Spannender und innovativer Fantasy-SF-Mix
Die Menschenfrau Endriel und ihre Freundin vom Volk der Yadi Nelen verdienen ihren Broterwerb mit dem Stehlen von Sha Yang Artefakten. Endriels Vater gehörte zu den Friedenswächtern und wünschte sich diese Laufbahn für seine Tochter. Doch die verließ das Heim auf der Suche nach Abenteuern. Nach dem letzten gescheiterten Beutezug gerät Endriel in eine Schlägerei, ein junger Mann mit grünen Augen wird von einem tätowierten Draxyll angegriffen. Die impulsive und kampferprobte Endriel mischt sich ein und schlägt den Angreifer in die Flucht. Der Gerettete flieht allerdings auch, ohne sich noch einmal umzusehen.
Den Skria Keru hatte Endriels Vater ausgeschickt, um seine Tochter zu suchen. Als Keru sie schließlich findet, ist es für Endriel zu spät, sich mit ihrem Vater auszusöhnen. Er ist verstorben. In ihrem Elternhaus findet sie nun Fremde vor, die Heilerin Xeah, die ihren Vater im Sterben begleitet hat, und den mürrischen Skria. Endriel erbt ein kleines Drachenschiff, die Korona und sie beschließt mit Keru und Xeah ein Transportunternehmen zu gründen. Ihr erster Kunde ist ausgerechnet jener junge Mann mit den grünen Augen, den inzwischen der Gouverneur Syl Ra Van persönlich suchen lässt. Angeblich soll er den gefürchteten Schattenkult erneut heraufbeschwören. Eine abenteuerliche Reise beginnt, die das Gefüge der Planeten Kenlyn und Te `Ra komplett auf den Kopf stellt.
Fantasy-Abenteuer auf zwei fernen Planeten
Den Roman „Drachenschiffe über Kenlyn“ erhielt ich 2011 von Gudrun Hahn, der Verlegerin des Hexentorverlags. Sie plante eine zweite Auflage und ich versprach ihr, das Buch zu dem Anlass auf der Phantastik-Couch vorzustellen. Leider kam es nie zu der zweiten Auflage und der Roman verschwand aus meiner Wahrnehmung. Für den Hobbit-Presse Blog schrieb ich kürzlich einen Artikel über genreuntypische Science-Fiction Literatur und dabei fiel mir „Drachenschiffe über Kenlyn“ in die Hände. So viel sei vorab verraten, es hat sich wirklich gelohnt, diesem Buch endlich Aufmerksamkeit zu schenken.
Der Autor Dane Rahlmeyer hat für den Roman ein typisches Science-Fiction Setting erschaffen. Im Prolog erfahren wir die Geschichte der beiden Planeten Te `Ra, der Saphirstern genannt, und Kenlyn. Auf Te `Ra lebten die katzenartigen Skria, die echsenartigen Draxyll, die kleinen geflügelten Yadi und die Menschen in Krieg und Chaos, bis die Sha Yang kamen. Das hochzivilisierte Volk brachte eine an Zauberei anmutende Technik mit und Frieden auf den Planeten. Doch der hielt nur bis der Schattenkult aufkam und eine Vernichtungswaffe erschuf, die die gesamte Oberfläche des Planeten zerstörte. Mit letzter Kraft schickten die Sha Yang die Völker des Saphirsterns durch ein Sternentor (Nexus) auf den Planeten Kenlyn. Dort sorgen seit dem die Friedenswächter für Ordnung. Angeführt werden sie von einer künstlichen Intelligenz, dem Gouverneur Syl Ra Van. Er ist die mächtigste Hinterlassenschaft der untergegangenen Kultur der Sha Yang.
Endriels Geschichte setzt diesen Konflikt zwischen den verschiedenen Rassen und dem Schattenkult fort. Den Storyrahmen hat der Autor aus Science-Fiction Motiven gebaut, das Abenteuer selbst ist eher Fantasy like. Sha Yang Magie und Alientechnologie gehen fließend ineinander über und werden nicht näher erläutert, wie es in SF-Romanen der Fall wäre. Magie und Technik stehen auch nicht im Mittelpunkt der Geschichte. Sie stellen originelle Objekte zur Verfügung, die den Protagonisten die Reise in ferne Gebiete ermöglichen. Allen voran die Drachenschiffe und die Portale (genannt Nexus), die von Endriels Crew auf spektakuläre Weise genutzt werden.
Ein buntes Ensemble
Die Besatzung des Drachenschiffs Korona muss man einfach gern haben, eben weil die Crewsmitglieder so unterschiedlich und skurril sind. Die Protagonistin Endriel ist eine Draufgängerin mit Herz, ihre Freundin Nelen ist der besonnenere Teil dieses umtriebigen Duos. Xeah ist eine echsenartige Humanoide mit einem Horn auf dem Kopf, das durch Geräusche ihren Gemütszustand ausdrückt. Sie ist eine weise, alte Dame, die mäßigend eingreift, wenn Endriel und Keru sich gegenseitig provozieren. Apropos Keru, der raubkatzenartige Humanoide ist der geheimnisvolle, verschlossene und zumeist mies gelaunte Typ. Er ist gefährlich und fest entschlossen Endriel auch aus selbstverschuldetem Schlamassel herauszupauken. Der Friedenswächter Andar Telios, ein Schüler ihres Vaters und nun väterlicher Freund von Endriel, sitzt zwischen den Stühlen der Pflichterfüllung und seines Gewissens. Sein Gebieter Syl Ra Van, die KI, ist die einzige Persönlichkeit des Romans, die nicht eindeutig dem guten oder bösen Lager zuzuordnen ist. Das Fehlen von ambivalenten Persönlichkeiten ist eine Schwäche der Geschichte. Trotz der Vielfalt der Spezies hätten ein oder zwei zwielichtige Gestalten das Figurenensemble noch interessanter gemacht.
Zwischen Endriel und dem verfolgten Kai Novus bahnt sich ab der ersten Begegnung eine Liebesgeschichte an. Mit etwas weniger Liebe auf den ersten Blick und mehr Zeit zur Entwicklung wäre daraus eine stimmungsvollere Episode geworden, denn zu der sonst taffen jungen Frau will dieses pubertäre Anhimmeln nicht recht passen.
Humorvolle Sprache und spritzige Dialoge
Überwiegend berichtet die Protagonistin Endriel als personaler Erzähler und das mit viel Leidenschaft und Witz. Gewöhnungsbedürftig ist, dass der Blickwinkel auf das Geschehen häufig für ein paar Sätze zu einer anderen Person wechselt und dann zu Endriel zurückkehrt. Anfangs verwirrt dieses Hin und Her, zumal oft ein Absatz zwischen diesen Brüchen fehlt, was den Lesefluss empfindlich einschränkt. Ein Vorteil dieses schnellen Perspektivwechsels ist jedoch, dass der Leser sich immer direkt am Geschehen befindet und das Erzähltempo dynamisch bleibt. Viele schlagfertige, kontroverse Dialoge und nachdenkliche Gespräche sorgen für die richtige Balance zwischen Kurzweil und Tiefgang. „Drachenschiffe über Kenlyn“ ist aber vor allem ein spannender und aktionsreicher Abenteuerroman. Dane Rahlmeyer hat sich einige Wendungen einfallen lassen, mit denen man so nicht rechnet. Einige Entwicklungen wirken aus dem Hut gezaubert, doch insgesamt ist ein logischer Aufbau der Story gelungen. Das Finale verleiht der Geschichte noch einmal eine neue Richtung und schließt das Abenteuer ab. Doch der Kampf um Kenlyn ist noch lange nicht vorbei. Endriel, Keru und ihre Crew haben noch zwei Bände lang Zeit, um die Völker Kenlyns in eine neue Zukunft zu führen. In „Rückkehr nach Kenlyn“ (Band 2) und „Kampf um Kenlyn“ (Band 3) geht es weiter.
Alle Bände der Kenlyn-Chroniken hat der Autor Dane Rahlmeyer inzwischen im Selbstverlag als e-book und Taschenbuch Ausgaben herausgebracht. Die mir vorliegende Ausgabe vom Hexentorverlag (siehe Instagram-Bild) ist auf dem Gebrauchtmarkt noch erhältlich.
Eva Bergschneider
Kenlyn-Chroniken
Fantasy/ Science-Fiction
Selfpublsher/Hexentorverlag
Oktober 2006
497
Funtastik-Faktor: 75