Zum Vergnügen des Publikums kämpfen und töten die Gladiatoren nicht nur, sie stellen auch ihre Privatsphäre zur Schau. Ununterbrochen beobachten sie Kameras, ihr Leben ist ein TV-Spektakel. Das absolute Highlight eines Gladiatorenlebens ist, ein göttliches künstliches Herz zu erhalten. Derer gibt es sechs und sind alle vergeben findet der finale Kampf unter allen „Herzlosen“ statt. Dem Gewinner winkt die Freiheit. Spartakus hat ein künstliches Herz transplantiert bekommen. Er ist nun noch stärker, seine Wunden heilen sofort und er spürt keine Schmerzen mehr. Der Neuling Ianos tritt gegen ihn an – und gewinnt, trotzdem er vergleichsweise klein und schmächtig ist. Denn Ianos hat ein Geheimnis aus dem All mitgebracht.

Schließlich erproben die Gladiatoren den Aufstand und fliehen aus den Katakomben. In den finalen Kampf um die Freiheit greifen auch die Dämonen aus dem Hades ein.

Science-Fiction gekreuzt mit Historienroman und Fantasy

Filmproduzent Philip Schulz-Deyle (u.a für „Snowden“) hatte die faszinierende Idee einer Space-Opera mit Römern im Weltraum. Judith Vogt schrieb 2012 für das Pen&Paper Rollenspiel „Das Schwarze Auge“ zwei Fantasy-Romane um die Römer („Herr der Legionen“ und „Herrin des Schwarms“) und bekam daraufhin von Philip das Angebot, seine Idee in Buchform zu gießen. Mit „Roma Nova“ liegt das Ergebnis dieser Zusammenarbeit vor, ein Mix aus Science-Fiction und Fantasy vor einem historischen Hintergrund.

Volle Punktzahl für Innovation und Mut

Die Römer im Weltraum entsprechen denen des antiken Imperiums: ein aggressives Eroberervolk, kultiviert, stolz und dekadent. In „Roma Nova“ ist Rom ein Planet, bebaut mit monumentalen Bauten, die wir aus der Antike kennen. Allerdings sind sie hier auf mehreren Ebenen errichtet, ähnlich wie Mahala in der „Rojan Dizon“ Cyberpunk-Serie von Francis Knight. Zudem hat Rom eine moderne Infrastruktur, High-Tech Kommunikationselektronik und eine Raumflotte. Die Gesellschaft ist in der Antike steckengeblieben; das Volk in Freie Bürger und Sklaven, Patrizier und Plebejer unterteilt. Dem Standesdünkel Roms, der politischen Macht und dem gesellschaftlichen Ansehen ordnet die Familie von Legat Marinus ihr Leben unter.

Die Anzahl der Figuren in diesem Roman ist beachtlich und das Dramatis Personae am Buchende unentbehrlich. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen die Familie des Legaten und die Gladiatoren des Ludus. Constantia und ihr Bruder Marius sind ein gegensätzliches Geschwisterpaar: das behütete Mädchen und der Taugenichts mit einer Vorliebe für Alkohol und schlechte Gesellschaft. In der Handlung reift Constantia, sie wehrt sich dagegen, ein vorherbestimmtes Leben zu leben. Die Gladiatoren Spartacus und Ianos bilden ebenfalls ein spannendes Figurenpaar: der starke Held und der kleine und clevere Stratege. Aus tödlichen Gegnern werden Partner und Revolutionäre. Die Charaktere in „Roma Nova“ sind zwar den Stereotypen des alten Roms nachempfunden, brechen jedoch aus dieser Rolle aus und entwickeln individuelle Profile.

Ein spannender Plot, obwohl ein wichtiger Teil zu kurz kommt

Der Einstieg in den Roman ist spektakulär und atmosphärisch dicht. Auf den ersten Seiten erhält Spartacus sein göttliches Herz. In der nächsten Szene dringen bizarre Wesen in ein römisches Raumschiff ein, töten fast alle und zerstören es. Über diesen dramatischen Geschehnissen liegt die Erzählerstimme der Seherin Morisa. Dieser Einstieg erinnerte mich sofort an die Prologe in den Filmen „Der Wüstenplanet“ (Prinzessin Irulan) und „Der Herr der Ringe“ (Galadriel). Großartiges Kopfkino. In den Folgekapiteln knüpft Judith Vogt jedoch nur sporadisch an diese Erzählweise an. Auch auf die Fortsetzung der Alien-Story muss man leider bis zum Schluss warten. Dass die Space-Flotte der Römer diesen Überfall nicht untersucht, geschweige denn versucht, zu vergelten, erscheint seltsam. Stattdessen kehren Legat Marinus, seine Tochter Constantia und der Sklave Ianos als Überlebende nach Rom zurück, trauern ein wenig um einen verstorbenen Sohn und kümmern sich um ihren Status in der Gesellschaft. Ob diese Aliens oder Dämonen eine potentielle Gefahr für Rom darstellen, scheint zunächst niemanden zu interessieren. Schade ist, dass die Verknüpfung zwischen der geheimnisvollen Seherin, der Mariner-Familie und den aufrührerischen Sklaven erst in den letzten Kapiteln wieder in den Vordergrund rückt. Erst mit dem Sklavenaufstand gerät der Hades in den Fokus der Römer.

Diese spezielle Geschichte braucht kraftvolle Worte

Judith Vogt gibt ihren Figuren eine der Maßlosigkeit ihrer Gesellschaft angepassten Sprachstil mit: roh, mit vulgären Ausdrücken und sexualisierten Äußerungen. Auch die Beschreibungen von Sex und sexueller Gewalt sind plakativ und konkret. Dieser Stil mag nicht jedem gefallen, aber er ist genau der richtige. Denn er unterstreicht die übersättigte Atmosphäre einer Gesellschaft, die keine Ziele mehr hat außer dem Konsum zu frönen. Die am Scheitelpunkt ihrer Entwicklung steht, kurz bevor sich der unvermeidliche Sturz ereignet.

„Roma Nova“ ist ein innovativer Roman mit einem mehr als faszinierenden Setting und vielen außergewöhnlichen Ideen. Interessant und ein wenig beklemmend wirkt die Betrachtung einer in die Zukunft projizierten römischen Gesellschaft, in der wir unsere eigene moderne Gesellschaft zum Teil wiedererkennen. Constantia, Ianos und Spartacus mutiger Weg des Widerstands ist mitreißend und aufwühlend beschrieben. Liebe bedeutet hier ein Ausbrechen aus den Grundpfeilern der futuristisch römischen Gesellschaft. Lediglich im Mittelteil des Romans, als der Marinus-Clan hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt ist, hängt die Spannungskurve durch. Gerade noch rechtzeitig knüpft die Handlung wieder an ihren spannendsten Punkt vom Anfang an und beschert der Geschichte ein bittersüßes, überraschendes Finale. Gerade weil sich die Ereignisse am Ende überschlagen, wäre eine Fortsetzung von „Roma Nova“ sehr willkommen.

Eva Bergschneider

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Roma Nova
Judith Vogt
Science-Fiction/Fantasy
Bastei Lübbe
Juli 2018
621

Funtastik-Faktor: 75

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