The Last Day – Andrew Hunter Murray

Ein verhängnisvolles Geheimnis zwischen Hitze und Eis

The Last Day - Andrew Hunter Murray ©Piper
The Last Day ©Piper

Im Jahr 2059 hat die Erde sich aufgehört zu drehen. Seitdem ist das Überleben nur noch in einem schmalen Streifen auf dem Planeten möglich, in dem sich auch Großbritannien befindet. Der Rest der Welt ist entweder eisig kalt oder sengend heiß.

Wenn einen die Vergangenheit einholt

Die Wissenschaftlerin Ellen Hopper forscht in dieser Zeit auf einer Meeresplattform. Eines Tages holt sie ihre Vergangenheit wieder ein, als ihr sterbender wissenschaftlicher Mentor Strippen zieht, um sie ein letztes Mal zu sehen. Die Beziehung zwischen den beiden ist abgekühlt, da sie ihm eine frühere Tat nicht verzeihen kann. Doch mit seinen letzten Atemzügen gibt er ihr einen Hinweis auf ein großes Rätsel, dass ihr Leben grundlegend verändert.

Pseudowissenschaftlich, aber trotzdem gut

Eine Vorwarnung: „The Last Day“ ist ein dystopischer SciFi-Thriller, keine Hard-Science-Fiction. Wer hier präzise wissenschaftliche Genauigkeit erwartet, liest den falschen Roman. Letztendlich dient die Wissenschaft Andrew Hunter Murray nur als Pseudogrundlage, um das Ausgangsszenario seines Buches zu erklären. Denn die Ursache dafür, dass die Erde sich aufgehört hat zu drehen, war ein kosmischer Irrläufer: Ein anderer Planet, der mit nahezu Lichtgeschwindigkeit durchs Sonnensystem rauschte und dadurch die Rotation der Erde zum Stillstand brachte. Mit der in der Zusammenfassung geschilderten Konsequenz.

Diese wissenschaftliche Unstimmigkeit stört nicht, im Gegenteil. Was der Autor daraus macht, ist eine absolut faszinierende Story. Sein Großbritannien ist eine isolierte Insel, bewusst abgeschottet vom Rest der Welt. Für diese Abschottung wurden extreme Maßnahmen ergriffen, wie beispielsweise die absichtliche Vernichtung einer Bootsflotte voller Flüchtlinge. Murrays Darstellung von Britannien trägt diktatorische Züge, da der Premierminister mit eiserner Hand über das Inselreich herrscht und die freie Presse nicht mehr wirklich frei ist.

Ein spröder Beginn

In dieser Umgebung spielt die Geschichte von Ellen Hopper, einer Wissenschaftlerin, die gegen ihren Willen in das Geheimnis ihres Mentors hineingezogen wird. Sie selbst hat so etwas wie einen spröden Charme an sich und so dauert es eine Weile, bis man mit ihr warm wird. Sie ist eine Einzelgängerin, jemand, der aufgrund früherer Erfahrungen sich nur schwer anderen Leuten anvertrauen kann.

Und genauso spröde, wie die Protagonisten, fängt auch die Geschichte von „The Last Day“ an. Es dauert etwas, bis man in die Story hineingefunden hat. Doch es lohnt sich, dranzubleiben, denn die Erzählung des Buches ist spannend und voller Plottwists. Auf faszinierende Art gelingt es Andrew Hunter Murray, den Leser dazu zu bringen, immer weiterzulesen. Hat man zu Beginn noch gewisse Bedenken, ob das Buch als Unterhaltungslektüre funktioniert, verschwinden diese immer mehr, je weiter man der Geschichte folgt. Je mehr man über Ellen Hopper, ihre Familie und das Geheimnis erfährt, umso mehr lässt die Handlung einen nicht mehr los.

Der Abgrund lockt

Wie der Autor die Auswirkungen des Stillstands der Erde auf Großbritannien beschreibt, ist gleichfalls interessant. Neben der in Großbritannien entstandenen Diktatur, fokussiert er sich auf natürliche Phänomene. Wir lernen eine Zivilisation kennen, die am Rande des Abgrunds balanciert. Der letzte Schubs, der dafür sorgt, dass sie endgültig fällt, kündigt sich bereits an. Dennoch vernachlässigt Andrew Hunter Murray das Gefühl der Hoffnung nicht. Ja, es sieht nicht gut für die Menschheit aus. Jedoch verweisen bestimmte Details dieser apokalyptischen Welt darauf, dass die Spezies Mensch zäher und intelligenter ist, als vermutet.

Fazit

„The Last Day“ ist ein grandioser Roman, der sehr schnell sehr spannend und zu einem richtigen Pageturner wird. Ihn aus der Hand zu legen, ehe die letzte Seite gelesen ist, fällt enorm schwer.

Götz Piesbergen

The Last Day
Andrew Hunter Murray, Übersetzung: Michaela Link
Science Fiction
Piper
Oktober 2020
448
Guter Punkt, München, nach einem Entwurf von random House UK
90

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