Das letzte Schlachtschiff (Band 1) – Joshua Tree

Solide Unterhaltung mit altbekannten und neu kreierten SF-Motiven zwischen Space-Opera und Military

Das letzte Schlachtschiff, Band 1 - Joshua Tree ©Joshua Tree/Belle Epoque, Weltraum, Weltraumtor, Raumschiff, Planetenoberfläche
Das letzte Schlachtschiff©Joshua Tree/Belle Epoque

Man nehme: Verfeindete menschliche Fraktionen, einen Erbfeind (hier: die Clicks), der diesen entgegensteht. Ein altgedientes Schlachtschiff, Admiräle und Kapitäne im Raumkampf. Man füge hinzu: Hyperraumtore, die Erde von einer KI regiert (nach Lesart anderer eher beherrscht) und eine unbekannte Macht.

Aus diesen teilweise altbekannten, teilweise kreativ neu zusammengewürfelten Komponenten formt Joshua Tree seine neueste Reihe, die er zwischen Military Science Fiction und Space Opera platziert. Eine mutige Entscheidung. Denn in dieser Zone fliegen bereits überaus erfolgreich sowohl internationale Verlagswerke (John Scalzis „Imperium der Ströme“, James Coreys „Expanse“ Serie) als auch deutschsprachige Selfpublisher (Johannes Siemers „Admiral“ Reihe, Ivan ErtlovsStargazer„). Diese bedienen mit jeweils unterschiedlichen Ansätzen und Ansprüchen eine große Fangemeinde. Tatsächlich konnte Das letzte Schlachtschiff seit seinem Start zumindest verkaufstechnisch alle Genannten hinter sich lassen und beherrscht derzeit die Science Fiction Charts auf Amazon. Grund genug, das Buch mit dem knallbunten Cover unter die Lupe zu nehmen.

Der Kampf um das Epos

In seinem neuesten Werk versucht Joshua Tree deutlich, zumindest einzelne Szenen „episch“ zu schreiben. Insbesondere dann, wenn eindrucksvolle Bilder geschaffen werden sollen. Das funktioniert erstaunlich gut, selbst wenn Beschreibungen gerne zu ausführlich und manche Vergleiche zu platt ausfallen. Aber das Kopfkino wird angeregt, hier liest man gerne weiter. Bei den Kämpfen hingegen halten sich Licht und Schatten die Waage. Die Aufstellungen, Taktik und Abläufe haben durchaus Spannungspotential. In der eigentlichen Action fehlt jedoch anfangs die Dramatik, das Gefühl einer echten Gefahr. Mitfiebern fällt schwer, unterhaltsam bleibt es aber dennoch. Und dann, ab Kapitel 22, steigert sich das Buch diesbezüglich gewaltig. Das Auftauchen eines unbekannten Gegners verpackt Tree in ein Schlachtgetümmel, dass sich sehen lassen kann, und von da an werden deutliche Pageturner-Qualitäten sichtbar.

Schwächelnde Zwiesprachen

Die Dialoge hingegen wirken wie von zwei verschiedenen Autoren geschrieben: Oft genug glaubwürdig und markant, aber dann an manchen Stellen wie eine drittklassige deutsche Filmsynchronisation der 80er Jahre. Von „Sollten wir nicht abhauen, Mann?“ bis zum diesbezüglichen Tiefpunkt in Kapitel 19 „..dann wird man uns an den Eiern packen, sie ein paar Mal drehen und dann so lang ziehen, dass uns die Milch aus den Augen spritzt!“

An dieser Stelle musste ich den Reader absetzen, eine Pause einlegen und tief durchatmen. Warum da kein Lektorat, Korrektorat oder Testleser das Handtuch des Protests geworfen hat, bleibt mir unverständlich.

Wo ist die Science, liebe Fiction?

Auch wenn es ein wenig pedantisch ist, so etwas einer selbsternannten Space Opera anzukreiden: Die Wissenschaftlichkeit schwankt fröhlich zwischen „gut recherchiert“, „gerade noch glaubwürdig“ und „hat sich in den Urlaub verabschiedet“ Letzteres weitaus seltener, aber dafür bleibt es umso mehr im Gedächtnis der Leserin hängen. Wenn (übrigens ebenfalls in Kapitel 19) die Frage aufgeworfen wird, wie die Lagoon „bestimmte Edelgase so reagieren ließen“, dass sie daraus „harte Materialien formten“. Und dann als Antwort „Sie müssen jedenfalls in der Lage sein, komplexe atomare Reaktionsprozesse zu initiieren“ kommt, kann man entweder den Kopf auf die Tischplatte fallen lassen und verärgert die Stirn runzeln. Oder einfach weiterlesen und sich damit abfinden, dass dies keine Hard Science Fiction ist. Ein Roman, der auf manchen Ebenen eher Star Wars als Star Trek darstellt. Sei‘s drum, beides kann unterhalten. 

Besser gut geklaut inspiriert als schlecht erfunden

Wenn wir schon bei bekannten Vorbildern der Science-Fiction-Geschichte sind: Joshua Tree hat kein Problem damit, sich deutlich und manchmal überdeutlich von Film und Fernsehen inspirieren zu lassen. Die Hyperraumtore mögen ein wenig an „Stargate“ erinnern und Spuren von „Hyperion“ gelegentlich auftauchen. Aber „Battlestar Galactica“ ist jenes Werk, dem man auf Schritt und Tritt begegnet. Die Oberon ist die Galactica, zumindest in so vielen Punkten vom optischem Design bis zu Figurenkonstellationen und Wahrnehmungen seitens der Protagonisten, dass Tree moralisch gesehen die Drehbuschschreiber von BSG an den Tantiemen beteiligen müsste. Die Handlung hingegen bleibt eigenständig, wenn auch aus bekannten Motiven zusammengebaut und dann mit eigener Kreativität ausgeschmückt. Zusätzliche Perspektiven und der Wechsel zwischen diesen verleihen eine angenehme Tiefe. Gut gelungen.

Fazit:

Das letzte Schlachtschiff ist vielleicht nicht der große Wurf, den Verkaufszahlen und Vorwort suggerieren, aber ein durchaus unterhaltsames Gesamtpaket mit gut ausgearbeiteter Welt, glaubwürdigen Fraktionen und genug Komplexität, um auch anspruchsvollere Leserinnen an der Stange zu halten. Tiefergehende Gesellschaftskritik, die Fähigkeit zur Reflexion oder mehr als nur oberflächliche Allegorien auf unsere Welt sucht man vergeblich. Als reine Unterhaltungsliteratur ist der Roman aber auf jeden Fall in der Oberklasse seines Genres angesiedelt und von einigen sprachlichen Schnitzern abgesehen durchaus empfehlenswert.

Danke an Gastredakteurin Tamara Yùshān

Das letzte Schlachtschiff
Das letzte Schlachtschiff, Band 1
Joshua Tree
Science Fiction (Military/Space Opera)
Joshua Tree Ltd. (eBook), Belle Epoque (Taschenbuch)
Februar 2022 (eBook), April 2022 (Taschenbuch)
eBook, Buch
460 (eBook), 364 (Taschenbuch)
Tom Edwards
74

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